Wertschätzung des Bestands

Porträt

Als wir von einer Bauherrschaft wegen «unserer Handschrift» angefragt wurden, hat uns das schon erstaunt», erzählt Sämy Steiger. Es sei zwar auf eine schöne Art anerkennend gemeint ge­wesen, aber es entspräche tatsächlich nicht dem, was das Atelier für Architektur steiger­spielmann gmbh ausmache. Im Zentrum ihrer Arbeiten stehe nämlich der jeweilige Ort und seine Geschichte. Die wichtigste Ressource sei das Vorhandene. «Unser Stil zeichnet sich dadurch aus, dass wir sehr zurückhaltend eingreifen», ergänzt Corinne Spielmann und führt weiter aus: «So gesehen ist unsere Handschrift eine, die sich dem Bauwerk unterordnet. Wir meinen, dass sie deshalb nicht als ‹Markenzeichen› per se wahrge­nommen werden kann.»

Ein Porträt eines Mannes und einer Frau, die auf einem Stuhl sitzen und lachen.

Sämy Steiger und Corinne Spielmann funktionieren wie zwei Zahnräder; beide sind eigenständig, aber unentbehrlich für den gemeinsamen Prozess.

«Ich würde sagen, wir sind nicht im üblichen Sinne geschäftstüchtig», resümiert Sämy Steiger etwas trocken. Ihre Büro­philosophie, dass das Vorhandene wert­ geschätzt werden muss, könnte schon etwas abschreckend wirken. Und doch helfen ihnen diese Prinzipien, die man auch «Werte» nen­nen darf, als Leitgedanken für ihr Handeln. Denn – dies ist ihnen wichtig – sie möchten auch nach Jahren noch hinter ihren Projekten, Bauten und Eingriffen stehen können. Wenn man ein Bild für das Team Steiger und Spiel­mann zeichnen will, so ist es das eines Uhr­werks. «Wir sind wie Zahnräder», erklärt Corinne Spielmann. «Oftmals nehmen wir in Diskussionen Gegenpositionen ein, greifen dann aber bei der Lösungsfindung gut ineinander. Diese Perspektivenwechsel helfen uns, zum Erkenntnisgewinn zu kommen.» Natürlich prägen auch die Masterausbildun­gen in «Denkmalpflege & Umnutzung» die Handlungsweise des Ateliers. Die Identität eines Ortes mit seinen Traditionen, Brauchtümern, Bau­ und Handwerkskünsten ist für sie von grösstem Interesse, das Wissen da­rum fliesst überall mit ein.

Wenn steigerspielmann ein Projekt an­gehen, so tun sie dies mit einer gründlichen «Anamnese». Genau – dieser Ausdruck ist der Medizin entlehnt und meint in diesem Falle die profunde Projektanalyse. In einem zweiten Schritt wird die «Diagnose» gestellt; die Untersuchungen werden mit dem Ziel, Erkenntnisse zu gewinnen, bewertet. Als Drittes wird behandelt, um den Werterhalt zu sichern. Aber – um bei der Medizin zu bleiben – die Architekt*innen möchten hier möglichst niederschwellig einsteigen und nur nach Bedarf die Dosis erhöhen; stark invasive Eingriffe stehen als Ultima Ratio nicht zu­oberst auf dem Plan.

Das Wesen des Hauses aus den 1970er­Jahren wurde herausgeschält. Dazu gehörte auch, dass die typische Farbigkeit in einer Bestandesauf­nahme analysiert und neu in­terpretiert angewandt wurde.

Die Materialien der Innen­ausstattung – wie Naturstein, Holz, Baumwolle – und deren Oberflächenstrukturen wurden feinsinnig aufeinander abgestimmt. Einige Leuchten und Möbelstücke aus der Ent­stehungszeit konnten in die Einrichtung integriert werden.

Die neu verlegten Boden­ platten aus Kunststein im Eingangsbereich sind ein Material, das in Häusern der 1970er­-Jahre typischerweise zum Einsatz kam

Als ein in dieser Hinsicht kürzlich ent­lassener Patient darf der Umbau einer Ferien­wohnung in Engelberg gelten. Die markante Farbigkeit, die typische Materialität und der Erhalt von einigen noch vorhandenen origi­nalen Bauteilen erinnern an das ursprüngliche Wesen der Wohnung aus den 1970er­ Jahren. Anhand der präzise und sorgfältig gestalteten neuen Einbauten spürt man die Freude und die Leidenschaft am Gestalten im Bestand.

Eine Auswahl ihrer Bauten & Projekte:

  • Umbau Ferienwohnung (1974), Engelberg, 2023
  • Instandsetzung Villa Diana (1905), Luzern, 2021
  • Umbau Ar­beiterhaus (1919), Tössfeld, Winterthur, 2022
  • Umbau Waschhaus – Kunstatelier ehemalige Spinnerei Hard (1802), Win­terthur, 2022
  • Erweiterung Wohnhaus (1996), Oberwilen, 2021