Dieser Ort wird von Einheimischen auch das kleine Hawaii genannt. Kein Wunder – steht man nämlich im üppigen Garten von Marie Dautruche im Waadtland fühlt man sich ganz weit weg und doch ganz nah mit der Natur verbunden. Vom Garten aus hat man einen wundervollen Blick über die Schweizer Riviera des Genfersees und das umliegende Bergpanorama. Seit zwei Jahren wohnt Marie hier auf 25 Quadratmetern in einem «Tiny House» und zelebriert den nomadischen Minimalismus. Jedes Möbelstück, jedes Objekt in diesem Haus hat eine besondere Bedeutung für die Bewohnerin und eine eigene Geschichte. Der einzige Luxus, den sie sich heute gönnt, ist ein umfassendes Sportequipment: Marie Dautruche ist begeisterte Wassersportlerin und gehört zu den Top 40 im SUP (Stand up Paddling). Vor ein paar Jahren hat die damals 37-Jährige ihren Job in der Medienbrache aufgegeben und ist nach Hawaii gereist. Dort hat sie den minimalistischen Lifestyle adaptiert und pendelt seither zwischen der Schweiz und dem nahen Ausland – immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer.
Du lebst in einem kleinen Haus, war das immer dein Traum?
Marie Dautruche: Nein, bis vor ein paar Jahren lebte ich in einer sehr grossen, modernen Wohnung mit Sicht auf den See und die Berge. Vor drei Jahren habe ich meinen Lebensstil komplett gerändert, habe mit Wassersport angefangen und verliebte mich ins Meer. Das hat alles verändert und seither verbringe ich mehr Zeit auf Reisen als zu Hause.
Wie kam es zu dieser Lebensumstellung, warst du nicht mehr glücklich?
MD: Doch, ich glaube einfach, das ist das Leben. Ich war 37 Jahre alt, als ich anfing mein Leben umzustellen. Zuvor war ich im Medienbereich tätig. Ich arbeitete für verschiedene Magazine, reiste viel und hatte einen schönen Lifestyle. Ich liebte meinen Job, aber ich arbeitete sehr viel – und irgendwann musste ich auch an mich denken.
Was hat dich dazu inspiriert?
MD: Ich gründete damals ein Label für Sportkleidung und ging nach Hawaii, um Inspiration zu bekommen. Dort traf ich auf Wassersportler und war begeistert von ihrem minimalistischen Lifestyle. Surfer brauchten nichts ausser dem Meer, gutem Essen und Schlaf.
Was gefällt dir heute am Wohnen auf kleinstem Raum?
MD: Es ist ein schöner Kontrast zum Reisen. Wenn ich am Meer bin, bin ich ständig unterwegs. Zu Hause liebe ich es kompakt und gemütlich.
Wie kamst du zu diesem Haus?
MD: Dafür muss ich ein wenig ausholen. Vor zwei Jahren traf ich in Tarifa am Strand auf einen Schweizer Windsurfer und Künstler. Zurück in der Schweiz lud er mich zu seiner Ausstellung ein. Damals suchte ich eine neue Wohnung, die meinen Anforderungen von Minimalismus entsprach, denn es machte für mich keinen Sinn mehr, in einer grossen Wohnung zu leben, wenn ich nur vier Tage im Monat zu Hause bin. Ich erzählte ihm dies und er sagte, er habe ein kleines Haus in seinem Garten. Damals wohnte ein Yogi darin, der ausziehen wollte. Ich hatte sofort ein gutes Gefühl dabei und so bin ich da eingezogen.
Woher kommen deine Möbel und Objekte?
MD: Ich liebe natürliche Materialien und ich habe viele Erinnerungsstücke von Reisen. Jedes Möbel, jeder Teller, jedes Objekt hat für mich eine Bedeutung.
An welchem Möbel oder Objekt hängst du besonders und warum?
MD: Ich hege eine besondere Vorliebe für spezielle Teller – jeder hat seine eigene Geschichte.
Was ist deine Lieblingsgeschichte?
MD: Ich hab eine kleine Bowl, die ich vor drei Jahren in Marokko kaufte. Ich habe damals meine Eltern – sie sind 75 Jahre alt – auf ihrer Reise durch Marokko besucht. Die grüne Bowl ist eine schöne Erinnerung, weil das wahrscheinlich die letzte Reise mit meinen Eltern war.
Auf welchen Gegenstand könntest du nie verzichten?
MD: Auch das ist eine Bowl, allerdings aus einer halben Kokosnuss, die ich auf Maui Hawaii gekauft habe. Die Grösse ist perfekt für Porridge, Reis oder was immer ich gerade esse. Sie begleitet mich auf allen Reisen. Als ich sie einmal auf einem Campingplatz vergessen hatte, habe ich darauf bestanden, dass sie mir zurückgesendet wird.
Was vermisst du auf Reisen?
MD: Ich brauche meinen Stil, um mich wohlzufühlen. Ich übernachte deshalb nicht gerne in anonymen oder schlecht eingerichteten Wohnungen. Ich habe dann immer kleine Dinge von zuhause dabei, wie etwa meine Kokos-Bowl, um morgens aus einer schönen Schale essen zu können.
Was machst du gerne, wenn du zuhause bist?
MD: Ich verbringe gerne Zeit auf meinem Sofa und schaue Netflix.
Wohin fällt der Blick aus deinem Schlafzimmer?
MD: In meinen Garten und auf den See. Die Szenerie verändert sich täglich. Nur im Winter ist alles mit Schnee überdeckt und man hat jeden Tag das Gefühl, es sei Weihnachten.
Bezeichnest du deinen Lebensstil als minimalistisch?
MD: Ich denke Minimalismus definiert jeder für sich anders – für mein Verständnis ja. Früher zum Beispiel hatte ich eine grosse Kollektion von Louboutin Schuhen, heute brauche ich diese nicht mehr. Ich habe eine schöne Uhr, eine Tasche und Schuhe, wenn ich in der Schweiz bin und zum Essen eingeladen bin. Aber ich will mir keine neuen Dinge mehr anhäufen. Ich nutze heute das, was ich bereits habe. Ich gönne mir aber Sportequipment, abgesehen davon habe ich alles.
Wie sieht ein normaler Tag bei dir aus?
MD: Als erstes checke ich die Seite Windguru und studiere die Wetterlage. Dann arbeite ich morgens als Freelancer an verschiedenen Projekten und verbringe den Nachmittag auf dem Wasser. Je nach Wetter gehe ich mit dem SUP oder Wing Foil raus.
Welche Sportarten machst du zurzeit?
MD: Ich habe kürzlich mit Wing Foil angefangen: Man surft damit über den Wellen. Es ist das Verrückteste, was ich je ausprobiert habe – es ist wie fliegen. Man ist vollkommen mit den Elementen Wasser und Wind verbunden. Zudem bin ich viel mit meinem SUP und dem Prone Paddleboard im Wasser.
Hast du eine Morgen-Routine?
MD: Ja, ich bin unter der Woche wegen des Sports sehr strikt mit meiner Ernährung. Am Wochenende geniesse ich ein ausgiebiges Frühstück mit einem Latte Macchiato und mache dazu Pancakes oder Crêpes.
Was bedeutet für dich Freiheit?
MD: Für mich bedeutet Freiheit, Zeit zu haben für mich und meinen Tag so gestalten zu können, wie ich es mir vorstelle. Nicht an Dinge gebunden zu sein und die Möglichkeit zu haben, jeden Tag an einen anderen Ort zu reisen. Und natürlich das Fliegen auf dem Board.
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