Aus beruflichen Gründen seid ihr nach Spanien ausgewandert und habt euch dort nach einiger Zeit eine Immobilie gekauft. Was waren eure Wünsche an euer neues Zuhause?
Stefan Keller (SK): Die ersten Jahre haben wir mitten in Barcelona gewohnt, uns aber immer mehr nach einem ruhigeren Ort, näher an der Natur, gesehnt. Das Schöne an Barcelona ist, dass ausserhalb der dichten Grossstadt sehr rasch landwirtschaftlich geprägte oder sogar naturbelassene Umgebung folgt. Wir hatten eine Liste mit genauen Kriterien.
Raya Hauri (RH): Nebst der ruhigen Lage haben wir ein historisches und nicht vollständig renoviertes Haus zum Wohnen und Arbeiten gesucht, mit genügend Land für unsere Pferde. Es sollte zudem nicht weiter als eine Stunde von Barcelona entfernt sein. Der Zustand war uns nicht so wichtig, wir hätten für den Anfang auch einen Wohnwagen oder Ähnliches gemietet. Wichtiger war uns, dass alte Bausubstanz vorhanden und nicht verbaut war.
In welchem Zustand habt ihr euer jetziges Daheim angetroffen?
RH: Masías sind oft weitläufige Anlagen, die von mehreren Familien bewohnt und bewirtschaftet wurden. Nach einer guten Ernte wurden das Wohnhaus oder die Ställe verbessert und erweitert. Auch unser Haus besteht aus diversen Erweiterungsetappen verschiedener Epochen, die in unterschiedlichem Zustand waren, von bewohnbar bis einsturzgefährdet. 1708 ist die älteste Inschrift, die wir bisher finden konnten. Die historische Küche im Erdgeschoss mit Brot-Ofen und Feuerstelle könnte auf diese Zeit zurückgehen. Bedeutende Ergänzungen wie die Veranda mit ihren wunderschönen Rundbogenfenstern entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals kam etwas von der Eleganz und der Leichtigkeit des Jugendstils in das rustikale Steinhaus.
SK: Die Bereiche des Hauses, die unsere Vorgänger und Vorgängerinnen im Sommer noch genutzt hatten, wurden vermutlich in den 1960er-Jahren renoviert. Diese konnten wir im Prinzip direkt bewohnen, zumal das Haus über einen Strom- und einen Wasseranschluss verfügte, was bei abgelegenen Landhäusern hier eher die Ausnahme ist. Auf den Feldern wurde konventionell Getreide angepflanzt. Nun nutzen wir unsere knapp 8 Hektaren nach den Grundsätzen der regenerativen Landwirtschaft naturnah als Weiden.
Was war und ist euch wichtig an den Gebäuden?
RH: Historische Häuser haben sich seit Jahrhunderten bewährt. Wir verstehen uns deshalb eher als Verwalter auf Zeit denn als Eigentümer dieses geschichtsträchtigen Hauses und versuchen, es während unserer Zeit hier in einen möglichst guten Zustand zu bringen. Die klimatischen und «baunormativen» Rahmenbedingungen erlauben gewisse Freiheiten, die ein spannendes Experimentierfeld öffnen, wobei wir uns bei allen Massnahmen am Haus orientieren und seine Essenz unbedingt bewahren möchten. Das Haus hat grosse, kleine, tiefe und hohe Räume, manche sind düster und introvertiert, andere öffnen sich zur Landschaft und sind lichtdurchflutet. Die alten Strukturen bieten eine beeindruckende Raumvielfalt, die für heutiges Wohnen ungemein bereichernd ist und die wir in erster Linie erhalten möchten.
Welche Materialien habt ihr eingesetzt?
SK: Mit lokalen Baumaterialien und -techniken weiterzubauen, fasziniert uns. Für die Renovation der Mauern können wir Steine direkt aus den Feldern sammeln. Für den Mörtel verwenden wir Sand aus einer lokalen Sandgrube und natürlichen hydraulischen Kalk aus dem einzigen Kalkwerk Kataloniens, das sich glücklicherweise nicht weit von uns befindet. Neu verputzte Wände belassen wir mit der Textur und den warmen Grautönen, die sich aus diesen Materialien ergeben. Die Terrakottaplatten für das Dach und die Terrasse stammen aus einer Ziegelei in einem Nachbardorf, die diese nach traditioneller Prozedur herstellt. Die historischen Dachziegel haben wir wiederverwendet und aus dem Fundus der Bauarbeiter ergänzt. Grundsätzlich versuchen wir, funktionierende Bauteile weiterzuverwenden.
RH: Bauzeitliche Fenster – leider nur noch wenige –, die bunten Zementfliesen, Türblätter und Schränke, das Steinbecken aus der Küche und vieles mehr konnten wir auffrischen und flicken. In den beheizbaren Räumen haben wir die Fenstergläser mit Isoliergläsern ersetzt. Mit dem Aussenblick entdecken wir immer wieder bisher unbeachtete Schönheiten, die mit einer kleinen Umstellung, dem Wegschälen belangloser Schichten oder eine neuer Farbkombination aufgewertet werden können, ohne dass viel Zusätzliches nötig ist.
Was sind eure weiteren Pläne?
SK: Ein paar Räume im Haupthaus warten noch darauf, renoviert zu werden. Mittelfristig möchten wir die Abwasser- und Regenwassernutzung optimieren und Solarzellen installieren. In unseren Feldern möchten wir mit verschiedenen Massnahmen den Boden kontinuierlich regenerieren und mit jährlichen Baumpflanzungen zur Biodiversität beitragen.
RH: In der Ruine des Kleintierstalls soll dieses Jahr ein Garten «intramuros» entstehen, und dann wäre da noch der Traum des Ateliers in der alten Schäferunterkunft. Mit der kleinen Terrasse und einem Geheimtor zum Garten könnte hier eine weitere Gästeunterkunft entstehen. Es gibt noch viel zu tun.