Die Gentrifizierung hat im Zürcher Kreis 3 längst Einzug erhalten, so säumen immer mehr Bars, Restaurants und Delikatessenläden die Badenerstrasse ums Lochergut. Wir treffen die Chefredaktorin von meter magazin, Carina Iten, im vierten Stockwerk eines neusanierten Wohnhauses. Auf den ersten Blick fallen die hohen Bücherstapel, die rote Küche und das blaue Sofa auf. Eine ungewohnte Farbkombination, die überraschend harmonisch wirkt. «Ein glücklicher Zufall», wie es Carina kommentiert, «ich habe das blaue Sofa bereits vor Einzug gekauft, ohne zu wissen, dass die Küche rot werden würde». Auf dem Fenstersims und Ablageflächen sammeln sich weitere Bücher, Kristalle, Kerzen und Wohnaccessoires, die dem Raum eine geheimnisvolle Aura verleihen. Wache Augen entdecken immer wieder neue Details wie etwa eine goldene Ananas oder ein Bild der vier Mondphasen. «Das war ein Geschenk einer Freundin, meine Wohnung ist ein Sammelsurium aus Erinnerungsstücken», sagt Carina. Viele Wohnaccessoires hat sie von Reisen nach Hause gebracht, anderes stammt vom Flohmarkt und vereinzelte Sachen auch von Designshops wie Bolia. In der Küche hängt eine Postkarte mit dem Spruch: don’t cry, work, work, work, work, work. Ihr Motto? «Nicht wirklich, aber die Karte erinnert mich, nicht im Strudel meiner Gedanken und Gefühle unterzugehen, sondern den Fokus auf das Wesentliche zu richten – auch wenn ich jemand bin, der sehr bewusst Pausen einlegt und diese auch braucht».
Was hat dich überzeugt in diese Wohnung einzuziehen?
CI: Die Wohnung liegt direkt beim Lochergut, ich wohne bereits seit 7 Jahren in diesem Quartier und ich fühle mich hier extrem wohl. Dazu kommt, dass Bars, Restaurants und Shops in unmittelbarer Nähe liegen – nur die Natur vermisse ich mit jedem Jahr ein bisschen mehr.
Wo würdest du heute wohnen, wenn es diese Wohnung nicht gäbe?
CI: Womöglich in einem Haus in der Nachbarschaft, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in einem anderen Kreis oder gar in einer anderen Stadt wohnen würde. Ausser in einer Wohnung mit Blick auf die Limmat, da würde ich sofort einziehen.
Wo in der Wohnung verbringst du am meisten Zeit und womit?
CI: Zurzeit an meinem Esstisch, da er während der Lockdown-Phase zu meinem Arbeitsplatz umfunktioniert wurde. Ansonsten auf meinem Sofa – dort lese ich, meditiere, höre Musik, esse oder trinke mit Freunden ein Glas Wein.
Welches ist dein Lieblingsmöbel?
CI: Meine Bücherregale, ich mag die bunten Buchrücken und all die Geschichten, die darin verborgen sind. Zudem sorgen sie immer für Gesprächsstoff, Gäste sprechen mich früher oder später immer auf die Bücherregale an.
An welchem Möbel hängst du besonders und warum?
CI: Das ist eine alte Holztruhe, die in meinem Wohnzimmer steht. Es ist ein Erbstück meiner Grosseltern. Zudem ist es nützlich, um alle Dinge, die keinen festen Platz haben, darin zu verstauen.
Wohin fällt der Blick aus deinem Schlafzimmer?
CI: Auf die Dächer der Nachbarschaft, den Prime Tower und wenn ich Glück habe auf den kitschig rosa-violetten Abendhimmel. Wenn ich den Blick senke auf die graue Badenerstrasse und vorbeifahrende Trams.
Was hortest du in deinem Keller?
CI: Viele Kisten voller Wein, mein Vater bringt bei fast jedem Besuch Wein mit. Ansonsten Kleider, Schuhe, Gartenutensilien, Wäschemittel und Dinge von deren Existenz ich wohl nicht mal mehr etwas weiss…
Welcher Raumduft passt am besten zu dir?
CI: Ich mag herbe Düfte mit einem raffinierten Twist wie die Raumsprays von Aesop «Pink Pepper, Lavender and Tobacco» oder «Geranium, Incense and Patchouli».
Welcher Wohntrend geht für dich gar nicht?
CI: Ich richte mich selten nach Trends, aber die ganze Bronze-Geschichte hat mich nie begeistert.
Hast du einen Lieblingsdesigner*in?
CI: Ich mag alles von Jaime Hayon. Seine verspielten und farbenfrohen Entwürfe versprühen eine erfrischende Leichtigkeit und machen Freude – und sie geben einen willkommenen Gegentrend zu schlichten und eintönigen Wohnwelten. Übernachten Sie einmal im Barceló Torre de Madrid, dann wissen Sie was ich meine.
Wenn du wählen könntest, was hättest du lieber Garten oder Dachterrasse?
CI: Eine Dachterrasse, ich bin seit jeher fasziniert vom Mond. Abends auf der Dachterrasse unter dem unverhüllten Sternenhimmel zu liegen, fände ich toll.
Stadt oder Land?
CI: Ich bin auf dem Land aufgewachsen neben Schrebergärten, weidenden Kühen und Strassen ohne Trottoirs. Heute brauche ich die Impulse in der Stadt und die Möglichkeit mich spontan abends um acht für ein Glace oder einen Kinobesuch entscheiden zu können, dass Wissen, dass meine Freunde und ein Drink in einer Bar innerhalb von ein paar Minuten erreichbar sind. Auf dem Land finde ich Ruhe, Erholung aber das Leben findet für mich in der Stadt statt. Ich habe einige Zeit in London gelebt, es zieht mich immer wieder in Grossstädte. Den Traum irgendwann mal wieder in einer Metropole zu leben, habe ich noch nicht ganz aufgegeben.
Bunt oder dezente Wohnungsgestaltung?
CI: Bunt, eine beige Wohnung wäre mir zu langweilig. Gerade wenn es draussen düster und grau ist, will ich, dass mein Zuhause das doppelt kompensiert und mich in bunter Euphorie empfängt. Das Nach-Hause-Kommen sollte sich doch jedes Mal von Neuem anfühlen, als würde man einer neuen Liebe in die Arme fallen – süss duftend nach Vanille oder Zitrone und mit zig Reizen, die kaum alle auf einmal gestillt werden können.
Echtpflanzen oder Plastikblumen?
CI: Echtpflanzen und diese am liebsten in jedem Raum.
Was machst du in deiner Wohnung, wenn du dich unbeobachtet fühlst?
CI: Nichts was andere nicht auch tun, trage Gesichtsmasken und tanze singend durch die Wohnung.
Welches Gericht kannst du ohne Rezept kochen und Gästen mit gutem Gewissen servieren?
CI: Ein cremiges Kürbisrisotto mit Salbei und Pinienkernen.
Was wird bei dir öfters benutzt, der TV oder der Backofen?
CI: Ich würde sagen da herrscht Gleichstand. Meine Leidenschaft fürs Kochen ist mindestens so gross wie für Serien wie Vikings, The Last Kingdom oder Peaky Blinders.
Welches Buch aus deiner Sammlung würdest du allen Lesern weiterempfehlen?
CI: «Me and White Supremacy» von Layla Saad und «How To Be an Antiracist» von Ibram X. Kendi.
Wie sieht dein Start in den Tag aus?
CI: Ich pflege eine strikte Morgenroutine die aus Meditation, Journaling, Lesen und Kaffeetrinken besteht. Ich nehme mir vor der Arbeit bewusst 90 Minuten Zeit nur für mich, um in Ruhe und ausgeglichen in den Tag zu starten.
Was ist das letzte, was du vor dem zu Bettgehen machst?
CI: Das Telefon auf Flugmodus stellen.