Funktion trifft Poesie

Interview mit Geckeler Michels

Mit ihrem neuesten Projekt «MAP» hat das Berliner Designer-Duo Geckeler Michels für das italienische Unternehmen Lodes ein Leuchtensystem geschaffen, das weit über reine Funktion hinausgeht. Stromführende Textilbänder verwandeln Kabelwege in grafische Linien, die sich wie Zeichnungen über Wände und Decken spannen. Entstanden ist ein hybrides System zwischen Technik und Poesie – flexibel, modular und offen für die Interpretation von Architekt:innen und Gestalter:innen. Im Gespräch mit meter erzählen die Designer, wie «MAP» entstand, warum sie aus einer Notwendigkeit ein gestalterisches Prinzip machten und welche Rolle Berlin für ihre kreative Arbeit spielt.

Das modulare Leuchtensystem «MAP» von Geckeler Michels in einer architektonischen Deckeninstallation – präzise Lichtführung für elegante Empfangsbereiche.

«MAP» als skulpturales Wandobjekt – funktionale Beleuchtung und Designstatement zugleich.

«MAP» verwandelt Licht in ein grafisches, raumgestaltendes Element. Welche Vision stand für euch am Anfang dieses Projekts – wolltet ihr eher ein funktionales System entwickeln oder eine Art «Lichtpoesie» schaffen?
Geckeler Michels: Für uns muss ein Produkt immer funktional sein – gerade bei Beleuchtung. Aber das Grafische entstand aus einer Notwendigkeit: In vielen Räumen liegt der Stromauslass nicht dort, wo man die Leuchte platzieren möchte. Normalerweise versucht man dann, Kabel zu verstecken. Wir wollten das Gegenteil: Wir machen die Verkabelung sichtbar und nutzen stromführende Textilbänder als gestalterisches Element. So wird aus dem Problem ein poetisches, grafisches Gestaltungsmittel.

Ihr habt die Bänder erwähnt, die den Strom leiten. Ist das eine Eigenentwicklung?
Geckeler Michels: Nein, das gibt es schon einige Jahre am Markt. Für uns war die spannende Frage: Wie können wir dieses Material neu interpretieren und weiterspinnen? So entstand ein Hybridsystem, das sowohl funktional als auch dekorativ wirkt. Im Unterschied zu starren Schienensystemen sind wir mit «MAP» viel freier und ästhetischer.

«MAP» öffnet Räume für sehr individuelle Konfigurationen. Welche Art von kreativen Anwendungen oder überraschenden Inszenierungen wünscht ihr euch, wenn Architekt:innen mit eurem System arbeiten?
Geckeler Michels: Wir sehen «MAP» als eine Art Werkzeug oder auch Baukasten. Architekt:innen haben damit die Möglichkeit, Licht nicht nur funktional zu setzen, sondern es auch als zeichnerisches Element zu verstehen. So wie man in einem Grundriss Punkte setzt und Linien verbindet, lassen sich mit «MAP» Lichtquellen flexibel positionieren und über die stromführenden Bänder miteinander verbinden. Das Spektrum reicht von klaren, linearen Lichtführungen, die eher an klassische Schienensysteme erinnern, bis hin zu sehr poetischen, grafischen oder fast skulpturalen Formen, die sich über Decken und Wände spannen.

Uns war wichtig, dass die Nutzer:innen frei mit dem System umgehen können: Mal nüchtern und reduziert, wenn es um eine funktionale Beleuchtung geht – mal als auffälliges, raumgestaltendes Element, etwa als Zickzack hinter einer Bar oder als grafisches Muster an der Wand. «MAP» ist damit bewusst offen angelegt, damit Architekt:innen ihre eigenen Ideen einbringen und mit dem System buchstäblich «zeichnen» können. Wir sind sehr gespannt darauf, welche Bilder und Konfigurationen dadurch entstehen werden.

Ein «MAP» Spotmodul – präzises Licht in minimalistischer Form.

«MAP» in unterschiedlichen Farbvarianten – vielseitig kombinierbar für individuelle Raumkonzepte.

Das Leuchtensystem in einer versetzten Linienführung – fliessende Lichtgestaltung für moderne Flure.

Beleuchtung ist heute nicht nur Design, sondern auch ein Thema von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Welche Rolle spielten solche Überlegungen im Entwicklungsprozess von «MAP» – und wie seht ihr die Zukunft modularer Lichtsysteme?
Geckeler Michels: Zum einen setzen wir auf modernste LED-Technik mit hoher Energieeffizienz. Zum anderen ist das System modular aufgebaut: Alle Teile lassen sich trennen, austauschen und kombinieren. Mit wenigen Grundelementen können sehr viele unterschiedliche Lichtlösungen gestaltet werden – das spart Material, Lagerbestand und Ressourcen. Auch durch unterschiedliche Linsen und Aufsätze lassen sich mit nur einer Basis verschiedene Lichtstimmungen erzeugen.

Ihr habt das Projekt gemeinsam mit Lodes entwickelt. Was hat euch an der Zusammenarbeit inspiriert – und was war herausfordernd?
Geckeler Michels: Lodes war von Anfang an sehr ambitioniert und motiviert. Die erste Idee kam von uns, eine Inhouse-Studie. Wir haben Lodes dann kontaktiert, weil wir sie als einen der spannendsten italienischen Leuchtenhersteller gesehen haben. Sie waren schnell überzeugt und haben erkannt, dass wir mit «MAP» eine neue Typologie schaffen könnten. Das war der Schlüssel – sie haben vertraut und dadurch ging die Entwicklung sehr schnell. Auch technisch sind sie stark: Fast alles wird in Italien produziert, viele Komponenten wurden eigens für «MAP» entwickelt.

Könnt ihr noch mehr zu dieser Inhouse-Studie sagen?
Geckeler Michels: Die Inhouse-Studie war für uns ein freies Experiment, in dem wir zunächst unabhängig von einem Hersteller gearbeitet haben. Wir wollten herausfinden, wie man mit Licht zeichnen kann. Also haben wir Punkte gesetzt, Linien gespannt und verschiedene Szenarien durchgespielt – ähnlich wie Skizzen auf Papier, nur im Raum. Dabei entstanden klare Linien, Zickzack-Muster, Kreise, fast wie Sternbilder.
Ein starkes Bild war für uns die Arbeit von Franz Erhard Walther aus den 1970er-Jahren. In seinen Performances hat er mit Stoffbändern Räume aufgespannt und Personen miteinander verbunden. Dieses Moment der Geste wollten wir in unsere Studie übertragen.
So wurde aus einer rein technischen Notwendigkeit, der Stromführung, ein poetisches Gestaltungselement. Die Inhouse-Studie hat uns gezeigt, dass wir mit «MAP» eine neue Formensprache entwickeln können, die Funktion und Poesie miteinander verbindet.

Porträt der Designer Geckeler Michels, Entwickler des MAP Leuchtensystems.

Die Berliner Designer David Geckeler und Frank Michels sind die Köpfe hinter dem modularen Leuchtensystem «MAP».

Welche Bedeutung hat dieses Projekt in eurer bisherigen Arbeit? Seht ihr darin vielleicht auch einen neuen gestalterischen Entwicklungsschritt?
Geckeler Michels: Ja, für uns ist es immer spannend, neue Typologien zu entwickeln. Mit «Map» bewegen wir uns stärker ins Feld der Architekturbeleuchtung. Wir haben zuvor schon mit unserem Strahler «Chameleon» Erfahrungen in LED-Technik gesammelt. Aber ein komplettes Leuchtensystem, das so eng mit der Architektur interagiert, ist ein grosser Schritt. Möbel stellen wir in Räume hinein – «Map» hingegen geht in einen direkten Dialog mit der Architektur. Das ist für uns sehr wichtig und wegweisend.

Welche Rolle spielt Berlin für eure Arbeit und euren gestalterischen Ausdruck?
Geckeler Michels: Berlin ist für uns ein idealer Standort. Die Stadt hat eine enorme kreative Energie, ist international und gleichzeitig experimentierfreudig. Hier gibt es Raum für neue Ideen, für Austausch mit anderen Kreativen – und für uns ist das ein grosser Nährboden. Natürlich sind wir international unterwegs, aber Berlin bleibt unser Ausgangspunkt.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: «MAP» erinnert an Sternbilder. Seid ihr denn an Astrologie interessiert?
Geckeler Michels: Die Sternbild-Assoziation ist tatsächlich erst in der Anwendung entstanden. Am Anfang hiess das Projekt bei uns sogar «Tape», weil es um das Band ging. Später wurde daraus «MAP» – wie eine Landkarte oder auch ein U-Bahn-Plan, wo man Kreise für Stationen hat und Linien dazwischen zieht. Genau das passiert ja auch mit unserem System: Man setzt Punkte im Raum und verbindet sie.

lodes.com
geckelermichels.com

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