Die Schmiede in Chexbres unweit von Lausanne ist eine Art Zeitkapsel. Man spürt die Geschichte dieser über 100-jährigen Werkstatt an vielen Details. An diesem besonderen Ort arbeitet Bertille Laguet seit drei Jahren und erlernt hier bei ihrem Meister Philippe Naegele das Handwerk der Kunstschmiedin. Das ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen kann man das Schmiedehandwerk in der Schweiz offiziell gar nicht mehr erlernen, zum anderen hatte die an der ECAL ausgebildete Produktdesignerin schon einen Beruf. Dass sie eine weitere Ausbildung in Angriff nahm, hängt mit ihrer Liebe zum Machen zusammen. Ständig vor dem Bildschirm zu sitzen, war nichts für sie. Das Material Metall stand zudem schon davor im Zentrum ihrer Tätigkeit. Es kommt sogar schon in ihrem allerersten Entwurf als Studentin vor: kleine Tiere aus Metalldraht. In ihrer Abschlussarbeit, die später zur Gründung einer eigenen Heizkörper-Firma führte, kommt dieser Hang zum Metallenen dann voll zur Entfaltung. Für dieses viel beachtete Projekt, das sie in der Giesserei ihres Vaters im französischen Jura umsetzte, gewann Laguet 2017 den Swiss Design Award. Zu Beginn des Jahres wurde auch ihre handwerkliche Arbeit geehrt: Sie erhielt den zweiten Preis «Nachwuchstalent Kunsthandwerk», der erstmals vom Schweizerischen Verein für Kunsthandwerk verliehen wurde.
Wie kam es dazu, dass Sie hier arbeiten?
BERTILLE LAGUET: Ich kam per Zufall in die Schmiede, es gab hier einen Apéro. Der Ort ist mit Geschichte aufgeladen, es gibt ihn schon seit 1906, das hat mich fasziniert. Als ich erfuhr, dass niemand die Werkstatt übernehmen würde und hier später eine Migros oder eine Bank stehen könnten, erfasste mich eine Art Panik. Ich kam immer häufiger, um hier mit den Händen zu arbeiten. Es war zu Beginn eher eine Pause von meiner Arbeit als Designerin. Hier lerne ich jeden Tag etwas Neues. Mir gefällt auch die lokale Dimension der Schmiede.
Spielte auch das Bewusstsein eine Rolle, dass dieses Savoir-faire verschwinden könnte?
BL: Ja, es ist schade, dass es nicht mehr möglich ist, eine Lehre als Schmiedin zu machen. Aber es gibt zum Glück noch Leute, die dieses Wissen weitergeben. Ich kann dieses Savoir-faire jetzt verbinden mit meiner Arbeit als Designerin.
Sie haben mit dem Kunsthandwerk-Preis eine Anerkennung dafür bekommen. Was bedeutet das für Sie?
BL: Sehr viel, denn diese Entscheidung war für mich eine 180-Grad-Kehrtwende, die auch mit Risiken verbunden ist, gerade, was die Karriere betrifft. Der Wechsel von der Designerin zur Kunsthandwerkerin ist nicht selbstverständlich. Es sind zwei unterschiedliche Arten, zu denken und zu handeln. Der Preis hat mir Vertrauen in diesen Schritt gegeben. Handwerk ist nicht etwas Museales, sondern kann auch heute zeitgenössisch sein. Auch Politiker haben mittlerweile verstanden, dass Handwerk ein Markenzeichen der Schweiz sein kann.
Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Handwerk und Design? Sollte man diese an den Schulen fördern?
BL: An der ECAL gibt es etwa den Master in «Design for Luxury & Craftsmanship». Aber ich finde es schwierig, das zu standardisieren. Nicht alle Designer haben das Feeling für Handwerk.
Was hat Sie sonst noch geprägt in Ihrem Werdegang?
BL: Nach der ECAL gründete ich mit meinem Partner Mathieu Rohrer das Studio «Bertille & Mathieu». Kurz danach machte ich ein dreimonatiges Praktikum bei Jörg Boner. Seine Arbeitsweise beeinflusst mich bis heute. Wir haben viele Kartonmodelle gemacht, das Arbeiten mit den Händen gefiel mir schon immer. Auch die familiäre Stimmung hat mich dort beeindruckt. Man arbeitet sehr eng mit den Kunden zusammen. Das war für mich sehr stimmig.
Welche Rolle spielt das Material Metall?
BL: Dieser Werkstoff steht im Zentrum meiner Arbeit. Erste Erfahrungen damit machte ich mit meiner Abschlussarbeit, dem Radiator «B&M». Danach gründete ich die Firma «Gris Fonte». Das Führen eines Betriebs nahm aber zu viel Zeit in Anspruch, das war für mich nicht mehr befriedigend. Ich habe diese Materialrecherche sowie diverse Herstellungsprozesse dann im Rahmen von anderen Objekten für Galerien weiterentwickelt. Als ich dann die Schmiede entdeckte, wollte ich verstehen, wie man dieses Material dort bearbeitet.
Gibt es Unterschiede in Ihrer Arbeitsweise als unabhängige Designerin und als Handwerkerin hier in der Schmiede?
BL: Ja, die Arbeit ist sehr unterschiedlich. Die Aufträge in der Werkstatt sind häufig auch Reparaturarbeiten, da geht alles sehr schnell, es gibt wenig Zeit zum Nachdenken. Was ich hier als Auftragsarbeit mache, hat eher mit einer technischen Intelligenz zu tun. Bei meinen eigenen Stücken sind die Prozesse länger, es findet mehr Recherche statt. Aber ich mag es dennoch, direkt vom Machen auszugehen.
Was inspiriert Sie?
BL: Das ist nicht unbedingt etwas Sichtbares, es sind eher Emotionen. Ich brauche etwas, das mir die Suche nach Dingen ermöglicht, die stärker sind als nur eine Form. Ich habe das Bedürfnis nach starken Momenten. Konkrete Objekte oder Referenzen interessieren mich weniger, Gesten geben mir mehr. Sie sind häufig Ausgangspunkt für einen Entwurf. Ein Buch über die Arbeit von Isamo Noguchi hat mich aber besonders geprägt. Das Buch selber ist zwar nicht besonders schön gemacht, aber ich schaue es immer wieder an.
Was haben Sie aktuell für Projekte?
BL: Ich arbeite zurzeit an zwei Objekten für eine Ausstellung, die «Grand Nord» heisst. Verschiedene Designer wurden angefragt, über das Thema «Glacestengel» nachzudenken. Mich interessiert das Thema Design und Food, ich möchte das gerne vertiefen. Für die «New York Design Week» kann ich zudem eine Türfalle entwerfen. Dieses Objekt stellt den ersten Kontakt mit einem Gebäude dar, das finde ich spannend. Das Thema betrifft sowohl Handwerk als auch Design.