
Die Belegungsdichte wurde mit dem Umbau reduziert, um mehr Raum für persönlichen Rückzug zu erlauben.
Eigentlich ging es uns darum zu zeigen, dass man Ästhetik und Pragmatismus auf schöne Art verbinden kann», fasst Daniela Aeberli von Aeberli Architekten den Leitgedanken ihres Entwurfs zusammen. Eine soziale Einrichtung sollte in ihren Augen keine sterile Atmosphäre haben, im Gegenteil. Für die Ärmsten unserer Gesellschaft schaffte sie mit der Teilinstandsetzung der Notschlafstelle Rosengartenstrasse einen Ort, der menschen- und liebenswürdig ist, mit den Mitteln, die einer Architektin zur Verfügung stehen: der Materialisierung und der Farbe. Das fällt schon beim Empfang auf, wo die Wärme der Tannenholzvertäferung davon ablenkt, dass ein Sicherheitsglas zwischen den Klientinnen und Klienten und den Sozialarbeitenden hinter der Theke die Welt draussen vor der Ruhe und Sicherheit im Innern der Institution trennt.
Ein zweistufiges Schliesssystem sorgt dafür, dass ungebetene Gäste oder solche, die gewaltbereit sind, keinen Einlass erhalten. Die Erneuerung dieses Sicherheitskonzepts und die Rochade des Empfangs vom ersten Obergeschoss ins Erdgeschoss stand zu Be- ginn des Planerwahlverfahrens, zu dem die Stadt Zürich 2019 eingeladen hatte. Und Aeberli Architekten hatten darin weit mehr angeboten als das geforderte Minimum, «weil es für die Enttabuisierung des Themas Ob- dachlosigkeit und Suchtkrankheit ein offenes und schönes Haus benötigt», sagt Daniela Aeberli zu der in ihren Augen sinnstiftenden Arbeit an der Notschlafstelle. Als Architek- tin baut sie für den Menschen – und am liebs- ten im Bestand.

Die Rundungen der Fassade zeichnen sich im Innern am neu gestalteten Empfang ab: in Form der mit Tannenholzleisten verkleideten Wände und der Sitzbank.

Die Aufenthaltsräume sind freundlich-hell und funktional-schlicht gestaltet.
Die Liegenschaft an der heute stark befahrenen Rosengartenstrasse wurde im Jahr 1927 als Wohn- und Geschäftshaus mit Ladenlokal erbaut. Seit 2002 – nach der Räumung des Lettenareals und dem Ende der offenen Drogenszene – wird das Gebäude von der Stadt Zürich als Notschlafstelle genutzt. Die Instandsetzung verlängert die Nutzungsdauer um mindestens weitere 15 Jahre. Mit einem zurückhaltenden und respektvollen Eingriff in die Bausubstanz und ohne allzu grossen strukturellen Eingriffen in die Raum- einteilung, könnte ein späterer Rückbau zum Wohnhaus wieder erfolgen.
Der Empfang im ehemaligen Ladenlokal ist durch eine mobile Rampe wie bisher hindernisfrei zugänglich, ein Vordach bietet den Wartenden Schutz. Empfangsbüro mit Verbindung zum Wäschelager, Besuchertoilette, ein Erste-Hilfe-Zimmer und das Teamzimmer für die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, mit Schlafmöglichkeit für Piketteinsätze sind um den zentralen Warteraum mit langer Sitzbank angeordnet. Das Thema der Sitz- bank aus Tannenholz findet sich im gesamten Haus wieder und sorgt für Wohnlichkeit. In den Nasszellen, die als Einzelbäder der Privatsphäre für die intime Körperhygiene Rechnung tragen, kommt das Tannenholz als Ablage für die Kleidung zum Einsatz, wo es die olivgrünen einfachen Steingutfliesen kontrastiert und vor den massiven Sicherheitswaschbecken aus Chromstahl nicht zurückschreckt.

Pflegeleicht, robust und gleichzeitig ansprechend: Die Badezimmer mit Keramikfliesen und PU-Fliessbelag.
Die Elemente, die von den Besucherin- nen und Besuchern angefasst werden, sollten wertig sein, und «nur weil die Oberflächen abwaschbar sein müssen, haben sie nicht aus weissem Kunststoff zu bestehen», sagt die Architektin zu ihrem Materialkonzept. Die Farbwelten sind im ganzen Haus warm und erdig und machen auch nicht vor den Verdunklungsvorhängen halt, die in der Wandfarbe der Schlafräume gehalten sind. Ästhetisch ein grosser Mehrwert, ökonomisch kein Mehraufwand. Die Böden bestehen aus Linoleum in den Schlaf-, Aufenthalts- und Büro- räumen und einem PU-Fliessbelag in den Badezimmern. Das Mobiliar wie die Tische und Stühle und die abschliessbaren Kästchen in den Zimmern wurde von einer sozialen Inte- grationswerkstätte neu gefertigt, während die Hochbetten – Standardmobiliar der Stadt für Polizeikasernen – farblich an die Zimmermöblierung angepasst wurden.
Man sieht: das ganzheitliche, wohnliche Konzept zieht sich durch das gesamte Haus, denn Daniela Aeberli ist fest davon überzeugt, dass der Raum, die Umgebung, in der wir uns aufhalten, etwas mit uns als Men- schen macht; ob wir nur eine Nacht ein Bett suchen, am Rande der Gesellschaft stehen – oder mitten drin.