Das Projekt «Marché Patrimoine» ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, der anlässlich des internationalen Kulturerbejahres 2018 vom Bundesamt für Kultur (BAK) ausgeschrieben wurde. Das BAK zeichnete damals Projekte aus, die auf unkonventionelle Art auf den bedeutenden Einfluss des Kulturerbes auf die Entwicklung unserer Gesellschaft aufmerksam machten. Eines der Siegerprojekte war «Marché Patrimoine», zu Deutsch etwa «Markt für heimische Baukultur». Die ursprüngliche Idee war, eine Art «Tinder für bedrohte Baukultur» ins Leben zu rufen. Damit wurden per Onlineplattform nicht nur praktische neue Vermittlungsmöglichkeiten für künftige «Liebespaare» geschaffen, auch der Erhalt unbeachteter, dennoch wertvoller historischer Bausubstanz wurde attraktiv thematisiert.
Auf den üblichen Immobilienplattformen findet sich kaum eine Nische für zwar wertvolle, aber in die Jahre gekommene Bausubstanz, weil sich baukultureller Wert nicht wirklich monetarisieren lässt. Deshalb können baugeschichtlich interessante Häuser selten mit den marktbeherrschenden Renditeobjekten verglichen werden und fallen so durch die üblichen Bewertungsraster.
Die ursprüngliche Idee war, eine Art «Tinder für bedrohte Baukultur» ins Leben zu rufen.
Historische Häuser sind anders als Neubauten. Die Bedürfnisse und Moden waren zu ihrer Bauzeit andere. Diese Eigenheiten schaffen Ansprüche, denen man nur – bleiben wir bei der Wortwahl für Beziehungsgeschick – mit Liebe und Begeisterung, Hartnäckigkeit und Herzblut gerecht werden kann. Viele interessierte potenzielle Käufer solcherlei in die Jahre gekommenen Bauten hatten aber bis dato kaum einen Zugang zu möglichen Angeboten. Ähnlich erging es auch Besitzenden, die sich von ihren Bauten trennen wollten. Sie fanden keinen passenden Marktplatz für ihre Objekte, denn gängige Plattformen bedienen primär den Massenmarkt; echte Liebhaberobjekte passen da nicht hinein. Marché Patrimoine hat mit ihrer Plattform auf nationaler Ebene diese Marktlücke auf schöne Art geschlossen. Die aufgeräumt gestaltete Website bedient Interessierte genauso wie Schmökernde. In drei Landessprachen anwählbar, erkennt man den Anspruch und die Reichweite der Plattform. Die Rubrik «Ratgeber» ist ergiebig und äusserst unterhaltsam. Sie wartet mit berührenden Erfolgsgeschichten auf, aber auch mit Tipps fürs Fotografieren. Antworten auf Fragen wie «Was ist ein Baudenkmal?» oder «Wer bestimmt die historische Relevanz meines Hauses?» helfen tatsächlich weiter. Dank den hier aufgelegten Positionspapieren und Statements, die kurz und bündig den Zusammenhang von Baukultur und Landschaftsschutz, Klimapolitik und Nachhaltigkeit erklären, spürt man das Herzblut der Macher*innen dahinter.
Auch die Besitzer*innen des folgenden Objekts, sind über Marché Patrimoine auf ihr neues Zuhause aufmerksam geworden.
Die Architekten Philippe Bridel und Hugo Spirig haben ab 1961 mit der Gartensiedlung Sängglen in Pfaffhausen eine beispielhafte Siedlung gebaut, die Parallelen zu Richard Neutras Biorealismus und bei der Planung der Grundrisse auch die Inspiration Frank Lloyd Wrights erkennen lässt. Die mehrheitlich Ein- und die wenigen Mehrfamilienhäuser sind in Gruppen aus jeweils drei bis vier gemeinsam erschlossenen Gebäuden um einen Hof oder einen Wendeplatz organisiert, eingebettet in die hügelige Umgebung.
Eine einheitliche Materialisierung und Farbgebung – Flachdächer mit Kupferblechabschlüssen, Fassaden aus Sichtbeton und graugrüne Holzverschalungen sowie weisse Holzfenster mit eigenen Geometrien – stärken nach aussen den Eindruck eines kohärenten Gesamtensembles. Jedes der Häuser verfügt jedoch über einen individuell geplanten, den Bedürfnissen der Erstkäufer und dem Terrain angepassten Grundriss. So lassen sich unterschiedliche Volumen und Formen, ein- und zweigeschossige Häuser oder auch Schwimmbecken ausmachen. Nach einem langwierigen Verfahren steht die Sängglen-Siedlung seit 2021 nun unter Denkmalschutz – dieser gilt nicht nur für die Häuser, sondern auch für den Aussenraum.
In dieser Gartensiedlung hat das Team von d/a/x Atelier für Architektur ein Wohnhaus aus den 1960er-Jahren im besten Sinne des Originalkonzepts instand gesetzt und es gleichzeitig attraktiv für die Gegenwart und Zukunft gemacht. Die Architekten konnten das Haus von seiner ursprünglichen Besitzerin respektive ihren Kindern in nahezu originalem Zustand erwerben. Für das Architekt*innen-Team, das über viel Erfahrung bei der Instandsetzung, Sanierung und beim Umbauen von Objekten aus diesem Jahrzehnt verfügt, ein wahrer Glücksfall. «Eine Chance, das Haus als weitergedachtes Original bewohnbar zu machen», so Max Dell’Ava. Der Erhalt des architektonischen Erbes entsprach der eigenen Zielsetzung des Teams. «Wir wollten dieses Bild der vollen Mulde vor dem Haus nicht, und dass einfach mal alles ausgeräumt wird, um dann Neues einzufügen», erklärt der Architekt. Die Konsequenz und Behutsamkeit, mit der sie vorgingen, zeigen sich auf vielen Ebenen.