Paris-Shanghai-Express

Duplex-Appartment in Paris

ein oranger Sessel und ein grüner Beistelltisch vor einem Kamin

Faltig und voluminös – der orange Sessel von Maison Dada heisst nicht umsonst «Sumo».

South of Pigalle, kurz SoPi, heisst die bei der bürgerlichen Bohème beliebte Wohngegend, die sich in den letzten zehn Jahren zu einem der angesagtesten Viertel von Paris transformiert hat. Hier, nahe der Place Saint-Georges, hat die Unternehmerin und CSR-Beraterin Delphine Moreau die ehemalige Atelierwohnung eines Künstlers zu einem aussergewöhnlichen Duplex-Apartment umgestaltet, dessen expressiver Stil in keine Schublade passt.

Herzstück der 180 Quadratmeter grossen Familienresidenz ist der sechs Meter hohe Wohn- und Essbereich, der mit riesigen angeschrägten Atelierfenstern und einer organisch geschwungenen Treppe und Mezza­ninfront aufwartet und in dem sich eine Farbexplosion aus Seladongrün, Himbeer, vibrierendem Orange und leuchtendem Blau entfaltet, mit bauchigen, runden und voluminösen Möbeln und Accessoires, die der geraden Linie und dem Minimalismus eine fröhliche Absage erteilen. Dass die meisten von Maison Dada sind, ist kein Zufall: Delphine war in Shanghai Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Unternehmens, das 2016 nach Paris umsiedelte.

 

hoher Raum mit Glasfassade und bunter Möblierung

Der sechs Meter hohe ehemalige Atelierraum ist in der Farbe Terre d’Orient (Argile) gestrichen und wird bekrönt vom Lüster «Chandelier 08» (Magic Circus Editions). Sofa «Major Tom», die Keramik-Couchtische «Ousmane» und «Mira» sowie der Teppich «Jardin de Rocaille» sind von Maison Dada.

eine kräftig blaue Küche

Die unter dem Mezzanin installierte Küche kontrastiert das Fez-Blau (Perene) mit einer Theke aus gebürstetem Kupfer, die von einer Säule aus poliertem Palisanderholz getragen wird.

«In dieser Wohnung stecken all die Inspirationen und Etappen, die mein Leben geprägt haben.»     

Designer und Innenarchitekt Thomas Dariel, ihr ehemaliger Geschäftspartner, half ihr, dem abgewohnten und verschachtelten Künstlerzuhause neues Leben einzuhauchen: «Es blieb hier kein Stein auf dem anderen», erzählt Delphine. «Wir haben Wände herausreissen lassen und den Grundriss komplett verändert und geöffnet. Die Bauarbeiten dauerten fast ein Jahr.» Sie hatte präzise Vorstellungen davon, wie ihr neues Zuhause in Paris nach der Renovierung aussehen sollte: «Ich wollte keinesfalls in einem kühlen Loft wohnen, sondern in einem warmen und vor allem farbenfrohen Ambiente, das mit Formen und Texturen spielt. Eine besondere Herausforderung dabei war, das Volumen des hohen Atelierraums auf ein wohnliches, behagliches Mass einzuhegen.» Das ist wahrlich gelungen.

Auf der vierten Etage des Gebäudes von 1792 befinden sich heute der Eingang zum Wohn-, Koch- und Essbereich, von dem das Elternschlafzimmer mit dem Master-Badezimmer abgeht, und das Kinderzimmer für die Tochter. Neben der Eingangstür im Vestibül führt eine knallblaue Wendeltreppe zu einem kleinen, abgetrennten Gästebereich mit Duschbad im oberen Teil der Wohnung, in dem sich auch das Zimmer für ihren älteren Sohn befindet. Der erhabene Mezzanin, den Delphine als Büro nutzt, thront über der offenen Küche und dem Essbereich. «Von meiner Kommandobrücke habe ich immer alles im Blick», lacht sie.

Der Beistelltisch «Ousmane N˚2» sowie die Kerzenhalter aus der Serie «Paris Memphis» (alles von Maison Dada) sind stilsicher kombiniert mit Erinnerungsstücken aus Shanghai.

Das Sideboard «Ying-Yang» sowie die Tischleuchte «Little Eliah» sind ebenfalls von Maison Dada.

Das Elternschlafzimmer wird geprägt von starken Farben und geometrischen Formen. (Wandleuchte «Lederam W» von Catellani & Smith)

Der Nachttisch «Stand by Me» und die Leuchte «Dali Divina», beides von Maison Dada, passen perfekt ins Ambiente.

2007 folgte Delphine Moreau ihrem Mann aus beruflichen Gründen nach Shanghai. Zuvor arbeitete sie in der Pariser Theater-, Kunst- und Jazzwelt und war als Kulturbeauftragte für das französische Aussenministerium tätig. «In dieser Wohnung stecken heute all die Inspirationen und Etappen, die mein Leben geprägt haben», sagt sie. Wer bei dem leuchtenden Royalblau, das überall in der Wohnung aufblitzt, an den Garten Majorelle in Marrakesch denkt, täuscht sich nicht: «Ich spreche fliessend Arabisch, der Maghreb ist mir ebenso vertraut wie der Iran, wo mein Bruder lebt.» Die Vorliebe für die bauchigen 1930er-Jahre-Formen, wie sie im Treppenaufgang und im Mezzanin oder in dem Palisanderholz-Stützpfeiler unter der Küchentheke zu finden sind, sowie für die grafische Farbgeometrie, die sie für die Schlafzimmerwände wählte, hat sie aus den historischen Art-déco-Gebäuden in Shanghai mitgebracht: «Eine Stilepoche, die ich erst dort richtig entdeckte.»

Dort lernte sie als Expat schnell ihren Landsmann Thomas Dariel kennen, der gerade begonnen hatte, sich als Inneneinrichter für eine junge und reiche chinesische Elite zu empfehlen, die mit Bauhaus-Dogmen und Pantone-Paletten nichts anzufangen wusste, sondern einen funky eigenen Stil suchte. Gemeinsam machten Delphine als Geschäftsführerin und er als kreativer Kopf erst das Dariel Studio gross, aus dem sie schliesslich die Möbelmarke Maison Dada entwickelten. «Damals war westliches Möbeldesign in China noch nicht so leicht erhältlich wie heute», sagt Delphine. «Wir mussten zwangsläufig selbst entwerfen und vor Ort produzieren lassen. So kamen wir auf die Idee, die erfolgreichen Einzelstücke für unsere Kunden auch in Serie zu produzieren.»

 

Eine Leuchte im Raum, die Lehne von einem bunten Stuhl und ein blaues Regal

Das Büro befindet sich hoch über dem offenen Wohnbereich. Neben dem Schreibtisch befindet sich eine Sitzecke mit «Tropicalia»-Sesseln von Moroso, die schwarze Hängeleuchte «Object of Discussion» ist von Maison Dada.

Nach fast zehn aufregenden Boomjahren in China bekamen sie und ihr Mann Heimweh. «Wir wollten ausserdem unsere dort geborenen Kinder lieber in Frankreich aufwachsen sehen – und gleichzeitig als Unternehmen auch auf den europäischen Markt expandieren», sagt Delphine. Die spielerischen, ausgefallenen Maison-Dada-Möbel, die Accessoires und die Teppiche mit tanzenden, abstrakten Mustern, auf denen die moderne Kunstgeschichte von Expressionismus bis Dadaismus spazieren gegangen zu sein scheint, kommen heute auch im Rest der Welt gut an – und werden zunehmend in Europa produziert.

«Es blieb hier kein Stein auf dem anderen. Wir haben Wände herausreissen lassen und den Grundriss komplett verändert und geöffnet.»

Reminiszenzen an ihre Shanghai-Zeit sind heute in der ganzen Wohnung zu finden: Kunstvoll verschnörkelte schwarze Keramik­urnen aus China dienen als Dekoobjekte neben dem Kamin; auf der Altarkonsole aus der Qing-Dynastie hinter dem Esstisch treffen sich chinesische Blau-Weiss-Keramiken mit der «Tahiti»-Lampe von Ettore Sottsass – einer Ikone der Memphis-Bewegung – und  Kerzenleuchtern von Maison Dada. Vor allem die Kunst an den Wänden ist eine Sammlung von Werken bedeutender zeitgenössischer chinesischer Fotografen wie Chen Wei, Lu Jun oder Yang Fudong, der in seinen nostalgischen Schwarz-Weiss-Bildern sowohl den ersten kolonialen Boomjahren Shanghais in den 1920er- und 1930er-Jahren wie auch dem amerikanischen und dem französischen Film noir huldigt. «Als wir nach Shanghai kamen, gab es wieder diese unglaublich inspirierende Aufbruchszeit», sagt Delphine. «Und ich hatte das Glück, viele dieser Künstler vor Ort kennenzulernen, bevor sie international Karriere machten.» Ihr Duplex-Apartment in Paris ist eine filmreife Erzählung, wie sich Ost und West gegenseitig befruchten können.

www.maisondada.com

www.darielstudio.com

hoher Raum mit Glasfassade und bunter Möblierung, Titelbild

Die aktuelle Ausgabe von Das Ideale Heim ist jetzt am Kiosk erhältlich.