Die Krone aufsetzen

Ausgebaut oder aufgestockt

Als Abschluss eines Gebäudes gegen oben schützt das Dach gegen Witterungseinflüsse. Über seine Schutzfunktion hinaus bietet es von der Materialisierung bis zur Form zahlreiche Gestaltungsoptionen. Und wenn es um den Wunsch nach mehr Wohnfläche geht, eröffnen Dachausbauten und Aufstockungen gerade in Zeiten von immer knapper werdendem Bauland ungeahnte Möglichkeiten. «Je grösser die Bebauungsdichte ist, desto interessanter ist es, in die Höhe zu bauen, die vertikale Ausnutzung zu optimieren», bestätigt der Basler Architekt Dominique Salathé, der gemeinsam mit seinem damaligen Büropartner Andreas Reuter für die Renovation und Aufstockung eines kleinen Stadthauses beim Architekturpreis Der beste Umbau 2018 ausgezeichnet worden ist. «Aufstockungen bieten die Möglichkeit, den Wohnraum mit neuen, zeitgemässen Wohnformen zu erweitern. In dichten Siedlungsgebieten eröffnen sich so zudem ungeahnte Möglichkeiten für Aus- und Weitsichten.» Wie bei allen Bauaufgaben sind jedoch auch Aufstockungen – und teilweise auch Dachausbauten – rechtliche Grenzen gesetzt. Daher sollte man die Baubehörden rechtzeitig mit ins Boot holen. Dominique Salathé empfiehlt eine Potenzialstudie oder ein vertieftes Gespräch mit den Behörden, um die baurechtlichen Spielräume frühzeitig abzuklären. «Zudem muss das Gebäude bautechnisch und statisch fit sein. Eine genaue Einschätzung dieser Bedingungen kann mit verhältnismässig wenig Aufwand frühzeitig gemacht werden», so Salathé.

Die Aufstockung des kleinen Basler Stadthauses von 1872 durch sabarchitekten (heute: Salathé Architekten und Reuter Architekten) verbindet sich mit dem historischen Bestand und vermittelt zwischen Neubau und inventarisiertem Altbau.

Der Architekt Lukas Raeber hat ein Mehrfamilienhaus in Kleinbasel um zwei Geschosse aufgestockt. Die Brandmauer wird im jährlichen Wechsel mit Kunst bespielt.

Die zwei neuen Maisonettewohnungen bestechen durch räumliche Vielfalt und eine durchdachte Gestaltung.

Oliver Brandenberger Architekten haben einem Reiheneckhaus von 1913 durch einseitiges Anheben des Daches und eine Erweiterung zu einem Raumgewinn verholfen. In der Gestaltung erinnert der Anbau mit seinem Holzgitter an Gartenpavillons. Diese optische Leichtigkeit hilft dem Haus, die Balance zu halten.

Durch die ruhige Materialisierung und den Einsatz von Schiebetüren wirkt das Obergeschoss grosszügig und hell. Die leicht vergrösserte Dachgaube verbessert den Lichteinfall.

Mit der Bauherrschaft bewohnen drei Border Collies das Haus. Pflegeleichte Materialien im Inneren standen daher ganz oben auf dem Umbau-Wunschzettel. Das grosse Fenster im Obergeschoss ist gegen den Garten gerichtet.

In der Nähe von Zürich haben d/a/x Atelier für Architektur ein Sichtbetonhaus von 1963 umgebaut. Die Eingriffe – allen voran der neue Dachaufsatz – überführen die Grundidee der bestehenden Architektur ins Heute. Auch das neue Fensterband im Dachfirst fügt sich harmonisch in den Bestand.

Das mächtige Satteldach bestimmt den Charakter des Hauses. Durch den angehobenen First mit dem verglasten Dachausbau entstehen spannende Lichtsituationen, die sich im Verlauf des Tages und des Sonnenstandes fortwährend verändern.

Der Korridor ist die Schnittstelle, wo Bestand und neuer Dachaufbau aufeinandertreffen. Durch die «Dachlaterne» ergiesst sich das Tageslicht ins Hausinnere und verteilt sich über die offenen Bereiche bis ins Erdgeschoss.

Wie unterschiedlich die Aufgabenstellungen, aber auch wie vielfältig die Lösungen im Bereich des Daches bei Umbauten sein können, beweisen die drei hier gezeigten Projekte. Lukas Raeber hat ein Mehrfamilienhaus in Kleinbasel, das 1925 erbaut worden ist, um zwei Geschosse erweitert. Entstanden sind dadurch zwei symmetrische Maisonettewohnungen, die durch räumliche Diversität und einen konstruktiven Kniff überzeugen. Ein kleinerer Massstab war beim Umbau eines Reiheneckhauses gefragt, das zu einer Arbeitersiedlung von 1913 in Pratteln gehört. Durch einseitiges Anheben des Daches und eine Erweiterung gegen den Garten profitiert das kleine Haus von einem nicht unerheblichen Raumgewinn. Die Ansicht der Gebäudezeile auf der Strassenseite bleibt von den Umbaumassnahmen, für die Oliver Brandenberger Architekten verantwortlich zeichnen, weitestgehend unberührt. Ganz im Sinne des Hauses ist auch Max Dell’ Ava von d/a/x Atelier für Architektur den Umbau eines 1960er-Jahre Einfamilienhauses angegangen. Durch die Veränderung der Dachform und die Erweiterung eines Fensterbandes hat der Architekt das Spiel mit dem Licht fortgeführt, das schon immer Teil der Architektur gewesen war.