Neue Aufgaben

Umnutzung

Individuell, ausdrucksstark und ganz sicher nicht 0815. Bauten wie Industrie- oder Ökonomiegebäude, die für ihre ursprünglichen Funktionen nicht mehr benötigt werden, eröffnen uns neue Möglichkeiten. Zum Glück erkennen immer mehr Architekt*innen, Investor*innen und Immobilienentwickler*innen, aber auch private Bauherrschaften das ungenutzte Potenzial, das darin steckt, und dass hier neue Arten zu wohnen möglich werden. Hinzu kommt eine zunehmende Wertschätzung der alten Bausubstanz ebenso wie ein gewachsenes Bewusstsein für Themen wie Nachhaltigkeit und graue Energie.

Das Projekt von Lengen Hajdarevic Architektur GmbH in Uitikon Waldegg zeigt, wie es sich in ehemaligen Büroräumen wohnen lässt. Dabei war die Umnutzung in diesem Fall nicht nur eine Frage des Grundrisses. Die Neuordnung der Beziehungen zum Ort spielte eine ebenso entscheidende Rolle.

Seine einstige Funktion als Bürogebäude ist dem Mehrfamilienhaus heute nicht mehr anzusehen.

In den Dachwohnungen wurde für die Böden helles Eschen-Parkett gewählt, passend zur sichtbaren Holzstruktur des Dachstuhls.

Ein Holzeinbau erschliesst das Galeriegeschoss der Dachwohnungen und schafft vielfältige Raumhöhen, Lichteinfälle und Durchblicke.

Das Haus hatte etwas von einem vorbeifahrenden Zug: Wie auf einem leicht erhöhten, mit Büschen abgetrennten Bahntrassee, schien es mit seinen gleichförmigen Lochfenstern am Dorf vorbeizublicken. Sein Leben spielte sich im lang gezogenen Mittelkorridor ab, der die Büroräume erschloss. Ohne Umwege gelangten die Nutzer*innen vom hauseigenen Parkplatz zum strassenabgewandten, unscheinbaren Hauseingang an der Stirnseite des Gebäudes. Da half auch die zonenkonforme Materialisierung mit Ziegeldach und Kunststein-Fenstereinfassungen nicht, um mit der Umgebung – eine Kernzone im Herzen von Uitikon Waldegg – in Dialog zu treten. Im Abwägen zwischen Neubau und ressourcenschonenderem Umbau zeigte sich, dass der Bestand gut in Einklang mit einer Wohnnutzung gebracht werden konnte. Die Lastabtragung der Obergeschosse konnte mit punktuellen Verstärkungen an der bestehenden Tragstruktur im Untergeschoss bewerkstelligt werden, ohne die Weiternutzung der Tiefgarage zu beeinträchtigen, was eine beträchtliche Kosteneinsparung bedeutete. Im Dach wurden die sogenannten «Hetzer», mächtige geleimte Bogen-Träger, mit einem schlankeren Holzstützen-System ausgetauscht, um die Höhe des Dachraums optimal nutzen zu können. Im gleichen Zuge wurde ein Versatz im Dach aufgehoben, sodass eine Dachfläche mit durchgehender Firsthöhe entstand, die das Volumen gegen oben einheitlich zusammenfasst. Der grüsste Eingriff in die Gebäudestruktur war das Versetzen des Treppenhauses in die Mitte des Baus. Aus dem zuvor lang gezogenen Grundriss mit Nord-Süd-Orientierung und exzentrischem Treppenhaus entstand ein effizienter Zweispänner mit grosszügigen Wohnungen und attraktiven Ausrichtungen. Der neu mittig in der strassenseitigen Längsfassade angeordnete Hauseingang verleiht dem Haus eine eigentliche Adressierung und Ansicht, die sich dem Dorf zuwendet und einen angemessenen Zugang zu den Wohnungen bildet.

Eine ganz andere Aufgabe stellte sich Modunita Architects: Eine alte Scheune in einem Dorf in Graubünden sollte neu zu Wohnraum umgenutzt werden.

Links die umgebaute Scheune in Schwarz, die zusammen mit dem neuen Flachdachbau (Mitte) eine zweigeschossige Wohneinheit bildet. Rechts ist das alte Bauernhaus zu sehen, das Elternhaus der Bauherrin.

Der grosszügige Aussenbereich ist sowohl von der Scheune als auch vom mittleren Bau aus zugänglich.

Das Holz der Dachbalken, Fichte, und der Wandverkleidungen, Lärche, ist unbehandelt.

Der Bau gehört zu einem alten Bauernhaus, das von den Umbauarbeiten allerdings nicht tangiert wurde. Die Scheune indes wurde im Inneren komplett neu organisiert und dadurch wohntauglich gemacht. Die Anbauten, die im Laufe der Jahre hinzugekommen waren, wurden im Zuge dessen alle konsequent entfernt. Darunter auch ein Anbau zwischen Scheune und Bauernhaus, wo sich früher der Stall und später eine Wohnung befanden. Die Lücke wurde mit einem neuen Flachdachbau ergänzt, der an das Bauernhaus andockt und nun zusammen mit dem Scheunenbau eine zweigeschossige Wohneinheit bildet. Im Erdgeschoss des Flachdachbaus (mittlerer Gebäudeteil) befindet sich ein Atelier mit Toilette, darüber ein Schlafzimmer mit Bad, eine Ankleide sowie eine überdachte Terrasse. Die sichtbaren Stützen und Träger aus Fichte komplettieren die Kubatur, die das partiell erhaltene Steinmauerwerk vorgibt. Der Scheunenbau selbst umfasst im Erdgeschoss den Eingangsbereich, ein Gästezimmer mit Bad, einen Keller- sowie einen Technikraum. Im Obergeschoss befindet sich ein grosszügiger Wohnbereich, der fliessend in die Küche übergeht. Darüber wurde eine niedrige Galerieebene eingezogen, von der man den grossen offenen Raum darunter wunderbar überblicken kann. Der sichtbare Dachstuhl stellt hier offen zur Schau, was alt und was neu ist.

bäuerliches Gebäude vor Bergkulisse, Titelblatt der Zeitschrift Umbauen+Renovieren

Weitere gelungene Beispiele für Umnutzungen sowie ein ausführliches Interview zum Thema finden Sie in Ausgabe 1/24 von Umbauen+Renovieren, die ab dem 15. Dezember am Kiosk erhältlich ist.