Spätestens nach zwanzig Minuten fängt das unruhige Herumrutschen an; nach dreissig sackt die gesamte Bauchsektion ein und Brust und Nabel nähern sich immer weiter an; wenig später setzen die stechenden Schmerzen in den untrainierten Schultern ein, nur durch das gelegentliche Aufrichten unterbrochen, wenn einem einfällt, dass man gerade wie ein nasser Sack Reis da hängt. Doch der Kampf ist aussichtslos: der Mensch kann gegen Hocker nicht gewinnen.
Es ist ihrer reduzierten Ästhetik zu verdanken, dass Hocker aus modern eingerichteten Cafés und Restaurants nicht wegzudenken sind. Schnell dazugestellt, platzsparend versorgt und ohne optisch störende Lehne sind sie Möbelstücke, die sich mit ihrer Dienerrolle abgefunden haben, ohne im Scheinwerferlicht stehen zu wollen. Eine Sitzgelegenheit, die absolut ihren Zweck erfüllt. Aber wo bleibt der Komfort? Wo die Gemütlichkeit?
Stühle sind aus einem der stärksten menschlichen Triebe heraus entstanden: der Bequemlichkeit.
Archäologische Funde aus der Jungsteinzeit belegen erste Hocker-ähnliche Gegenstände, die also zeitgleich entstanden sind, als die Menschheit den Ackerbau für sich entdeckte und das Nomadentum aufgab, um sesshaft (aha!) zu werden. Dieses Ur-Möbelstück hat in den Jahrtausenden eine beachtliche Evolution durchgemacht und sich über herrschaftliche Throne, die den Statushöchsten vorbehalten waren, zum Stuhl entwickelt. Als Königsdisziplin unter Designern und insgeheimes Statussymbol der Mid-Century-liebenden Generation warten tausende und abertausende Varianten bereits darauf, besessen (ha!) zu werden. Und mit jeder Möbelmesse kommen neue Entwürfe dazu.
Warum also wollen manche Restaurants den Lauf der Geschichte umkehren und uns auf Hockern zu steinzeitlichen Sitzgewohnheiten zwingen? Nur, um Platz zu sparen oder ein optisch möglichst ansprechendes Interieur zu bieten? Spätestens wenn alle Hocker von bucklig dasitzenden Gästen mit schmerzverzerrten Gesichtern gefüllt sind, ist dieser Effekt sowieso hinfällig. Genug davon! Zeit für die buchstäbliche Auflehnung! Ich sage es hier laut und deutlich: Ohne Lehne, ohne mich!