Wie bei so vielem handelt es sich auch hierbei um eine Frage der Perspektive: Wann ist ein Haus alt? Und hat das Alter eines Gebäudes mit seinem architektonischen Wert zu tun? Oder verwechseln wir hier den architektonischen Wert mit unserem persönlichen Geschmack? «Junge Umbauten» polarisieren. Gemeint sind damit in diesem Fall Häuser, die in den letzten Jahrzehnten gebaut worden sind und nun nach und nach – meist aufgrund von neuen Besitzverhältnissen – umgebaut werden. In Gesprächen, die ich in unserem Redaktionsteam über das Thema geführt habe, hat sich gezeigt, dass die Wahrnehmung der Häuser stark vom Alter der Personen abhängig ist. Diejenigen, die ihre Jugend in den 1980er- und 1990er-Jahren verbracht haben, hatten grössere Vorbehalte als etwa jüngere Menschen, denen die Architektur dieser Jahrzehnte ganz im Gegenteil oft gut gefällt. Doch ganz egal, ob der Stil der Zeit gefällt oder nicht, auch jüngere Häuser stellen Architekt*innen vor interessante Umbau-Aufgaben. Wie diese zwei Projekte, ein Atelieranbau und ein Reihenmittelhaus, die auch mich – das gebe ich gerne zu – mit der Architektur aus meiner Jugendzeit versöhnt haben und die die Stärken der Häuser betonen.
Mentha Walther Architekten
Aufgrund veränderter Platz- und Nutzungsbedürfnisse der Eigentümerschaft wollte diese den Atelieranbau von 1989 als Wohnhaus zur Vermietung freigeben. Um dies zu ermöglichen, mussten neben einer Umnutzung von Arbeits- zu Wohnraum auch die miteinander verbundenen Bauten in zwei unabhängige Haushälften aufgeteilt werden. «Die Erschliessung war wohl der herausforderndste Aspekt der Bauaufgabe», so Jeanine Walter von Mentha Walther Architekten, die für den Umbau verantwortlich zeichneten. Das Schaffen von privaten Rückzugsorten, ohne den Loftcharakter des ursprünglichen Baus zu opfern, gehört vielleicht zu den weniger offensichtlichen Errungenschaften dieser gelungenen Umnutzung von Arbeitsatelier in Wohnraum. Die Kompetenz im Umgang mit identitätsstiftenden Eigenschaften der Ursprungsarchitektur und neuen Elementen gilt mittlerweile als selbstverständlich für Arbeit Mentha Walthers.
Niko Wolfromm
Das Reihenmittelhaus aus den 1990er-Jahren ist vom Architekten Niko Wolfromm für sich und seine Familie umgebaut worden. Dabei setzte er auf eine schlichte Materialisierung und reduzierte den Eingriff auf das Wesentliche. «Die Grundidee für den Umbau war, das Offene des Siedlungskonzepts im Innern fortzusetzen», erzählt der Architekt. «Wir haben deshalb ziemlich radikal ausgehöhlt, wo unserer Meinung nach eine Verbauung der Struktur bestand.» Das Erdgeschoss wurde so beinahe auf den Rohbau zurückgebaut, die Kleinteiligkeit des Eingangsbereichs und der Küche aufgehoben, die Treppe entfernt. Neu entstand ein durchgehender Raum, der einen Durchblick vom Gemeinschafts-«Campo» auf der einen Seite bis in den Garten auf der anderen Seite erlaubt. Der Umbau brachte die ursprüngliche Tragstruktur wieder zum Vorschein, die teils weiss gestrichenen Betonträger wurden abgelaugt und roh belassen. Neue Elemente sind schlicht gehalten und heben sich erst auf den zweiten Blick durch ihre Feinheit vom Bestand ab