
Die Neumühlebrücke ist als schützenswertes Baudenkmal im kantonalen Bauinventar erfasst.
Jedes Jahr lobt die Denkmalpflege des Kantons Bern neben dem Denkmalpflegepreis auch einen Spezialpreis aus. Dieses Jahr würdigt die Fachkommission für Denkmalpflege das Engagement aller Beteiligten, die den Fortbestand einer Brücke ermöglicht haben, deren Bedeutung erst erkannt wurde, als sie vorübergehend geschlossen werden musste.
Kühne Eisenbetonkonstruktion – die Neumühlebrücke
Die Neumühlebrücke wurde von Ingenieur Max Schnyder (1877–1965) 1914 in der damals noch neuartigen «Eisenbeton-Bauweise» entworfen. Schnyder wurde nach der Ausbildung an der ETH Zürich und beruflichen Stationen in Frankreich, Bern, Aarau und Lemberg 1906 Professor am kantonalen Technikum Burgdorf. Bis 1946 bildete er eine Generation von Ingenieuren in Baustatik, Eisenbeton- und Stahlbau sowie Brückenbau aus und prägte den Ingenieurbau im Schweizer Mittelland. Schnyder realisierte zahlreiche Bauwerke, insbesondere Getreidesilos und Brücken. Die Neumühlebrücke darf als wertvollste und kühnste Brücke von Max Schnyder und als eine der originellsten Brücken aus der Zeit des Eisenbetonbaus in der Schweiz und in Europa bezeichnet werden.
Ein nachhaltiger Brückenschlag
Seit über 100 Jahren verbindet die Neumühlebrücke das Dorfzentrum Lauperswil mit der Bahnstation und dem Ortsteil Neumühle. Die grosse Bedeutung des Übergangs wurde deutlich, als die Brücke wegen ihres schlechten Zustands im November 2023 geschlossen werden musste. Dies führte zu längeren Schulwegen und Umwegen über die Nachbarsbrücken. Der Unmut in der Bevölkerung war gross. Der Gemeinderat von Lauperswil stand vor der schwierigen Aufgabe, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden und möglichst rasch eine tragfähige Lösung zu präsentieren. Verschiedene Amtsstellen hatten ihre Fachmeinung einzubringen: Im Auftrag der Denkmalpflege und des Bundesamts für Kultur untersuchte der Bundesexperte Eugen Brühwiler die Brücke. Da aus seiner Sicht keine statische Überbeanspruchung erkennbar war, befand er eine Instandsetzung als machbar.
Die rettende Idee: Ballast entfernen
Brühwiler schlug eine rasch umsetzbare, kostenbewusste und denkmalverträgliche Instandsetzung vor und vermochte damit die Gemeinde zu überzeugen: Durch das Entfernen der unnötig dicken Kies- und Asphaltschicht aus einer früheren Auffrischung wird das Brückentragwerk entlastet, womit sich sein Tragvermögen entscheidend erhöht. Eine neue, dünn aufgetragene Belagsschicht aus einem hochleistungsfähigen, innovativen Baustoff schützt und verstärkt die ursprüngliche Brückenplatte aus Eisenbeton, ohne die Brücke mehr zu belasten. Bei der baulichen Umsetzung liefen alle Fäden beim Ingenieurbüro Edgar Kälin, Einsiedeln, zusammen. Der straffe Kosten- und Zeitplan konnte eingehalten werden: 2024, ein Jahr nach der Schliessung der Brücke, waren die Bau- und Belagsarbeiten abgeschlossen. Unter teils widrigen Wetterbedingungen wurde anschliessend der Verputz gereinigt und wo nötig ergänzt. Rund 90% des Originalputzes blieben erhalten, Retuschen wurden in Handarbeit mit historischen Mischungen neu aufgetragen und sorgfältig angeglichen.
Das erfolgreiche Ergebnis zeigt, dass selbst bei einer komplexen Ausgangslage dank der engagierten und pragmatischen Zusammenarbeit aller Beteiligten ein «Brückenschlag» zu nachhaltigen Lösungen führen kann. Die Arbeitsgruppe der Gemeinde Lauperswil war offen für neue Lösungen und für den Austausch mit den Fachstellen. Ideenreichtum und Überzeugungskraft des Bundesexperten führten zu einem bestechend einfachen Erhaltungskonzept, das von den planenden und ausführenden Unternehmen tadellos umgesetzt wurde. Die Kosten konnten – verglichen mit einem Neubau – mehr als halbiert und durch finanzielle Beiträge zusätzlich reduziert werden. Der Ressourcenverbrauch war minimal: Nahezu die gesamte im Bauwerk gespeicherte graue Energie bleibt erhalten und wird weiter genutzt. Die Brücke wird ihren Zweck als Emme-Übergang für Menschen und Fahrzeuge weitere 100 Jahre erfüllen.
Ein Interview mit Bundesexperte Eugen Brühwiler zur Neumühlebrücke lesen Sie hier.

Die Brücke ist ein Beispiel für die Nachhaltigkeit unserer Baukultur. Sie wird ihren Zweck als Emme-Übergang für weitere 100 Jahre erfüllen.
Denkmalpflegepreis und Spezialpreis des Kantons Bern
Die Denkmalpflege des Kantons Bern zeichnet mit dem Denkmalpflegepreis eine Bauherrschaft aus, die ein Baudenkmal mit Alltagsnutzung in Zusammenarbeit mit der Fachstelle sorgfältig restauriert und weiterentwickelt hat. Auch weniger beachtete, auf den ersten Blick unspektakuläre Baudenkmäler rücken in den Fokus: Aus architektonischer, geschichtlicher oder technischer Sicht sind sie oftmals sehr interessant und prägen die Identität unserer Dörfer und Städte genauso stark wie Herrschaftsbauten oder Kirchen. Der Denkmalpflegepreis würdigt das Engagement der Beteiligten, den respektvollen Umgang mit dem Baudenkmal und innovative Lösungen. Im Vordergrund steht die Werterhaltung, nicht die Wertvermehrung. Mit einem angemessenen Budget soll Wohn-oder Nutzungsqualität erhalten, optimiert oder geschaffen werden. Anders als der Hauptpreis richtet der Spezialpreis das Augenmerk generell auf die beispielhafte Restaurierung eines bedeutsamen Baudenkmals oder auf spektakuläre, aufwendige Einzelmassnahmen. Zur Auswahl steht die ganze Palette möglicher Bautypen, also Kirchen, Schlösser, Gasthöfe, Bahnhöfe oder Industriebauten ebenso wie Wohnhäuser oder Villen. Die Fachkommission für Denkmalpflege ist als externe Jury für die Wahl des Spezialpreises zuständig und bringt eine wichtige Aussensicht ein. Die beiden Anerkennungspreise zeigen auf, über welchen kulturellen Reichtum der Kanton Bern vom Jura bis ins Oberland verfügt und was im Bereich der Kulturpflege geleistet wird – insbesondere von privaten und öffentlichen Bauherrschaften, Architektinnen und Architekten sowie Bauschaffenden.