Sind es wirklich die romantische Vorstellung vom Landleben und die Suche nach Ruhe, die uns vom Wohnen in einem Stall träumen lassen? Das liesse sich doch eigentlich auch in einer konventionellen Wohnung oder in einem Einfamilienhaus ausserhalb der Stadt finden. Auch der zeitliche und der finanzielle Aufwand, die eine Umnutzung mit sich bringt, sprechen eher gegen das Wohnen in Stall und Scheune. Was also macht den Reiz aus? Vielleicht sind es die archaischen Gebäudestrukturen, die einfachen Konstruktionen und natürlichen Materialien sowie die Möglichkeiten, die das meist grosse, unverstellte Volumen eines Ökonomiegebäudes eröffnet. Der Bündner Architekt Urs Padrun, der viel Erfahrung mit Zweckänderungen landwirtschaftlicher Bauten hat, plädiert dafür, Letzteres nicht komplett zu verbauen: «Leerraum und Erkennbarkeit des ursprünglichen Volumens sind für mich wichtige bauliche Elemente. (...) Für den Umgang mit historisch gewachsenen Strukturen braucht es von allen Beteiligten Respekt vor dem Ort und dem Bestand, ein kulturelles Verständnis sowie die Bereitschaft, damit umzugehen.»
Bei diesen beiden Projekten ist der Balanceakt von Umnutzung und Erhalt gelungen.
Bei der Umnutzung eines ehemaligen Viehstalls im Kanton Aargau hat der Architekt Andreas Schneller das grösstmögliche Stallvolumen erhalten und darin ein neues Wohnhaus eingebettet. Dessen Räume hat er dabei geschickt in und um die bestehende Struktur arrangiert. Von der grossen Heubühne sollte so viel wie möglich erhalten bleiben, während die für das Gebäude so prägenden Elemente – die Dachstruktur sowie der Steinsockel – möglichst wenig verändert werden sollten. Von aussen ist das neue, in das nördliche Kopfende des Stalls eingesetzte Volumen bis auf die Fensteröffnungen nicht sichtbar. Auch im Innern dominiert nach wie vor der Stall mit Heubühne die Szenerie – direkt unter dem hohen Dach bietet er als Kaltraum für die Familie nun viel Spiel-, Sport- und Aufenthaltsfläche. Ein hofseitiger Einschnitt in die Dachhaut erweitert den Raum zudem mit einem Aussensitzplatz. Die Komplexität des Baukörpers wie auch der Umgebung – mit all den unterschiedlichen Ausblicken – macht die Wahl zu einem konsequent ruhig und einheitlich gehaltenen Ausbau plausibel. Mit Wand- und Möbelflächen aus Fichtenholz, Böden aus Fichten- und ähnlich ruhig strukturiertem Eschenholz in allen Räumen und über sämtliche Geschosse hinweg wirkt das Volumen in sich und innerhalb des Stalls stimmig, integriert und zugleich eigenständig.
Das zweite Objekt steht im Bündnerland, im Dorfkern von Fläsch. Seit der Bauzeit besteht der Stall aus zwei Teilen, die unterschiedlichen Eigentümerschaften gehören. Als nun die linke Stallhälfte an die nächste Generation überging, kam der Wunsch der Umnutzung zu Wohnraum auf. Mit Atelier-f hatte die Bauherrschaft für das Projekt ein im Dorf verankertes Architekturbüro an der Seite, das einerseits Erfahrung mit dieser spezifischen Bauaufgabe hat und andererseits mit den baulichen Strukturen von Fläsch vertraut ist. Für die verhältnismässig kleine Stallhälfte war es deshalb ideal, dass darin ein Zweipersonenhaushalt entstehen sollte. Ausgehend von einer sorgfältigen Analyse, gelang es den Architekten, die grossteiligen Grundstrukturen zu erhalten, sodass die unterschiedlichen Nutzungsbereiche des alten Stalls weiterhin ablesbar sind. Der Einbau im Inneren erfolgte mit von dem Aussenhaus und dem rechten Stallteil losgelöstem Einsteinmauerwerk. Sichtbeton, die alten Natursteinmauern und hell gestrichene Wände harmonieren mit der vorgegebenen materiellen Bodenständigkeit des Stalls. An den Fassaden wurde so wenig wie nötig repariert und nur ersetzt, was wirklich kaputt war. Kleine Schadstellen an den Holzbrettern oder in den alten Steinmauern nahm man hingegen bewusst in Kauf. Dank dieser pragmatischen Herangehensweise gelang es, die Aussenwirkung des umgenutzten Stalls nur minimal zu verändern, sodass die zwei Stallhälften weiterhin als Einheit wirken.