Wachstumsschübe

Anbau

«Neubauten und Anbauten sind deutlich stärker mit kollektiven Bedürfnissen konfrontiert als Umbauten, denn die Veränderung unseres Umfelds geht alle etwas an», sagt die Architektin Bea Maria Roth und macht damit deutlich, dass neben den persönlichen Wünschen zwingend auch auf den architektonischen Kontext, die natürliche Umgebung und auf die Nachbarschaft Rücksicht genommen werden sollte. Wenn man diese und weitere Kriterien im Auge behält, können Anbauten nicht nur räumlich, sondern auch architektonisch und gesellschaftlich ein Gewinn sein, wie diese zwei Beispiele zeigen. Nijo architekten erfüllen mit dem Anbau einer Wohnhalle an eine Doppelhaushälfte aus den 1940er-Jahren den Wunsch der Bauherrschaft nach luftigen, kommunikativen Wohnräumen, die sich zum Garten hin öffnen. Zugleich antworten sie damit auf den Umbau der anderen Haushälfte, der zu einem Ungleichgewicht innerhalb des Baukörpers geführt hatte. Entstanden ist ein neues sinnvolles Ganzes, das die Aufhebung der ehemals symmetrischen Halbierung zugunsten einer dreiteiligen Abfolge bedeutete. Vor eine andere Aufgabe sahen sich Jaeger Koechlin Architekten gestellt. Die Bauherrschaft, die das Haus aus den 1920er-Jahren in einem Berner Villenquartier in dritter Generation übernommen hatte, wünschte dies in zwei separate Wohneinheiten aufzuteilen, was eine Vergrösserung der Wohnfläche unumgänglich machte. Um den Charakter des Hauses zu bewahren, entschied man sich für einen verhältnismässig schmalen Anbau. Der blaugrau gestrichene Gebäudeflügel, der sich tief in den Garten hineinschiebt, respektiert die Volumetrie des Altbaus und tritt mit diesem in einen spannenden Dialog.

Nicht nur farblich nimmt der Anbau von Jaeger Koechlin Architekten Bezug auf den Altbau – auch im Innern finden sich vielerlei motivische und inhaltliche Anspielungen.

Die eingebaute Küche bildet das verbindende Element zum Anbau, der sich um eine Treppenstufe in der Höhe abhebt.

Der graublaue Holzbau schliesst präzise an den Bestand an und lässt dessen Volumetrie spürbar.

An der Ostseite des Doppelhauses, das von nijo architekten um- und angebaut worden ist, blieben noch 3 Meter Platz bis zum Grenzabstand; der hölzerne Anbau nutzt diese nun vollständig aus.

Das mittlere Holztragwerk bestimmt den Charakter der Wohnhalle. Es steht exakt auf der ehemaligen Keller-Aussenwand, sodass hier kein neues Fundament für die Lastabtragung erstellt werden musste. Die Küchenzeile ist zur Wohnhalle mit einer Täferung eingefasst, die mit schwarzer Ölfarbe gestrichen ist.

Der Wandbogen bildet die Nische für das schwarze Küchenregal. Diesem gegenüber steht die Arbeitszeile mit einem Korpus aus Eschenholz und einer Betonabdeckung, die vor Ort gegossen wurde.

Das Modell verdeutlicht, wie sich der Anbau in den Altbau schiebt und sich mit diesem harmonisch verbindet. Auch die statische und atmosphärische Bedeutung des mittleren Holztragwerks kommt hier deutlich zum Ausdruck.

Mehr Informationen zum Thema Anbau und zu den hier gezeigten Umbauten finden Sie in der Ausgabe 4/19 der Zeitschrift Umbauen+Renovieren.