Häuser des Jahres 2020

Buch: Callwey Verlag

Das Siegerprojekt

Im Erdgeschoss haben die Architekten eine offene Raumstruktur geschaffen, die rundum verglast ist.

Ein unaufgeregter Stahl- und Holzskelettbau sitzt auf einem Betonsockel, der das Gefälle ausgleicht.

Der offene Wohnraum mit Kamin bietet grosszügige Ausblicke hinaus auf die grosse geschützte Terrasse.

Das Langhaus – von Aretz Dürr Architektur

Die Bauten sind eine harmonische Mischung aus modernistischer Sensi­bilität, lokaler Handwerkskunst, einheimischen Tragwerken und Respekt vor der Natur. Sie haben einerseits einen ungewöhnlichen Charakter, wirken andererseits aber merkwürdig vertraut.» Dieses Zitat stammt aus der Pritzker-Preis-Laudatio von 2002 für Glenn Murcutt, dem offensichtlichen Vorbild für dieses aufgeständerte und verglaste Langhaus im Oberbergischen, mit seinem Dach aus gewelltem Stahlblech. Inspiration für das junge Kölner Architekturbüro Aretz Dürr, deren Akteure etwa in den Jahren geboren wurden, als der damals 45-jährige Murcutt international Aufmerksamkeit erregte für seine wunderbar leichten Stahl- und Glasbauten, wie das ikonische Fredericks House von 1982.

 



 

Innenansicht des Langhaus von Aretz Dürr Architektur.

Platz und Behaglichkeit bietet das Haus so viel wie nötig. Raum und Material braucht es so wenig wie möglich.

Innenansicht des Langhaus von Aretz Dürr Architektur.

Auch durch das gezielte Weglassen leistet das Gebäude einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, im Bild Schlafzimmer mit Bad.

Wunderbare Vorbilder sind vollkommen legitim, wie auch Murcutt selbst den rheinischen Mies van der Rohe als sein wichtigstes Vorbild nannte. Und was haben sie daraus gemacht? Ein fein detailliertes und transparentes Werk, das dort am Hang aufgeständert über einem massiven Sockel schwebt, im geschlossenen Bereich am Hang Garage und Hauswirtschaft unterbringt, auskragend Koch- und Wohnbereich mit regengeschützten Terrassen an beiden Seiten, oben die Schlafzimmer und Bäder. Es fügt sich in die Landschaft, wirkt authentisch und atmet die optimistische Frische der Moderne. Was heutzutage gar nicht selbstverständlich ist und sicherlich für Irritationen vor Ort sorgen dürfte. Normal ist das bei uns ja nicht, wenn Häuser die «Erde nur leicht berühren», wie der Altmeister predigte. Aber überzeugend schön.

Auszeichnung

Aussenansicht des Holzhaus von Pedevilla Architekten.

Die aufstrebende Form des Dachs macht das Gebäude schon von weitem sichtbar, die tief liegende Trauflinie vermittelt Schutz.

Das Holzhaus – Pedevilla Architekten

Dieses Haus hebt sich durch seine ebenso expressive wie eigenwillige Erscheinung von der Vielzahl der eingereichten ebenfalls anspruchsvollen Projekte ab. Hier handelt es sich um einen echten Hingucker, dessen singuläre Qualitäten nicht nur auf den ersten Blick überzeugen. Das Gebäude ist alles andere als klischeehaft – vergeblich sucht man nach Rückgriffen auf gängige Lösungen – und doch drängt sich der Begriff des archaischen Hauses auf: Das schützende Dach, die überschaubare Kubatur, die ausdrucksstarken Öffnungen und Aufbauten sind vertraute Bilder in neuer Form. Dabei ist es Pedevilla Architekten gelungen, dem Projekt bei aller Auffälligkeit des Baukörpers durch strenge Reduktion in Geometrie und Materialwahl Ernsthaftigkeit und Überzeugungskraft zu verleihen. Der Grundriss ist kompakt, die Raumaufteilung pragmatisch. Die einfachen Figuren Trapez und Rechteck bilden die ­expressiven Formen, ein durchgängiges Oberflächenmaterial lässt die sorgfältig gestaltete Skulptur ungestört hervortreten. Ein schlüssiges Erscheinungsbild. Und doch lässt sich der Entwurf nicht in eine stilistische Kategorie ablegen, er ist ein Unikat. Diese Einzigartigkeit setzt sich im kompromisslosen Ortsbezug dieses Projektes fort, in der Verwendung von örtlichem Holz und Stein, verarbeitet von erfahrenen lokalen Handwerkern, im weitestgehenden Verzicht auf synthetisches Liefermaterial bis in die ­Namensgebung: ´ciasa – das Haus, im gadertalischen Ladinisch.

Innenansicht des Holzhaus von Pedevilla Architekten.

Den Bauherren gehört ein Hotel mit Therme, ihr privates Haus ist der erste Baustein in der Neuorganisation der Gesamtanlage, an der Pedevilla Architekten arbeiten.

«Man lebt wie ein Specht im Bau, ganz angenehm, die Düfte sind gut, das Gefühl ist gut, man schläft gut.»
Treppenhaus eines Holzhauses von Pedevilla Architekten.

Zum grössten Teil wurden natürliche und lokale Baustoffe verwendet, auf synthetische Materialien und Kunststoffe konnte nahezu komplett verzichtet werden.

Vorgefundene, natürliche und alterungsfähige Materialien bedeuten kurze Liefer­wege und versprechen dank hochwertiger Verarbeitung lange Haltbarkeit. Der Baustoff Holz kommt hier in all seinen Facetten zur Geltung. Die handgespaltenen Schindeln der Aussenbekleidung zeigen die individuellen Spuren der Bearbeitung, werden im Laufe der Jahrzehnte patinieren und das Gebäude mehr und mehr in seine Umgebung einfügen. Die Vollholzwände sorgen für gutes Raumklima ohne Dämmstoffeinsatz und die Sichtqualität des Zirbenholzes verleiht den Innenräumen Farbe, Struktur und Atmosphäre, unterstützt durch wohlüberlegte Lichtführung und klare Geometrie. Selbstbewusste Gestaltung und Handwerkskunst fügen sich in diesem kleinen Haus zu einem Gesamtbild, das die volle Anerkennung der Jury gewonnen hat.

Die Jury

Jurybild der Auszeichnung Häuser des Jahres von Callwey Verlag.

Obere Reihe (von links nach rechts): Ulrich Nolting, Geschäftsführer Informations Zentrum Beton; Peter Cachola Schmal, Direktor  Deutsches Architekturmuseum, Juryvorsitzender; Prof. Alexander Gutzmer, langjähriger Chefredakteur «Baumeister», Director Marketing Euroboden; Roland Merz, Chefredakteur «Atrium», Archithema Verlag; untere Reihe (von links nach rechts): Christian Pohl, Hehnpohl ­Architekten, Gewinner «Häuser des Jahres 2019»; Katharina Matzig, Architekturjournalistin; Nicola Borgmann, Architektin und Kunsthistorikerin; Christian Kraus, langjähriger Managing Director, Communications and Brand Experience Interhyp AG

Buch-Cover Häuser des Jahres 2020 von Callwey Verlag.

Callwey Verlag: Buch Häuser des Jahres 2020
Die 50 Häuser des Jahres aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz werden in Text, Bild und mithilfe von Plänen ausführlich vorgestellt. 
www.callwey.de

Alle Gewinner im Überblick

Sieger:
Aretz Dürr Architektur, «Das Langhaus», Nümbrecht (DE)

Auszeichnung:
Pedevilla Architekten, «Das Holzhaus», St. Vigil, in Enneberg (IT)

Hertl Architekten, «Über den Dächern von Linz», Linz (AT)

Anerkennung:
bergmeisterwolf, «Hinter grünen Mauern», Vahrn (IT)

Lukas Lenherr Architektur, «Das schiefe Haus», Jonschwil (CH), Sieger «Das Beste Einfamilienhaus» www.architekturpreise.ch

Think Architecture, «Der Solitär», Zürichsee (CH)

JSWD Architekten, «Leben im Ensemble», Köln (DE)

Wespi de Meuron Romeo, «Das Steinhaus», Ascona (CH)

Magazin-Cover Das Ideale Heim November-Ausgabe 2020.

Den gesamten Artikel mit weiteren Fotos finden Sie in der November Ausgabe von Das Ideale Heim.