Tom Dixon frühstückt immer zweimal. So auch an diesem Morgen im Restaurant des Charles Hotel in München. Für sein zweites Frühstück bestellt er Weisswürste, eine seltene Ausnahme von seiner vorwiegend vegetarischen Ernährung. Aber wenn es darum geht, etwas Neues zu probieren, ist Dixon nicht dogmatisch. Seit Beginn seiner Karriere hat er stets gewusst, Gelegenheiten zu nutzen und selbst vermeintliche Missgeschicke in Chancen für sich umzumünzen. Im Grunde genommen kam er so überhaupt zum Design.
In den frühen 1980er-Jahren feierte der junge Dixon erste Erfolge als Bassist mit seiner Band Funkapolitan, als er sich bei einem Motorradunfall den Arm brach, keine Gitarre mehr spielen konnte und begann, aus Altmetall Möbel zu schweissen. London befand sich damals im Umbruch. Die Industrie wanderte ab, Fabriken und Werkstätten wurden abgerissen oder in Luxuswohnungen umgewandelt. «Altmetall war überall verfügbar», erinnert sich Tom Dixon.
Zwischen Bauhaus und Postmoderne
Diese frühen Entwürfe waren roh und ungeschliffen, zeigten aber schon sein untrügliches Gespür für Material und Form und schufen eine Nische zwischen Bauhaus und Postmoderne: «Plötzlich war da ein Stil, der sich von allem unterschied, was man damals als Design verkaufte.» Dixon fertigte zunächst Auftragsarbeiten für Bekannte aus der Londoner Clubszene, darunter die damals noch unbekannten Vivienne Westwood und Paul Smith, bis der italienische Luxushersteller Cappellini 1991 seinen «S»-Stuhl verlegte. Damit betrat der Autodidakt die internationale Designbühne – und blieb.
Es folgten Engagements als Kreativdirektor für Habitat und Artek, 2002 gründete er sein eigenes Label. Seither hat er totgeglaubte Einrichtungsgegenstände wie den Ohrensessel («Wingback») oder den Lüster («Melt Burst Chandelier») mit Coolness versehen und Leuchten mit glänzend-schimmernden Oberflächen aus Messing und Kupfer entworfen, die mit ihren Lichteffekten und Reflektionen jedem noch so kleinen Raum Grandezza verleihen. Zuletzt hinzugekommen sind die Portables, eine tragbare LED-Version seiner erfolgreichsten Serien «Melt», «Stone», «Bell» und «Mirror Ball» mit aufladbaren Akkus, die sich drinnen wie draussen einsetzen lassen.
Immer für Überraschungen gut
Jetzt sitzt Dixon in München, blickt auf den Alten Botanischen Garten und trinkt anstatt des traditionellen Weissbiers zum Weisswurstfrühstück einen Cappuccino. Deutschland ist sein aktuell am stärksten wachsender Markt. Ein weiterer Standort zusätzlich zur Design Post in Köln ist im Gespräch, womöglich in München. Welche Form die Präsenz annimmt, ist aber noch völlig offen: «Es könnte ein Restaurant mit angeschlossenem Laden sein oder eine Wohnung, die wir einrichten und über Airbnb vermieten. Was zählt, ist zu überraschen.» Anstatt in einer sterilen Showroom-Umgebung sieht Dixon seine Entwürfe lieber im Gebrauch.
«Plötzlich war da ein Stil, der sich von allem unterschied, was man damals als Design verkaufte.»
Zu seinem Londoner Hauptquartier im historischen Coal Office gehört seit Jahren ein eigenes Restaurant, wo Gäste auf seinen Stühlen im Schein seiner Leuchten speisen. 2019 folgte The Manzoni in Mailand. Hier kann er prüfen, was ankommt und was nicht. Für welches Konzept er sich auch entscheidet, nach diesem Vormittag ist eines gewiss: Sollte die Wahl auf ein Tom-Dixon-Restaurant in München fallen, werden Weisswürste eher nicht auf der Karte stehen.
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