Was passiert mit der ausrangierten Mikrowelle und dem veralteten Backofen, der beim Küchenumbau einem neuen Modell weichen muss? Sie werden in die Elektrosammlung gebracht, worauf sie als Elektroschrott auf der Müllhalde landen. Erstaunlicherweise werden die Bauteile elektronischer Produkte, die ihre Lebensdauer erreicht haben, kaum recycelt. Dabei verfügt gerade Glas, das auch bei Elektroprodukten etwa in Form von Türen und Screens eingesetzt wird, über Materialeigenschaften, die sich hervorragend für das Recycling eignen. Dennoch gibt es derzeit keine EU-Richtlinien für eine effektive Aufbereitung von Glas aus Elektronikschrott.
Weshalb das eine verpasste Chance ist? Hauptbestandteil von Glas ist Sand. Und dieser wiederum ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung von Silizium-Mikrochips, Glasfaserkabeln, Isolierungen und Solarzellen; eine Ressource also, die für das Weiterbestehen unserer technologiegesteuerten Gesellschaft unerlässlich ist. Allerdings ist diese Ressource endlich – es gibt sie eben nicht wie Sand am Meer ...
Mit dieser Problematik hat sich das belgische Designbüro Studio Plastique auseinandergesetzt und eine Reihe von Materialuntersuchungen und Forschungen zu Glasrecycling bei Elektroschrott durchgeführt. Gemeinsam mit dem norwegischen Architektur- und Designbüro Snøhetta wurden neue Anwendungsmöglichkeiten für wiederverwertetes Glas aus Elektroprodukten untersucht und ein Verfahren entwickelt, das die Glaskomponenten kreislauffähig macht. Das Projekt «Common Sands – Forite» wurde geboren. Mit dem Einbezug des italienischen Keramikfliesenherstellers Fornace Brioni und dessen Erfahrung und industriellem Know-how konnte schliesslich eine Reihe von völlig neuartigen architektonischen Glasfliesen entwickelt werden: eine Fliesenkollektion aus E-Müll-Glas.
Glasfliesen aus Mikrowellen
Die halb transparenten Fliesen widerspiegeln die Eigenschaften und das Potenzial der Zusammensetzung, Farbe und Struktur, die dem Abfallmaterial innewohnen: Die wolkig-gefleckten Einschmelzungen in unterschiedlichen Farbtönen erinnern wage an Terrazzoböden, näher betrachtet lassen sie sich auch mit getrockneten Blütenblättern vergleichen. Der Anteil transparenten Glases verleiht den Fliesen eine einzigartige Tiefe und Plastizität. Erhältlich sind die Glasfliesen in zwei unterschiedlichen Grössen, neben ihrer Funktion als klassisches Oberflächenmaterial eignen sie sich für eine Vielzahl architektonischer Anwendungen, etwa als halb transparente Trennelemente. Zurzeit bestehen die Fliesen vollständig aus Glasteilen entsorgter Mikrowellen und Backöfen. Zukünftig wird das Projekt aber nicht nur auf diesen alleinigen Materialstrom beschränkt bleiben.