«Ursprünglich hatten wir das Projekt an diesem Ort für einen anderen Investor geplant», erklärt Pascal Flammer, der siegreiche Architekt, die Ausgangslage. «Als die Baugenossenschaft mehr als wohnen das Projekt aber übernahm, war klar, dass wir es überarbeiten mussten. Weg von einem konventionellen Mehrfamilienhaus zu einem Ort, der für viele Arten des Zusammenlebens empfänglich ist.»
Durch die Öffnung des Grundrisses entstanden sechs 8-Zimmer-Cluster-Wohnungen, die bei Bedarf auch als drei 16-Zimmer-Einheiten bewohnt werden können. Gegen Norden bildet eine Repetition von einfachen Zimmereinheiten, die einzeln, als Zweier- oder als Dreiergruppen zu haben sind, einen eher geschlossenen Rücken.
Dem steht eine fliessende, offene Wohnlandschaft gegen Süden gegenüber, die gemeinschaftlich genutzt wird. Die Gemeinschaftsräume öffnen sich auch gegenüber dem Aussenraum des ehemaligen Hobelwerks und den gemeinschaftlichen Quartierplätzen, wie etwa dem grossen, überdachten Hobelwerkplatz und der Holzwerkhalle, die dem Quartier den Namen gaben.
Im EG gibt es zwei Typologien von Work-Life-Konstellationen innerhalb einer Wohneinheit. In der einen Hälfte des Erdgeschossgrundrisses reihen sich vier langgezogene Atelier-Wohnungen aneinander, die jeweils über einen Wohn- und einen Arbeitsraumverfügen, unterbrochen von einem Funktionsraum mit Küche und Bad. In der anderen Hälfte teilen sich vier Wohneinheiten einen gemeinschaftlichen Atelierraum. Das Haus D ist wohl das experimentellste Haus im Hobelwerk-Areal, das total aus fünf Häusern besteht.
Pionierwerk
Das Experiment beschränkt sich nicht nur auf typologischer Ebene. Auch was den Bauprozess und die verarbeiteten Materialien angeht, beschreitet «mehr als wohnen» mit dem Gebäude neue Wege. «Unser Ziel war es, ein möglichst nachhaltiges, klimaneutrales Gebäude zu erstellen», erläutert Flammer.
So wurde bei Haus D auf Untergeschosse verzichtet und die Fundamente wurden aufs Minimum reduziert, um einen möglichst niedrigen Betonverbrauch aufzuweisen. Ausserdem ist der Bau ein radikaler Holzbau. Schon in der Ausschreibung wurden die Treibhausgasemissionen berechnet und als Zuschlagskriterien be- messen, wie zum Beispiel der Anfahrtsweg der Konstruktionsfirma, der Ursprung des Holzes, Brandschutzmassnahmen, Bodenaufbauten und so weiter. Teils wurde der Holzbau in Modulbauweise und teils in Elementbauweise erstellt.
Ein weiteres, wichtiges Thema war die Verbauung von Re-Use-Bauelementen ohne Sonderstatus. «Ohne Sonderstatus heisst, dass der Einsatz der wieder gebrauchten Bauteile nicht teurer werden darf als der Einsatz vom günstigstmöglichen Neuwert-Element.
Das hat uns schon sehr zu schaffen gemacht. Ausserdem weiss man nicht genau, was man auf dem Re-Use-Markt bekommt und die Entscheidungen müssen schnell gefällt werden, denn es kann sein, dass eine gute Charge Fenster sonst der Abrissbirne zum Opfer fällt. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Haftung.
Wer haftet nun für die 20 Jahre alten Türen in diesem Neubau? Unsere schweizerischen Werkverträge sind darauf ausgerichtet, Haftungsfragen möglichst von sich zu schieben. Hier braucht es bei Re-Use-Modellen einen neuen Ansatz und eine engere und dynamischere Zusammenarbeit zwischen den Planenden, den Ausführenden und den Bestellern.»
Haus der Kontraste
«Für eine nachhaltige Architektur der Zukunft stellt sich die Frage: Wie sieht so ein Re-Use-Haus aus? Es gibt einige Beispiele, die eher etwas Collagenartiges in sich tragen. Dies wollten wir hier nicht. Und dennoch haben wir uns dafür entschieden, jedes zur Verfügung stehende Bauteil, das qualitativ den Anforderungen entspricht, auch zu verbauen.
Um dem Ganzen eine einheitliche Erscheinung zu verleihen, haben wir sämtliche Oberflächen mit einer dünnen Schicht weisser Farbe gestrichen, was die Wahrnehmung vereinheitlicht», erklärt Pascal Flammer. Dank dieser Massnahme wird die Wertigkeit der Bauteile teils umgekehrt. Die aufgefrischte Schiebetüre aus dem Altbau erscheint hochwertiger als die groben Dreischichtplatten der Wände, die neu erstellt wurden.
Nebst der Verbindung von Alt und Neu gibt es auch noch ein anderes Gegensatzpaar, das sehr wichtig ist: Die Details sind an gewissen Stellen sehr rau und an anderen Stellen sehr fein, und dieser Clash löst das Schematische des Gebäudes auf, und dieses erhält dadurch eine gewisse Offenheit, die auch dem offenen Nutzungsgedanken entspricht. Wer dermassen virtuos mit grossen Gesten und Feinheiten in den Details spielen kann, hat den ersten Preis mehr als verdient.