Keramik ohne Grenzen

Atelier: Laurin Schaub

Laurin Schaub steht mit verschränkten Armen und einer blauen Schürze vor einem Regal voller Keramikschalen

Die Praxis des Keramikers Laurin Schaub ist durch grosse Experimentierfreudigkeit gekennzeichnet.

Laurin Schaub empfängt uns am Bahnhof von Büren zum Hof. Mit anderen Worten: vor der Tür seines Ateliers. Seit Februar 2024 hat der Keramiker seine Werkstatt im Erdgeschoss des Bahnhofgebäudes. Die ländliche Lage und die Ruhe des kleinen Dorfes behagen ihm. Es gebe hier immer «Durchzug», sagt er. Damit spricht er die Transitlage am Gleis, den Wind in der Ebene sowie im übertragenen Sinne auch die Freiheiten an, die ihm diese Lebensform erlaubt. Schaub wohnt keine 100 Meter vom Bahnhof entfernt. Zum Haus, das er mit anderen Menschen teilt, gehört ein Garten. Das Gemüse, das wir am Mittag essen, stammt daraus. Diese Lebensweise sei ein altes Konzept in der Welt der Keramik: Einen Ofen bauen auf dem Land und dort arbeiten und leben. Das Atelier ist in verschiedene Zonen gegliedert: Es gibt den Ofenraum, einen Bereich zum Drehen und einen langen Tisch. Töpfern ist ein langsames Handwerk. Will man davon leben können, muss man auf mehreren Schienen fahren. Es ist im Gespräch viel von Haltung die Rede; man spürt, dass es Schaub in seiner Arbeit auch darum geht, sein Können an eine Grenze zu treiben.

Laurin Schaub steht in der Tür eines alten Bahnhofgebäudes, rechts davon ein Fenster mit roten Fensterläden

Seit Februar 2024 arbeitet Laurin Schaub im ehemaligen Bahnhofhüsli.

Wie kamst du zur Keramik?
Laurin Schaub: Als Teenager wollte ich Künstler werden, aber ich wusste nicht genau, was das bedeutet. Irgendwann habe ich vom Beruf des Töpfers gehört. Ohne bestimmten Grund wusste ich: Das will ich machen. Handwerk lag mir und mich faszinierte schon früh die handwerkliche und gestalterische Herausforderung dieses Berufs. Ich habe zunächst eine Keramiker-Lehre in Willisau gemacht und anschliessend die keramische Fachklasse in Bern besucht. Ich konnte dort aus dem Vollen schöpfen, denn ich hatte eine gute technische Basis.

Das Beherrschen des Handwerks ist dir wichtig. Zugleich arbeitest du sehr experimentell. Dafür muss man sich ein Stück weit entfernen vom puren Handwerk. Wie verstehst du das Verhältnis zwischen diesen Polen?
LS: In welchem Genre man auch tätig ist: Man hat immer eine bestimmte Perspektive. Das ist bei mir die Töpferei. Mich fasziniert die jahrtausendealte Tradition von Keramik. Aus diesem vielseitigen Handwerk heraus entstehen alle meine Arbeiten, ich will diese Ursprünge nicht negieren. Egal, ob meine Projekte klassisch oder experimentell sind, der Blickwinkel bleibt der gleiche. Ich kann diese «Craftsmanship» nicht einfach ablegen.

«In welchem Genre man auch tätig ist: Man hat immer eine bestimmte Perspektive. Das ist bei mir die Töpferei.»  
Zwei männliche Hände rollen weissen Ton

Der Ton muss vor der Verarbeitung geknetet und homogenisiert werden.

Verschiedene Tonklumpen stehen auf einem Papier mit gelben und grünen Skizzen

Aus dem vielseitigen Material entstehen immer wieder neue Projekte.

In deinen Arbeiten sind vielfältige Inspirationen und Einflüsse erkennbar. Kannst du dazu etwas sagen?
LS: Ich habe viele Interessen, zum Beispiel die Musik. Architektur ist ein weiteres Thema, das mich anzieht. Auch Designtheorien inspirieren mich für meine Herangehensweise. Meine Arbeiten besitzen eine konzeptionelle Basis. Aus diesem Denken entwickeln sie sich gestalterisch weiter. Auch bei meiner Serie «Basics» war das nicht anders. Da ging es mir um die Frage des Überlebens mit meinem Beruf. Die Herausforderung bestand dort darin, mit so wenig Aufwand und Material wie möglich ein Produkt zu gestalten, das dennoch Erkennungswert hat. Das sind im Grunde Marketingthemen, aber sie hängen mit meiner Existenz als Kunsthandwerker zusammen.

Jede Objektserie zeigt neue Aspekte von Keramik. Bei «A.Part» hast du die Spannung zwischen Funktionalität und Dekonstruktion auf die Spitze getrieben. Wie kam es dazu?
LS: Ich wollte eine Technik ausprobieren: Nämlich wie ich zu einem Hohlkörper durch Extrusion komme. Mich interessierte zudem, wie man dieses Vorgehen aus der Industrie auf ein Atelierformat skalieren kann. Ich habe Formen entwickelt, die ich selbst mit dem 3D-Drucker fertigen kann. Es gibt also zum einen ein technisches Interesse, zum anderen ein formales. Ich habe ein keramisches Objekt aus voneinander unterscheidbaren Elementen gestaltet. Die Konstruktion dieser Einzelteile sollte sichtbar sein. So sehe ich auch unsere Welt: Ein Verbund von Teilen, die in sich ein Ganzes ergeben. Das Resultat dieses Prozesses waren architektonische Objekte, eine Antithese zur klassischen Töpferei. Dennoch funktionieren sie als Vase.

Der Keramiker lernte sein Handwerk von der Pike auf.

Im Pizza-Teigmischer bereitet Schaub Tonresten neu auf.

Alchemie – beim Brennen bleibt das Feuer der Meister.

Für eine Ausstellung in Genf wurden Schalen als Klangkörper genutzt.

Die farbigen Schalen sind in Zusammenarbeit mit Mara Tschudi entstanden.

Der Nutzbarkeit stehst du also nicht kritisch gegenüber?
LS: Nein, das Interagieren mit dem Objekt ist Teil des Werks. Der Moment des Brauchens vollendet es erst. Ich unterscheide nicht zwischen freien und angewandten Arbeiten, zwischen Kunst und Design. Ich gehe mit der gleichen Haltung an jedes einzelne Projekt. Der gemeinsame Nenner ist, dass alle meine Arbeiten persönlich sind. Darin unterscheiden sie sich von Industriedesign.

«Der Moment des Brauchens vollendet das Werk erst.»  

Wie kam es zum von dir gegründeten Label PUUL, bei dem du intensiv mit anderen Gestalter:innen zusammenarbeitest?
LS: Ursprünglich kommt dieses Projekt aus der Praxis des Arbeitens für andere. Das tue ich immer wieder, um Geld zu verdienen. Ich schätze diese Kollaborationen, weil dort Dinge entstehen, die allein nicht möglich sind. Als ich Dimitri Bähler kennenlernte, wollten wir etwas zusammen machen. Um diese Zusammenarbeit von meinen anderen Arbeiten zu trennen, habe ich das Gefäss PUUL geschaffen. Für das neuste Projekt kam Mara Tschudi ins Atelier und hat selbst Hand angelegt. Für mich sind diese nicht alltäglichen Kooperationen eine Bereicherung, auch menschlich.

Das Atelier bietet viel Platz und ist in verschiedene Bereiche gegliedert.

Expertise – was einfach aussieht, braucht viel Übung.

Wie siehst du die Zukunft deines Berufs?
LS: Das Interesse für Keramik ist gewachsen. Zugleich beobachte ich eine gewisse «Hobbyisierung». In der Vorstellung der Leute hört der Beruf des Töpfers beim Abendkurs auf. Das beschäftigt mich. Wenn ich unterrichte, möchte ich von Anfang an die Tiefe dieser Tätigkeit vermitteln. International hat sich einiges getan, was die Anerkennung von Keramik betrifft.

Deine Installation «Sustain» war im Musée Ariana in Genf zu sehen. Worum geht es bei dieser Arbeit?
LS: Das Interesse für die Beziehung zwischen Keramik und Klang besteht schon lange. Diese konkrete Recherche entstand dank eines Stipendiums. Meine Präsentation im Ariana stellt das Technisch-Normierte dem Handgemachten-Materiellen gegenüber. Das Regal ist auf den Ort abgestimmt, es könnte auch anders aussehen. Der Begriff «Sustain» stammt aus der Musik, er beschreibt einen langanhaltenden Klang. Ich entlocke der stummen Materie unerwartete Töne. Das Klingen von Keramik ist im Grunde eine alltägliche Erfahrung. Mir geht es in der Installation um eine Sichtbarmachung einer anderen Dimension von Objekten. Die Schalen erzeugen eine Form von Klanglichkeit, die daran erinnert, dass jede Materie ihre Klangfrequenz besitzt.

www.laurinschaub.ch

Sustain: Für das Musée Ariana in Genf entwickelte Schaub eine visuelle und akustische Installation. Mithilfe von Schallwandlern wurden die Keramikschalen wie eine Lautsprechermembran durch Audiosignale in Schwingung versetzt und erzeugten Klänge.

Relief: Die skulpturalen Arbeiten aus Glas wurden unter der Leitung von Torres + Hanhausen entworfen und von Nouvel produziert. Die titelgebende Relieffläche erinnert an Schaumstoff-Akustikplatten oder Verpackungsmaterial für zerbrechliche Waren.

MT 24: Für die dritte Kollaboration des Labels PUUL verwandelte Mara Tschudi ihre Farbkompositionen in funktionale Schalen. Die Technik der Papier-Collage wurde auf Keramik angewandt.

A.part: Nichts existiert, ohne aus kleinen Einheiten zusammengesetzt und gleichzeitig in ein grösseres Ganzes integriert zu sein. Das Spiel mit Formen, Strukturen und Farben eröffnet eine Perspektive auf die Gleichzeitigkeit von Verbundenheit und Getrenntsein.

Basics: Eine kleine Serie von Produkten des täglichen Bedarfs. Erhältlich in ausgewählten Geschäften und Onlineshops.

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