Tierisch gute Produkte

Ein Designprojekt der HF Produktdesign

Eingangstür zu einem Vernissage-Raum aus Beton mit runden Deckenlampen, an der der graue Schriftzug Animal steht

Im Februar wurden die Projekte der Viertsemestrigen des Studiengangs HF Produktdesign auf dem neuen Campus der Schule für Gestaltung Biel und Bern ausgestellt. Dozentinnen: Mela Medina & Valerie Notter (Leiterin Studiengang)

Animal – so das Motto, zu dem die Klasse im vierten Semester des Studiengangs HF Produktdesign an der Schule für Gestaltung Biel und Bern (SfGBB) ein Produkt entwerfen sollte. Das offene Briefing ermöglichte eine grosse Bandbreite an Interpretationen für Haus-, Nutz- und Wildtiere. Dabei gab es viel zu berücksichtigen – ist ein Tier behaart, gefiedert, geschuppt, gepanzert oder stachelig? Wo findet es Unterschlupf? Welchen Gefahren ist es ausgesetzt? Und wie können wir Menschen es verstehen, schützen und mit ihm interagieren? Im Februar wurden die Resultate an einer Vernissage auf dem neuen Campus Bernapark der Öffentlichkeit vorgestellt. Drei Studierende haben uns mehr zu ihren Projekten verraten.

Der neue Standort der SfGBB befindet sich auf dem Areal der ehemaligen Kartonfabrik Deisswil, das von Aebi & Vincent Architekten zu einem innovativen Quartier umgestaltet wurde.

Hier entstand in drei Gebäudekomplexen ein Campus mit industriellem Charme.

Der Campus bietet ein inspirierendes Umfeld inmitten der Berner Start-up- und Innovations-Szene, sowie...

... grosszügige Ateliers, Werkstätten und Unterrichtsräume.

Henne Chilbi

Das Motto «Animal» ist zwar sehr offen – aber stiess nicht bei allen gleich auf Begeisterung. «Ich war etwas ratlos, da ich weder Haustiere besitze, noch welche möchte», sagt Danielle Andraschko. Für sie war das Motto eine Herausforderung, aber auch eine Chance, sich in ein komplett neues Thema einzuarbeiten. «Mir war es wichtig, etwas zu entwickeln, das nicht in die Sparte ‘Luxusgadget’ gehört. So fokussierte ich mich in der Recherche auf Wild- und Nutztiere.» Die korrekte Haltung von Nutztieren ist ein ewig aktuelles Thema, dem sich Danielle in ihrem Projekt annahm. «Nutztiere sind in den meisten Fällen eine wichtige Einnahmequelle. Leider verlaufen Tierwohl und Rentabilität oft nicht parallel. Hier wollte ich ansetzen.» Inspiration lieferte schlussendlich eine gute Freundin, die einen Bauernhof betreibt und die Idee eines Beschäftigungssets für Hühner vorschlug.

Entstanden ist «Henne Chilbi», ein modulares Animationsset für den Hühnerstall. Es besteht aus einer Anzahl Lederpatches in drei verschiedenen Grundformen, die immer wieder neu kombiniert und zu unterschiedlichen Körpern verbaut werden können. Hergestellt werden sie aus natürlich gegerbtem Rindleder, einem sogenannten Abfallprodukt der Fleischindustrie, das nicht nur unbedenklich für Tier und Umwelt, sondern auch witterungsbeständig ist. Das Produkt hat Danielle während der Entwicklung immer wieder mit ihren «Endkunden» getestet: «Hühner sind zum Glück sehr lebhafte und neugierige Tiere. Bei allen Prototypen konnte ich sofort eine Reaktion beobachten und dementsprechend Änderungen an den Entwürfen vornehmen.»

Das Beschäftigungsset «Henne Chilbi» von Danielle Andraschko.

So könnte das Produkt etwa «in Action» aussehen.

Die Lederpatches können immer wieder neu kombiniert und zu unterschiedlichen Körpern verbaut werden.

Nützlinge – Schädlinge

Dass man nicht unbedingt ein Produkt für Tiere, sondern auch eines über Tiere entwerfen kann, erkannte Andrea Gerber. Ihre Inspiration war die Schweibenalp, eine alpine Permakultur auf 1000 Meter über Meer oberhalb von Brienz. «An der Permakultur fasziniert mich die Einfachheit. Sie kommt ganz ohne Chemie aus und schaut alles bei der Natur ab. Aber wieso ist etwas scheinbar so Einfaches doch so schwierig umzusetzen? Dieser Frage wollte ich mit meinem Projekt nachgehen.»

Entwickelt hat Andrea «Nützlinge – Schädlinge», ein Gesellschaftsspiel für mehr Biodiversität. Es zeigt, warum ein gesundes Gleichgewicht im Garten so wichtig ist und wie Nützlinge und Schädlinge dabei helfen können. Spieler:innen begeben sich auf eine Reise in den Permakultur-Garten, wobei spannende Wissensfelder neue Einblicke geben, während Klima-Spielsteine herausfordern, Lösungen zu finden, die auch die Natur bevorzugt.

Das Gesellschaftsspiel «Nützlinge – Schädlinge» von Andrea Gerber, ausgestellt an der Vernissage.

Das Spielfeld können Spieler:innen selbst gestalten.

boum

Ein sehr bekanntes Thema griff Moritz Limacher auf – der Katzen- bzw. Kratzbaum. «Ich kenne einige Leute, die Hauskatzen haben oder hatten. Dennoch habe ich in keinem Zuhause einen Katzenbaum gesehen – dafür aber zerkratzte Sofas und Möbel. Diese Beobachtung fand ich eine spannende Ausgangslage, um mich mit dem Zuhause und den damit verbundenen Bedürfnissen von Hauskatzen und Menschen auseinanderzusetzen.»

Die Leitworte für seinen Entwurf waren «einfach», «zugänglich» und «funktional». Die Herausforderung bestand darin, die Bedürfnisse der Katze und des Menschen gleichermassen ernst zu nehmen und diese in einem Produkt zu vereinen. «Es geht nicht nur um die eigentliche Anwendung, sondern auch um das ‹Davor› und ‹Danach›. Herstellung, Lagerung, Transport und ein einfacher Aufbau sind wichtige Themen. Zudem stellt sich die Frage, was mit defekten Teilen passiert, wie das Produkt seine Besitzerin oder seinen Besitzer wechselt und wie gut die verwendeten Materialien wieder in die Kreislaufwirtschaft zurückgeführt werden können.» Entstanden ist «boum», ein Katzenbaum, der ohne Werkzeug zusammengebaut wird und ein einfacher Austausch aller Einzelteile zulässt. Das Design ist zeitlos und funktional.

Der «boum» von Moritz Limacher, ausgestellt an der Vernissage.

So sieht er aufgestellt…

… und so in der Verpackung aus.

Das gewisse Etwas

Der Studiengang HF Produktdesign existiert noch nicht lange und richtet sich an gestalterisch-handwerkliche Berufsleute, die berufsbegleitend studieren wollen – auch ohne Matura. Das Ziel ist die Entwicklung von Sinn-vollen Produkten für den Alltag. Doch was macht ein gutes Produkt eigentlich aus? Moritz Limacher sagt, «Ein Produkt braucht eine gute Daseinsberechtigung. Es wird also in der Welt tatsächlich gebraucht und ist so gestaltet, dass es verstanden und benutzt wird.» Andrea Gerber ist seit langem in der Herstellung und Beschaffung tätig. Sie meint: «Für mich ist gutes Produktdesign, wenn alle Schritte entlang der Wertschöpfungskette beachtet und mitgestaltet werden. So erhält das Produkt eine Seele und eine Geschichte.» Für Danielle Andraschko soll ein Produkt in der Form gut erfassbar sein, bei näherem Betrachten sollten sich weitere Details in Form und Funktion offenbaren, die dazu einladen, sich lange mit dem Produkt zu befassen. «Als drittes kommt eine Metaebene hinzu: ein wirklich gutes Produkt hat irgendwo einen versteckten Twist, eine interessante Geschichte oder Eigenwitz bzw. Selbsthumor. Erst diese Komponente macht Produkte zu Herzensobjekten.»

Wer sich für den Studiengang interessiert, findet hier weitere Informationen.

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