Nachruf Ricardo Scofidio (1935–2025)

Ein Leben für die Transformation des urbanen Raums

Porträt von Ricardo Scofidio in einem schwarzen Rollkragenpullover vor beigem Hintergrund

Ricardo Scofidio, wegweisender Architekt und Mitbegründer des renommierten Büros Diller Scofidio + Renfro (DS+R), ist am 6. März 2025 im Alter von 89 Jahren verstorben. 

Geboren 1935 in New York City, studierte Ricardo Scofidio Architektur an der Cooper Union und später an der Columbia University. An der Cooper Union, wo Scofidio im Anschluss als Professor lehrte, traf er Elizabeth Diller. Nach dem Ende des Lehrer-Schüler-Verhältnisses wurden die beiden nicht nur Partner im Leben, sondern auch in der Architektur. 1979 gründeten sie ihr gemeinsames Büro. Ihre Arbeit zeichnete sich von Beginn an durch eine experimentelle Haltung aus, die Architektur, Kunst und Performance miteinander verknüpfte. Charles Renfro trat 1997 dem Studio bei, wodurch die heutige Formation DS+R entstand.

Besonders sichtbar wurde der Einfluss von DS+R im Westen Manhattans: Die Umgestaltung der High Line — in Zusammenarbeit mit James Corner Field Operations und Piet Oudolf — verwandelte zwischen 2009 und 2014 eine verlassene Eisenbahntrasse in einen vielbesuchten, linearen Park und setzte Massstäbe für urbane Erneuerungsprojekte weltweit. Unweit davon entstand The Shed, ein flexibles Kunstzentrum, das mit seiner beweglichen Hülle architektonische und kulturelle Grenzen gleichermassen herausfordert. Auch die Neugestaltung des Lincoln Center, die eine bessere Verbindung von öffentlichen und kulturellen Räumen schuf, zählt zu den Schlüsselwerken des Studios.

Zwischen 2009 und 2014 verwandelten Diller Scofidio + Renfro die verlassene Eisenbahntrasse der High Line in New York in einen urbanen Rückzugsort, der mit Kunstinstallationen und Naturflächen die Stadtlandschaft neu erlebbar macht.

Mit der Neugestaltung des Lincoln Center für darstellende Künste in New York City schuf Diller Scofidio + Renfro einen einladenden, öffentlichen Raum, der die kulturelle Bedeutung des Ortes hervorhebt und die Verbindung zwischen Kunst und Architektur fördert.

Zwischen 2009 und 2012 wurde die öffentlichen Räume, die Juilliard School, die Alice Tully Hall und die School of American Ballet des Lincoln Centers in New York renoviert und aufgefrischt. 

«Traffic», das Gewinnerprojekt eines Wettbewerbs von 1981, schlug vor, die Verkehrsinseln am Columbus Circle in New York mit orangefarbenen Verkehrskegeln in einem Raster anzuordnen, um die funktionale Nutzung des urbanen Raums zu betonen. 

Für das 2015 fertiggestellte The Broad Museum in Los Angeles kombinierten DS+R eine innovative, schwebende «Veneer»-Fassade mit offenen, lichtdurchfluteten Ausstellungsräumen, um eine einzigartige, zeitgenössische Museumserfahrung zu bieten.

Über 40 Jahre lang entwickelte DS+R visionäre Entwürfe, die sich nicht auf reine Bauwerke beschränkten. Ihr umfangreiches Werk wurde zuletzt im Band «Architecture, Not Architecture», herausgegeben von DS+R, zusammengefasst. Mit rund 2000 Abbildungen und fast 800 Seiten lädt es die Leser:innen ein, die Grenzen der Architektur neu zu denken. Neben Fotografien renommierter Architekturfotografen wie Iwan Baan und Matthew Monteith enthält das Buch auch Dialoge zwischen den DS+R-Partnern und kreativen Vordenker:innen wie dem Künstler Edmund de Waal, dem Kurator Hans Ulrich Obrist oder der Designkuratorin Paola Antonelli.

Ricardo Scofidios Vermächtnis lebt nicht nur in seinen Gebäuden, Büchern und Ausstellungen weiter, sondern auch in den Menschen, die mit ihm gearbeitet und von ihm gelernt haben. In einer offiziellen Erklärung würdigte DS+R seinen Einfluss: «Ric hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf unsere Architekturpraxis und gründete das Studio mit der Mission, Raum zu seinen eigenen Bedingungen zu schaffen.» Ricardo Scofidio hinterlässt seine Lebens- und Arbeitspartnerin Elizabeth Diller sowie seine vier Söhne Ian, Gino, Marco und Dana aus erster Ehe. Sein Name wird untrennbar mit der architektonischen Avantgarde New Yorks verbunden bleiben – als Visionär, der die Disziplin stets herausforderte und neu definierte.