Electrolux lud zur Reise in die Heimat ein und ich bin mitgefahren. Warum die Herkunft genauso wichtig ist wie eine Produktneuheit und wie diese Reise zum Beginn einer wunderbaren Designer-Freundschaft wurde, steht hier (versuchsweise) geschrieben.
Wir starten am Flughafen Kopenhagen, verlassen im Regen die Stadt und überqueren den Öresund Richtung Schweden. Ziel ist die Region Småland, das schwedische Unternehmen Electrolux hat eingeladen, seine Heimat kennenzulernen. Aurel Aebi von Atelier Oï begleitet unser kleines Schweizer Grüppchen, er schickt als Erster ein Foto in die Whats-App-Gruppe: das Meer und wie sich die Lichtstrahlen auf der Oberfläche brechen. Das passt ganz gut zu Aurel, denn schon am Tag zuvor in Kopenhagen ist er plötzlich abgedriftet, hat geschmiedete Schmuckelemente an Fassaden begutachtet und hölzerne Türen fotografiert. Er ist Strukturalist und Materialist, Storytexture nennen Atelier Oï ihre Herangehensweise und im Moitel in La Neuveville haben die drei Designer eine riesige Materialbibliothek angelegt. Aber zurück auf die Brücke, die wir bald schon wieder verlassen und via Malmö Småland ansteuern.

Über den Öresund: Von Kopenhagen nach Malmö und weiter nach Småland.

Immer tiefer fahren wir ins Grün und Blau und herbstliche Gelb der Wälder Smålands.
Die südschwedische Provinz Småland ist eine Art Paralleluniversum, in dem sich auf fast schon schmerzhaft schöne Weise ein Naturidyll manifestiert, das jeden hartgesottenen und überzeugten Cityslicker einknicken lässt. Und ja, es ist etwas anderes, ob man die spiegelglatten, kristallklaren kleinen und grossen Seen, umgeben von Nadelwäldern und Laubbäumen, auf dem Bildschirm sieht (egal wie gross dieser ist) oder man mittendrin steht und dieses Idyll kaum begreifen kann, obwohl doch die Hand nach jeder Seite hin in frisches Laub greifen und in frostig-frisches Wasser tauchen kann.

Mann winkend vor Herrenhaus, oder: Designer Aurel Aebi freut sich auf den Besuch von Asa Herrgård.

Im Garten vor Asa Herrgård vertreiben wir uns die Zeit, bis es in den Wald geht.
Der Bus hält beim Herrenhaus Asa Herrgård und wir brechen zu einem Spaziergang durch den Wald auf. Auf dem weichen, moosigen Boden, zwischen Preiselbeersträuchern und Farnen, spriessen allerlei Pilze, deren Namen ich schon wieder vergessen habe. Mein Ehrgeiz wird geweckt, ich starre regelrecht zu Boden und freue mich wie ein kleines Kind, immer wieder neue Pilzkolonien zu entdecken. Und so laufe ich weiter vorwärts, sehe die Gruppe nur noch aus den Augenwinkeln, bis hinter einer Lichtung plötzlich, wie aus dem Nichts, eine herbstlich dekorierte Festtafel auftaucht – und dahinter ein Herd…
Zugegeben, etwas absurd erscheint das Ganze auf den ersten Blick. Der Herd stammt aus der «SaphirMatt»-Linie von Electrolux und in der verzauberten Atmosphäre, in der wir uns bewegen, würde ich auch glauben, dass fleissige Trolle den Herd hierhergebracht hätten, doch die gibt es ja in Wahrheit nicht, vermutlich war das einfach nur ein Traktor. Aber teufelnocheins, dieses Ding passt so gut in die Umgebung, als ob es hier aus dem Boden gewachsen wäre. «Die Liebe zum Design liegt uns Skandinaviern eben im Blut», wird Electrolux Chefdesigner Thomas Gardner mit einem Augenzwinkern im Interview sagen, aber dazu später mehr. Nach einer herzhaften Erfrischung mit Preiselbeertee und Pilzragout laufen wir in der Dämmerung mit gläsernen Laternen zurück zum Bus, der uns weiter in die Stadt Växjö bringt.
Beim Abendessen sitze ich zwischen Thomas Gardner und Aurel Aebi. Die beiden kennen sich noch nicht persönlich, aber die Chemie stimmt sofort. Sie wirken wie zwei unbedarfte Jungs aus einem Kinderbuch von Astrid Lindgren. Ein Tüftler-Duo, das ungewöhnliche Entdeckungen macht und eine unbändige Freude daran hat, wenn etwas nicht gleich funktioniert, einfach weil das bedeutet, dass das Forschen und Entdecken dann noch nicht vorbei ist…

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Electrolux Chefdesigner Thomas Gardner (l.) und Designer Aurel Aebi von Atelier Oï teilen die Leidenschaft fürs Tüfteln und Entdecken.
Ihr habt euch vorher nicht gekannt, habt ihr schon Ähnlichkeiten festgestellt, z.B. in eurer Arbeits- oder Denkweise?
Thomas: Als wir uns vor nicht einmal 24 Stunden getroffen haben, haben Aurel und ich festgestellt, dass wir uns beide sehr stark und mit sehr viel Leidenschaft in eine Sache vertiefen können. Wir wollten eigentlich nur über Glas und seine Eigenschaften sprechen, aber dann hat Aurel mir ganz detaillierte Fragen gestellt, zum Beispiel nach der mikroskopischen Form der Höhen und Tiefen unseres «SaphirMatt»-Glases. Auch wenn er in einem coolen Designstudio arbeitet und ich in der Designabteilung eines Konzerns, haben wir doch die gleiche Leidenschaft für eine Sache.
Aurel: Es ist wirklich interessant, denn je tiefer man abtaucht, desto spannender wird das Material. Glas ist so vielseitig, man bedenke allein schon seine unterschiedlichen Aggregatzustände von flüssig bis fest. Wenn wir uns bei Atelier Oï auf ein Projekt vorbereiten, sprechen wir immer auch über die Materialität. Man schaut zwar wie von aussen auf eine Sache, hat aber dennoch eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Material, arbeitet wirklich mit diesem.
Thomas: Ich glaube, viele Menschen, die nicht mit industriell gefertigten Produkten arbeiten, denken einfach, dass diese aus dem Nichts entstehen. Aber bleiben wir mal beim Beispiel Glas, dann ist das echtes, organisches Material.
Das Material kann ja sowohl die Form als auch die Funktion eines Gerätes beeinflussen. Was von beidem ist nun wichtiger?
Thomas: Wir gehen nach dem Prinzip «Form folgt Funktion» vor. Im Grunde muss beides immer in einem guten Verhältnis stehen, dank unserem skandinavischen Designerbe fällt uns das zum Glück leicht. (schmunzelt) Trotzdem ist es natürlich immer auch wichtig, wie ein Gerät aussieht. Man muss bedenken, dass beispielsweise ein Backofen nicht einfach in einem gesichtslosen weissen Raum steht, da ist immer auch ein «Drumherum». Das Gerät muss in diese Maschinerie namens Küche passen und wir müssen Designs entwerfen, die sowohl auffallen als auch den Rest des Raumes ergänzen.
Aurel: Auch hier kommen wieder die Eigenschaften eines Materials zum Tragen. Glas reflektiert, spiegelt, hat diesen Chamäleon-Effekt und nimmt die Farben der Umgebung auf. Ausserdem darf man nicht vergessen, dass ein Gerät auch benutzt wird. Wir haben es im Wald gesehen (Anm.d.Red.: Aurel Aebi bezieht sich auf die Präsentation des «SaphirMatt»-Kochherds beim gestrigen Waldspaziergang): Da ist diese horizontale Fläche und darunter verbirgt sich eine ganze Technikwelt. Und wenn man diese Fläche nutzt, muss sie intakt bleiben. Es gibt nur eine Schicht zwischen diesem hochkomplexen technischen Universum und einem Spüllappen. (lacht)
Ihr beide seid ganz offensichtlich grosse Fans von Glas. Gibt es denn noch ein anderes Material, mit dem ihr gerne mal arbeiten würdet?
Thomas: Hm, gut Frage. (überlegt)
Aurel: In der Bambusindustrie gibt es einige neue Materialien, bei denen mit Naturfasern gearbeitet wird, das finde ich spannend. Bei Atelier Oï arbeiten wir derzeit für ein Unternehmen, das Platten aus Pilzgewächsen für akustische Lösungen in grossen Räumen verwendet. Ich finde es interessant, wenn die Natur Stoffe liefert, die in Kombination mit Wissenschaft und Forschung zu neuen Materialien und Möglichkeiten der Verarbeitung führen. Aber für Küchengeräte ist es natürlich schwierig, neue Materialien zu finden.
Das vollständige Interview gibts im Frühjahr 2026 im Magazin «Das Ideale Heim».
Für den nächsten Morgen ist ein Lauf um den nahegelegenen See geplant. Ich nehme mir das wirklich ganz fest vor, denn an dieser Bilderbuchlandschaft kann ich mich einfach nicht sattsehen. Weil ich in der Nacht jedoch davon träume, mit Ronja Räubertochter am Lagerfeuer Preiselbeerschnaps zu trinken (!), während Karlsson vom Dach über uns seine Kreise zieht (!!), kann ich bestens vor mir selbst rechtfertigen, warum ich das weitaus profanere Naturerlebnis des frühen Morgens übersprungen habe und stattdessen eine Stunde länger schlafe (und träume). Auf dem Weg zurück nach Kopenhagen ein letzter Stopp im Wald – Pilze sammeln mit Stuart und Charlotte – dann ein kleiner Lunch auf dem Bauernhof Annerstad. Aurel branded seinen Holzbecher am Lagerfeuer mit dem Electrolux-Logo, ich nutze die Zeit, um auf einer gemütlichen Holzbank sitzend meine Gedanken zu ordnen. In wenigen Stunden bin ich zurück in der Schweiz, einem Land, das genau wie Småland sehr viel Natur, Kultur und Tradition zu bieten hat. Warum fällt mir der Abschied dann so schwer?

E wie Electrolux: Designer Aurel Aebi drückt seinem Souvenir (ein landestypischer Holzbecher) einen Stempel auf. Wenn es zischt und dampft und das Material seine Eigenschaften ausspielt, ist der Designer in seinem Element.

Der Bauernhof Annerstad ist Idylle pur: Im Laden gibt es ausgewählte Esswaren und Handwerkskunst zu kaufen.
Da bemerke ich plötzlich, wie etwas auf meine Schuhspitze klopft. Tapp-Tapp, Tapp-Tapp. Als ich nach unten blicke, sehe ich in der weichen Erde Fussabdrücke, etwa so gross wie mein kleiner Fingernagel. Im Gebüsch hinter mir raschelt es, ein Blatt, das aussieht, wie ein klitzekleines Hütchen liegt auf dem Boden vor dem Dickicht der Äste und ganz leise höre ich noch ein kindliches Kichern…

