«Diese Räume lassen Gedanken galoppieren»

Die Kommunikationsagentur von Christian Boros in Berlin

So begrüsst wie in der Kommunikationsagentur von Christian Boros wurde ich noch nirgendwo: Es ist der griechische Gott Merkur persönlich, der mir beim Eintreten in das einstige Pumpwerk am Halleschen Ufer in Berlin-Kreuzberg im Konferenzsaal entgegenblickt. Doch nicht nur der Schutzpatron der Händler und Kaufleute, sondern auch die strenge Pallas Athene schaut wachend von einem Sockel auf die Besucher:innen. Die antiken Steinfiguren, die hier mitten zwischen Dampfmaschinen und Büromöbeln stehen – dieses Ensemble – fasziniert mich.

Die imposanten Steinfiguren begrüssen die Besucher:innen in der Kommunikationsagentur Boros am Halleschen Ufer in Berlin.

Der Architekt Jens Casper von Realarchitektur hat nicht nur das Pumpwerk entwickelt, sondern auch den bekannten Bunker in Berlin-Mitte, in dem sich die Sammlung Boros befindet.

So erging es auch dem charismatischen Kunstsammler und Unternehmer Christian Boros, als er vor rund zehn Jahren zum ersten Mal die hohen Räume des Pumpwerks betrat: «Diese pittoreske, nahezu theatralische Situation war für mich so surreal, so unwirklich, dass sie mich nicht mehr losliess. Ich konnte nicht Nein sagen», sagt er, als ihm das Gebäude zum Kauf angeboten wurde.

Die überdimensionalen Steinfiguren stehen in einem Stil der Neorenaissance errichteten Pumpwerk, das 1876 am Halleschen Ufer in Betrieb genommen wurde. Der rote Backsteinbau mit dem frei stehenden Schornstein verdeutlicht den Anspruch an die damalige Industriearchitektur.

In den 1980er-Jahren wandelte sich das Pumpwerk zum Lapidarium für historische Figuren der Berliner Skulpturensammlung. Dieses spezielle Objekt wollte Boros retten, verwandeln, umnutzen und neu denken: «Ich möchte Aufgaben, die ‹unthinkable› sind, eben erst recht zu Ende denken. Denken, Gestalten, Wirken, Verändern. Das sind Lebensaufgaben, die befriedigend sind.»

Ein Fenster mit einer Steinfigur

Das Pumpwerk wurde 1876 am Halleschen Ufer in Betrieb genommen.

Vier Materialien als Grundlage

Zusammen mit dem Berliner Architekten und Professoren Jens Casper hat Boros das denkmalgeschützte Gebäude behutsam modernisiert. Prägend ist der schwarze Betonkubus, der in das Gebäude integriert wurde. Damit haben sie eine Fläche mit verschiedenen Funktionen für die rund 40 Mitarbeiter:innen der Kommunikationsagentur Boros sowie dem Kunstverlag Distanz geschaffen.

Der schwarze Kubus in der Mitte des Raumes dient als Arbeitsfläche für die Mitarbeiter:innen.

Das gesamte Office besteht dabei aus nur vier Elementen. 

Der Kubus verzahnt sich mit der nebenan liegenden Haupthalle des Werks, in der noch Elemente des Pumpwerks sowie ein grosser Sitzungstisch vorhanden sind. Das Gebäude sei eigentlich als Bürogebäude falsch, aber genau das sei für Boros entscheidend gewesen. «Mich interessiert letztlich nicht, wenn irgendetwas zu Stein wird, sondern mich fasziniert der Denkprozess.»

Wenn man nur über Funktionen nachdenken würde, dann fehlt die Magie. Er sei kein Bauherr, der radikale Gedanken oder Entwürfe abschwäche, sondern im Gegenteil: «Es ist ein gemeinsames Sich-Abarbeiten, Durchdenken, Durchkauen. Das macht mir Spass».

In der Halle des ehemaligen Pumpwerks steht ein grosser Sitzungstisch. Darüber schwebt das Lichtobjekt «Starbrick» des Künstlers Olafur Eliasson.

Die Lichtinstallation des bekannten Künstlers Olafur Eliasson. Christian Boros besitzt zahlreiche Werke des Dänen mit isländischer Herkunft. 

Die alten Elemente des Pumpwerks wurden bei der Gestaltung beibehalten. 

Gegenwart und Vergangenheit prallen aufeinander

Die bereits hohe Qualität des Baus wurde kaum angetastet und nur wenige Materialien verwendet: eingefärbter Beton, geölte Massiveiche, Bronze sowie geschliffener Strassenasphalt für den dunklen Boden. Die minimalistische Materialwahl und die dezente Farbgebung wirken modern und kühl und schaffen damit eine spannende Verbindung mit der historischen Bausubstanz sowie den Steinfiguren.

«Dieser Raum lässt Gedanken galoppieren», sagt der Unternehmer. Er glaube, dass Räume das Denken beeinflussen. «In normalen Räumen denkt man normal. Das hier ist eine Umkehrung.» Beim Rundgang schwärmt Boros von den alten Steinfiguren: «Jetzt haben wir hier Gäste, die wir nicht eingeladen haben. Aber sie bilden heute durchaus eine gute Bande mit uns», sagt er lachend.

Ein Garten

Der Aussenbereich der Kommunikationsagentur Boros.

 Keine Kunst in der Agentur

Das Pumpwerk scheint für Vordenker Christian Boros wie gemacht. Er sucht die Brüche, die Unstimmigkeiten – und sagt: «Ich finde es spannend, wenn Kontraste zusammenkommen, Nutzungen clashen.» Dabei suche er diese Gebäude nicht, sie würden an ihn herangetragen. «Ich habe mich vor dieser Grossartigkeit ergeben.»

Das war auch beim anderen ikonischen Gebäude im Besitz von Christian Boros so: dem oberirdischen Bunker in Berlin-Mitte. Seine Kunstsammlung, die er im monumentalen Reichsbahnbunker öffentlich zeigt, ist seit Jahrzehnten international bekannt. Dort präsentiert der Kunstsammler wechselnd immer 100 Werke seiner rund 1200 Objekte umfassenden Sammlung.

Auf dem Dach wohnt er mit seiner Familie in einem 550-Quadratmeter grossen Penthouse. Im Gegensatz zum Bunker verzichtet Boros in der Agentur fast gänzlich auf Kunst. Die Räume sollen für sich sprechen. Eine Arbeit ist trotzdem vorhanden: Das Lichtobjekt Starbrick von Olafur Eliasson. Die Lichtskulptur hat der dänische Künstler Boros zum Einzug geschenkt.

 

Ein Bunker

 

Seine Kunstsammlung hat Christian Boros in einem monumentalen, ehemaligen Reichsbahnbunker in Berlin-Mitte untergebracht. Die Sammlung ist öffentlich zugänglich.

Vermitteln als Lebensaufgabe

Seine stetige «Suche nach Eigenartigkeit» gilt auch für seine Kommunikationsagentur, die er 1990 in Wuppertal gegründet hat und damit später nach Berlin übergesiedelt ist. Bildende Kunst sei sein Lebensinhalt. «Ich liebe Kunst, und ich liebe Künstlerinnen und Künstler.

Man kann nur lernen vom Freiheitsbegriff der Kunst», sagt Boros. Deshalb sei ein Teil seiner Sammlung öffentlich zugänglich. Christian Boros vermittelt in seinem Schaffen aber nicht nur Kunst, sondern auch Botschaften der Kunden seiner Agentur. Sie stammen aus der Privatwirtschaft, Politik sowie Kunst und Kultur.

Ein Mann vor einer Wand

Christian Boros ist ein bedeutender Kunstsammler und besitzt über 1200 Werke, darunter von bekannten Künstlern wie Olafur Eliasson oder Damien Hirst. 

Diese «Vermittlungsnotwendigkeit», wie Boros es nennt, zieht sich durch sein Leben, sei es beim Sammeln von Kunst oder dem Entwickeln von Kommunikationskonzepten. «Mein alter Professor hat immer zu mir gesagt, ich sei ein Zwangsbeglücker. Alles, was mich glücklich macht, zwingt mich auch, es mit anderen zu teilen», sagt Boros.

Eine Bibliothek

Am Halleschen Ufer befindet sich nicht nur die Kommunikationsagentur von Boros, sondern auch sein Kunstverlag Distanz.