Auf Zeitreise an der Aare

Solothurner Barocktage

Solothurn lädt ein, den barocken Lebensstil zu pflegen. Man erfährt ihn bei schönem Wetter abends an der Aare und auf der Treppe zur St. Ursen-Kathedrale; in den Hotels und Gasthöfen; am Samstagsmarkt in der Stadt und in den Schlössern rund um Solothurn. Denn unter «barocker Lebenslust» versteht man, sich zu entspannen, gut zu essen und zu trinken, sich zu amüsieren – und vor allem nicht ans Morgen zu denken. Carpe diem, nutze den Tag: Das ist ein Leitspruch des Barock.

Ihren Anfang hatte die Epoche zu Beginn des 17. Jahrhunderts im katholischen Süden Europas. Der Dreissigjährige Krieg (1618-1648) wütete damals in ganz Europa. Katholiken gegen Protestanten und Protestanten gegen Katholiken. Man war gegen den König und für den Papst – oder umgekehrt. Der Barock ist deshalb eine Epoche der Gegensätze.

Blick über die Aare zum barocken Palais Besenval in Solothurn an einem sonnigen Tag mit blauem Himmel.

Unmittelbar an der Aare liegt das prächtige Palais Besenval. Das barocke Stadthaus kann auf eine über 300jährige Geschichte zurückblicken.

St. Ursen-Kathedrale

In Solothurn macht es Spass, der Barockzeit mit ihrem Menschen- und Weltbild nachzuspüren. Dominant thront die St. Ursen-Kathedrale mit barocker Fassade und Turm über den Häusern der Altstadt. Mit dem Bau der Kirche wurde 1762 begonnen; 1773, am Ende der Barockzeit, war er vollendet. Das Innere der Kathedrale ist bereits klassizistisch gestaltet. Der neue Stil ist als Gegenmodell zur verschnörkelten Kunst des Barocks zu verstehen, erkennbar an geradlinigen, schlichten und klaren Formen, die eher rationale Kühle vermitteln.

Und doch entdeckt man auch barocke Elemente: Die Hauptfassade ist zweigeschossig und im Erdgeschoss dreigeteilt. Vorgelagert ist eine monumentale Freitreppe, die mit ihren zwei Brunnen den östlichen Abschluss der Marktgasse bildet. Die originalen Prospekte, also die Schauseiten der Haupt- und der Chororgel, sind noch erhalten. Der Orgelprospekt im südlichen Querschiff ist aus Gründen der Symmetrie eine Attrappe.

Innenraum der barocken Jesuitenkirche in Solothurn mit Kirchenbänken aus Holz im Vordergrund und weissen Stuckaturen im hohen Kirchenraum im Hintergrund.

Erbaut wurde die Jesuitenkirche als barocker Einheitsraum mit beeindruckenden Stuckaturen in italienischer Manier.

Einfluss der Ambassadoren

Der solothurnische Einsatz im französischen Solddienst führte 1530 zur Niederlassung einer ständigen französischen Ambassade für die ganze Eidgenossenschaft in Solothurn. Diese Präsenz beeinflusste nicht nur die politische und gesellschaftliche Haltung der Stadt, sondern prägte auch das Stadtbild. Der Einfluss Frankreichs ist beispielsweise in der Jesuitenkirche gut spürbar. Wer die barocke Stuckatur im Kirchenschiff genauer betrachtet, stösst auf Kohlköpfe. Damit ist man nicht nur beim Samstagsmarkt, der mit der grossen, bunten Auslage geradezu barock anmutet, sondern auch bei der bildenden Kunst. Denn Kohlköpfe findet man auch im Gemälde «Die Heilige Familie im Früchtekranz» im Kunstmuseum Solothurn. Dieses Bild ist mit seiner Fülle, den Farben, den floralen Motiven und den Engelchen «voll-barock».

Italienischen Barock findet man beim Schloss Waldegg, französischen beim Schloss Blumenstein. Beides sind Sommerhäuser von Patrizierfamilien. Waldegg wurde zwischen 1682 und 1690 erbaut und diente der Familie Besenval als Sommerresidenz. Blumenstein beherbergt das Historische Museum der Stadt Solothurn.

Frontale Ansicht des weissen Barockschlosses Waldegg an einem sonnigen Tag.

Schloss Waldegg, einst Sommerhaus der Patrizierfamilie von Besenval. Es gibt Einblick in Solothurns grosse Zeit, als die Stadt Sitz der Ambassadoren des französischen Königs war.

Barock zelebrieren

Auch das Museum Altes Zeughaus, das Stadttheater, das Hotel La Couronne und die Einsiedelei in der Verenaschlucht mit ihren drei Kapellen stammen aus dem Barockzeitalter. Heute gibt es eine Barock Cafébar und sogar ein Taxi Unternehmen mit knallgelben Autos führt «Barock» im Firmennamen. Carpe diem – und auch Carpe noctem – erlebt man an der Aare. Wie Perlen auf einer Schnur reihen sich Lokale an das linksseitige Ufer der Aare in der Altstadt.

Die Zeit vergeht im Flug, wenn man durch die Gassen bummelt. Solothurn hat etwas von einer Kleinstadt – ist aber dank der Jahrhunderte langen, engen Verbindung zu Frankreich sehr weltoffen. Barock geniessen ist eine mögliche Antwort auf die Hektik unserer Zeit.

Stadtheater Solothurn: Blick von der Bühne in den Saal mit geschwungenen Galerien und roter Bestuhlung im Parterre.

Stadttheater Solothurn: Barocker Zeitzeuge und einzigartige Kulisse aus dem 17. Jahrhundert.

Solothurner Barocktage

Vom 14. bis 22. August 2021 wird in Solothurn und Umgebung «Barock» in allen möglichen Formen zu erleben sein. Auf dem Programm stehen Führungen durch barocke Baudenkmäler, Orgelkonzerte in der Jesuitenkirche und in der St. Ursen-Kathedrale sowie Barockkonzerte im Stadttheater, unter anderem mit der «Capella Cracoviensis». Ausserdem laden die Barockoper «L’incoronazione di Poppea» von Claudio Monteverdi im Schloss Waldegg, die Tanzvorführungen von «Les Soirées amusantes» und Vorführungen im barocken Fechten zum Entdecken und Geniessen ein. Besucher kommen in den Genuss von «Tarock»-Spielabenden (barockes Kartenspiel), eines barocken Nachtessens im Museum Blumenstein und verschiedenen szenischen Führungen. Im Schloss Jegenstorf findet die Jubiläumsausstellung «300 Jahre Barockschloss» statt, und auch das Schloss Thunstetten bietet Barockführungen an. Mehr Informationen: www.barocktage.ch