Übernachten im lokalen Naturparadies

mySaess

Das mySaess ist der perfekte Zufluchtsort, um inmitten der Natur zu entspannen und neue Energie zu tanken. Es steht mal hier und mal da, immer in schönen, ländlichen Regionen in der Schweiz. Nachdem der Prototyp grossen Anklang gefunden hat, läuft zurzeit eine Crowd-Funding-Kampagne, um weitere mySaess zu bauen. Gründer und Produktdesigner Jérôme Rütsche stellt im Interview das innovative Konzept vor.

Das mySaess steht mal hier und mal da – hier zum Beispiel in Ottenleuenbad.

Naturnah: Im mySaess geniesst man einzigartig schöne Ausblicke.

In Deinen Worten, was ist mySaess?
Jérôme Rütsche
: Das mySaess ist ein mobiles Hotelzimmer, das als Vehikel dient, unterschiedliche Räume in der Natur zu erfahren und das regionale Angebot zugänglich zu machen.

Wie ist Dir die Idee für mySaess gekommen?
JR:
Ich war schon immer viel draussen unterwegs und übernachtete auch gerne mal im Zelt an einem schönen Waldrand. Mit kleinen Kindern wurden solche Wanderungen dann etwas schwieriger. Aber trotzdem wollte ich mit der Familie da übernachten, wo wir auch den Tag verbringen – auf der Wiese, den Feldern, den Pfaden – ohne abends zurück ins Dorf fahren zu müssen. Auf der Suche nach passenden Unterkünften wurde ich leider nicht fündig. Also fing ich einfach an, selber darüber nachzudenken, wie man so etwas realisieren könnte. Und so entstand das mySaess: eine kleine, mobile Unterkunft, die mehr oder weniger autark ist, sodass sie ohne Zuleitung von Strom und Wasser funktioniert.

Wieso der Name mySaess?
JR:
Gerade aufgrund von Diskussionen rund um die Zweitwohnungsinitiative und der Problematik der Zersiedelung in der Schweiz wurde uns der doch breit angesiedelte Wunsch der Schweizer Bevölkerung nach einem Häuschen auf dem Land, einem eigenen Rückzugsort, bewusst. So kamen wir auf das Maiensäss, und mySaess ist dann eben die geteilte Variante davon.

Kleine Wohnküche komplett aus Holz mit einem Tisch mit Blumenstrauss und einem braun gepolsterten Sofa links.

Das mySaess wird von einer Berner Schreinerei, der Holzstatt, aus regionalem Holz gefertigt.

Kleines Holzhaus mit Doppelbett unten und einem weiteren Doppelbett oben auf einem Loft

Unten sowie oben auf dem Loft gibt es zwei Schlafplätze, sodass insgesamt vier Leute in der 10 Quadratmeter grossen Unterkunft übernachten können.

Wo und aus welchen Materialien wir das mySaess gebaut?
JR:
Das mySaess wird von einer jungen Berner Schreinerei und Zimmerei, der Holzstatt, gebaut. Isoliert ist es mit natürlichen Materialien, zurzeit noch mit Wolle, aber eventuell werden wir in Zukunft auf Hanf oder Holz umstellen. Für die Haustechnik setzen wir in Zukunft komplett auf Strom. Dafür ist das mySaess mit einer Solaranlage mit Batterie auf dem Dach ausgestattet. Uns war es zudem wichtig, dass sich das mySaess von den mit Ikea-Möbeln ausgestatteten Airbnb-Wohnungen abhebt. Deshalb arbeiten wir auch für die Innenausstattung mit regionalen Partnern zusammen, um eine Plattform für Schweizer Produkte und Handwerk zu bieten. Zum Beispiel geniesst man seinen Morgenkaffee aus handgedrehtem Porzellangeschirr von Zoé Vai Keramik, die Bettbezüge stammen aus der Berner Leinenweberei und Öl und Essig kommen von Biofarm.

Findet man auf den 10 Quadratmetern wirklich alles, um komfortabel Ferien machen zu können?
JR: Das kommt natürlich auf die individuellen Ansprüche an den Komfort an. Aber es hat ein Sofa, auf dem man auch bei schlecht Wetter gemütlich ein Buch lesen kann. Oder wenn man mit der Familie übernachtet, kann man den Tisch aufstellen und ein Spiel spielen oder etwas zeichnen. Es hat ein Loft, in das sich die Kinder gerne zurückziehen, und bei Schönwetter kann man die Türen zur Terrasse öffnen und gewinnt so fünf weitere Quadratmeter. Stellt man den Tisch nach draussen, kann man hier gemütlich etwas selbstgekochtes Essen und ein Glas Wein geniessen. Am Abend wird das Sofa zum Bett. So hat man unten sowie oben zwei Schlafplätze. Und natürlich sieht man immer direkt ins Freie. Bisher war das Feedback sehr positiv: Unsere Gäste fühlen sich im mySaess wohl und finden alles, was sie brauchen.

Uns war es wichtig, dass wir einen Ort kreieren, an dem man herunterfahren kann und zu sich kommt. 

Soll das mySaess auch anregen, vielleicht mal ein bisschen weniger einzupacken?
JR:
Absolut, und zwar nicht nur im materiellen Sinne. Wenn man im mySaess ist, hat man gar nicht das Bedürfnis, sich die ganze Zeit mit diesem und jenem abzulenken, denn es schafft Raum, um einfach mal mit weniger auszukommen. Uns war es wichtig, dass wir einen Ort kreieren, an dem man herunterfahren kann und zu sich kommt.

Hast Du selber schon mal im mySaess übernachtet? Falls ja, was waren die schönsten Erlebnisse?
JR:
Ja, als ich mal alleine im mySaess übernachtet habe, ist morgens der Fuchs gleich vor meinem Fenster über's Feld spaziert. Mit der Familie war das Schönste sicher, am Morgen mit den Kindern im Bett zu kuscheln und einfach so in den Tag hineinzuleben. Ausserdem – je nach Gastgeber, wo das mySaess steht – drücken einem die Landwirt*innen auch gerne mal eine Schaufel in die Hand, damit man auf dem Hof mithelfen kann. Da habe ich meine Kinder kaum mehr weggebracht. Unsere Gastgeber*innen meinten, sie schätzen den Austausch mit der städtischen Bevölkerung, die so für das sensibilisiert wird, was sie eigentlich machen. Aber auch einfach das Erkunden der Orte ist schön. Spaziert man im Emmental zwei, drei Stunden durch den Wald, kommt man sich vor wie in einem Märchenbuch. Ich glaube, viele vergessen, dass es auch in Stadtnähe schöne Orte fernab vom Trubel touristischer Hotspots gibt.

Braunes Sofa mit zwei Kissen steht am Fenster eines Holzhauses, davor ein Tisch mit Früchten, Notizbuch und Blumenstrauss.

Auch bei Schlechtwetter ist es im mySaess gemütlich – zum Beispiel beim Lesen auf dem Sofa oder an einem gemeinsamen Spielnachmittag.

Abwaschbecken in einem Holzhaus mit Leinentuch, dass in der Ecke hängt.

Für das wichtigste, wie Öl und Essig in der Küche, ist im mySaess gesorgt, sodass man nur mit dem Nötigsten anreisen muss.

Wie denkt mySaess den Tourismus um?
JR:
Tourismus entsteht ja oft an Orten, die den Tourismus als Wertschöpfungsquelle erkannt haben und versuchen, diese auszubauen. Dazu gehören meist grössere Infrastrukturprojekte, die dann das ganze Jahr voll ausgeschöpft werden müssen. Das heisst, man steht ständig unter einem Innovationsdruck, neue Angebote zu erfinden, dass z.B. die Gondel auch in der Zwischensaison genutzt wird. Oft hat man an diesen Orten ein Angebot, dass gar nicht mehr regional ist – sei es von kantinenartigem Essen bis zu High-End Produkten aus aller Welt. Das heisst, man ist zugleich hyperlokal aber auch extrem dezentral. MySaess ist genau das Umgekehrte: Wir sind dezentral, weil wir eigentlich überall sein können, aber unser Angebot ist hyperlokal. Wir arbeiten nur mit den Leuten vor Ort zusammen, die Reinigung wird zum Beispiel von den lokalen Gastgebern gemacht. Wir produzieren für unsere Gäste auch kein Angebot, das es nicht bereits vor Ort gibt. Sei es ein Bike-Park, eine Käserei, die man besuchen kann oder einen Aussichtsturm – wir promoten auf unserer Plattform Angebote, die bereits existieren.

Wir produzieren für unsere Gäste kein Angebot, das es nicht bereits vor Ort gibt.  

Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit den regionalen Partnern konkret vorstellen? Wer ist daran beteiligt?
JR:
In der meisten Fällen ist es ein Gastgeber-Betrieb – meist sind es Landwirt*innen – die den Unterhalt übernehmen. Wir haben aber auch schon mit einem Kollektiv zusammenbearbeitet, das heisst, jemand hat den Platz zur Verfügung gestellt und das Wasser nachgefüllt, jemand anders hat die Reinigung übernommen und jemand drittes hat das Frühstück gebracht. Oft gibt es dann ortsspezifisch weitere Angebote, zum Beispiel stand das mySaess letzten Herbst auf einem Hof, wo eine Yoga-Lehrerin Kurse angeboten hat, die man dazu buchen konnte. Dinge, die immer wieder gefragt sind – zum Beispiel ein Bier oder einen guten Wein – versuchen wir, ebenfalls von lokalen Anbietern zu beziehen.

Das mySaess eignet sich ideal für eine Auszeit alleine...

... oder auch in der Gruppe.

Oft steht das mySaess auf Landwirtschaftsbetrieben. Hier darf, wer Lust hat, auch mit anpacken.

Wo ist das mySaess schon gestanden? Wo wird es in Zukunft stehen?
JR:
In den letzten 18 Monaten stand es im Emmental und im Gantrisch. Die neuen mySaess, die dieses Jahr gebaut werden, werden im Berner Mittelland bis nach Thun stehen. In Zukunft wollen wir rund um die grösseren Deutschschweizer Städte mySaess aufstellen, erstmals um Luzern, Basel und Zürich. Danach wollen wir weiter Richtung Genfersee und Tessin. Gleichzeitig planen wir, mit bereits etablierten Tourismus-Regionen wie Bodensee-Thurgau oder dem Berneroberland zusammenzuarbeiten. 

Ist das bewusst so gewählt, dass das mySaess in stadtnahen Regionen steht?
JR:
Ja. Es geht uns darum, dass die Menschen schnell aus der Stadthektik herauskommen. Das mySaess soll auch attraktiv sein für einen Besuch unter der Woche, deshalb ist ein kurzer Anfahrtsweg wichtig.

Frühstück mit lokalen Produkten kann im mySaess vom Gastgeber bezogen werden.

Auch für einen regionalen Wein für den Spielabend ist gesorgt.

Bei Sonnenuntergang mit Blick in die Berge den Tag ausklingen lassen – was gibt es Schöneres?

Findet mySaess Anklang? Seid Ihr gut gebucht?
JR:
Ja, sehr. Bis im Sommer waren wir noch eher ein Geheimtipp, aber inzwischen sind wir schon bei ca. 70% Auslastung. Im Herbst gab es gar Zeiten, in denen wir beinahe 100% ausgelastet waren. Unsere Gäste bleiben im Durchschnitt 1-2 Nächte, oft sind es Paare, Freundesgruppen, oder auch Familien.

Im April läuft eine Crowd-Funding-Kampagne, um weitere mySaess zu bauen. Wieso hast Du Dich dazu entschieden?
JR
: Weil es uns wichtig ist, dass wir das mySaess in der Schweiz mit regionalen Materialien produzieren können, sind die Initialkosten hoch. Deshalb sind wir auf Hilfe angewiesen. Mit einem Beitrag unterstützt man nicht nur die Handwerksbetriebe, die am Bau beteiligt sind, sondern auch die Regionen, in denen es stehen wird, denn für diese können wir eine grosse Wertschöpfung generieren. Zudem können wir einfach einzigartig schöne Plätze in der Natur anbieten. Ausserdem gibt es für diejenigen, die unsere Kampagne unterstützen, tolle Goodies von regionalen Anbietern.

Hier die Crowd-Funding-Kampagne unterstützen.

Hier eine Übernachtung im mySaess buchen.

Kleines Tiny House mit beleuchteten Fenstern bei Nacht mit Ausblick in die Berge.

Das mySaess ist ein Ort, an dem man Ruhe findet und zu sich kommt.