Verbundenheit mit der Region

Porträt Architekturbüro sumcrap

Umbau «Pardanal»: Modell von zwei der 20 neuen Studios.

Die raumbildenden Einbauten für Garderobe, Bad und Küche bestehen aus Argolite-Vollkernplatten.

Die industrielle Ästhetik des bestehenden Gebäudes wird mit der Materialwahl weitergeführt. Oberlichter und Glasbausteine erzeugen unterschiedliche Lichtstimmungen.

In die leer stehende erste Etage über der Buswerkstatt in Laax wurden 20 Personalstudios für Saisonarbeiter:innen eingebaut.

Das Atelier sumcrap. liegt wenige Schritte vom Bahnhof Ilanz entfernt. Die Kirchturmspitze dient als Wegweiser. Ein schmaler Fussweg entlang der Kirchgartenmauer und ein gebogenes Betonvordach (von Rudolf Olgiati) reichen als Anhaltspunkte, um Gino De Giorgi und Romano Candinas zu finden.

Die Zugfahrt durch die Rheinschlucht nach Ilanz ist eindrücklich und hilfreich, um die Motivation der beiden Architekten zu verstehen. Sie möchten die lokale Kultur bewahren. Daher der rätoromanische Name sumcrap., der übersetzt «über dem Stein/Fels» bedeutet.

Eine Flurbezeichnung der Region, die vor allem den älteren Menschen geläufig ist. «Der Name impliziert unsere Denkart», erklärt Gino, der wie Romano das Regionale, die Berglandschaft und die traditionelle Handwerkskunst wertschätzt. Es ist ihnen wichtig, dieses Erbe zu bewahren und es zugleich auf ehrliche und respektvolle Weise für eine zeitgemässe Architektur anzuwenden.

Zwei junge Männer an einem Tisch in einem Büro, Architekturmodelle auf Tisch

Gino De Giorgi (rechts) und Romano Candinas sind sumcrap.

Obwohl ihr erstes gemeinsames Projekt «Pardanal» in wenigen Monaten entwickelt und realisiert werden musste, konnten sie die Architektur nach ihren Werten beeinflussen.

In der leer stehenden ersten Etage eines Industriebaus sollten 20 Personalstudios für Saisonarbeiter:innen realisiert werden. sumcrap. wählten Kalksandstein, Glasbaustein, Argolite-Vollkernplatten und einen Anhydrit-Gussboden, um die industrielle Identität weiterzuführen. «Damit die Bewohner:innen auch im Inneren ein authentisches Raumgefühl erleben», erklärt Romano.

Wie sehr sich die beiden Architekten in die künftigen Nutzer:innen hineinversetzen, wird an der Gestaltung des Korridors deutlich, über den die 20 Studios erschlossen werden. Anstatt einfach einen dunklen schmalen Gang zu planen, haben sumcrap. einen Raum für zwischenmenschliche Begegnungen geschaffen. Neben der räumlich grosszügigen Gestaltung setzten sie sich für drei Oberlichter und ein grosses Fenster am Ende des Gangs ein.

Durch Tageslicht bekommt der Gang eine Beziehung zur Aussenwelt. Die Glasbausteine zwischen den Studios und dem Gang tragen ebenfalls zu einer belebenden Atmosphäre bei. «Ein Raum, in dem Beziehungen und Geschichten entstehen können und Erinnerungen gespeichert werden», fasst Gino zusammen. Ansonsten bevorzugen sumcrap. natürliche Baumaterialien wie Stein und Holz aus der Region. Sie schätzen die Zusammenarbeit mit lokalen Handwerker:innen und setzen sich für die Renaissance vergessener Techniken wie Calicot, Stramin und Rupfen ein – Techniken und zugleich Gewebearten, die traditionell von Malern für Stofftapeten verwendet wurden.

 

Ein altes Stallgebäude in den Bergen mit viel Holz

Umbau «Il Clavau»: Der bereits zu Wohnzwecken umgenutzte ehemalige Stall wird durch den respektvollen Umbau von sumcrap. zu einem gemütlichen Holz-Kokon, .... 

Innenraum eines umgebauten Stalls mit einer grauen Küchenzeile und einem kleinen Esstisch mit Stühlen

... der durch die Verbindung von Tradition und Gegenwart eine authentische und lebendige Atmosphäre erhält.

Im Gespräch über ihren Stall-Ausbau «Il Clavau» wird deutlich, dass sich die Architekten auch mit komplexen Fragestellungen der Region beschäftigen. «Dürfen wir Menschen ehemalige Ställe überhaupt bewohnen?», stellt Gino die Frage in den Raum. Und weiter: «Wer darf in solchen Räumen leben und unter welchen Bedingungen? Sind sie für Ferienwohnungen geeignet und welche Auswirkungen hätte dies?»

Solche Überlegungen sind Bestandteil ihrer Arbeit und spiegeln ihr Engagement für eine nachhaltige Architektur in der Region wider. Da der Stall «Il Clavau» bereits seit den 90er-Jahren zu Wohnzwecken genutzt wird, konnten sich die Architekten auf ihren Auftrag konzentrieren, die Räumlichkeit neu zu konzipieren und eine wohnliche Atmosphäre zu schaffen. Mit viel einheimischem Holz, einem Specksteinofen, den richtigen Farben und dem behutsamen Setzen neuer Öffnungen für Licht und Ausblick ist ihnen das gelungen.

www.sumcrap.ch

Magazincover

Diesen und weitere Beiträge rund um das Thema Umbau finden Sie in der Ausgabe 4/24 der Zeitschrift Umbauen+Renovieren.