«Ich will die Dinge auf meine Art machen»

Atelier

Wenn man nicht wüsste, wonach man sucht, könnte man es für ein traditionelles Geschäft halten, einen Bäcker oder einen Minimarkt, aber am Ufer der Seine, mitten in Paris, im Inneren eines Eckladens sind Büro, Werkstatt und «Spielplatz» von Victoria Wilmotte.

Wilmotte, geboren 1985, studierte zunächst Innenarchitektur in ihrer Heimatstadt, verliess aber bald die vertraute Umgebung, um ihre Ausbildung an der wohl besten Designschule der Welt, dem Royal College of Art in London, fortzusetzen.

Dort besuchte sie den Studiengang Industriedesign, der ihr Leben für immer veränderte: «Während meines Studiums am RCA war ich ständig in den Werkstätten, um zu arbeiten, zu lernen und Techniken zu verstehen. Ich war fasziniert von den Prozessen, die vor der Produktion ablaufen, und das hat mich dazu inspiriert, meinen eigenen industriellen Prozess zu finden, um die Dinge auf meine Art zu machen.»

Eine Frau in einer Werkstatt

Hausarbeit 2.0: Victoria Wilmotte weiss, wo der Hammer hängt. Die Designerin hat eine innige Beziehung zu ihrem Werkzeug und ihren Maschinen.

 «Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich da angekommen bin, wo ich heute bin.»  

2008 kehrt sie nach Paris zurück und eröffnet ihr erstes Atelier. Glamourös war das allerdings nicht. «Ich fand eine Wohnung, die recht klein war, und bat meinen Bruder, mir bei dem Projekt zu helfen. Ich hatte meinen Wohn- und meinen Arbeitsbereich zusammen, was zwar sehr gut, aber nicht ideal war.

Es war definitiv zu klein.» Es dauerte nicht lange, bis sie in ihr jetziges Domizil umzog, das sowohl Atelierräume auf Strassenebene als auch die «Fabrik» darunter beherbergt – und dort werden Zaubereien vollbracht.

«Pli»: Der Beistelltisch aus Kristallglas und Edelstahl ist eine Arbeit für Classicon und erinnert an vergangene Zeiten.

Showroom: Aufgeräumt, aber nicht pedantisch. Sofort erkennt man Wilmottes Liebe für klares Design.

Überblick: Die Designerin wollte ein aufgeräumtes, neutrales Büro, in dem sie auch ihre Arbeiten präsentieren kann.

Alles vor Ort

«Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich in Bezug auf Werkzeuge und Maschinen dort angekommen bin, wo ich heute bin», lacht Wilmotte. Sie schwankt zwischen den Bezeichnungen Werkstatt und Fabrik für ihre Produktionsstätte, weil sie eben beides ist. Die gesamte Kollektion wird hier produziert, nur zum Lackieren oder Beschichten schickt sie die Stücke auswärts.

Hier ist auch der Ort, an dem sie experimentieren, mit Formen und Konzepten spielen kann. Die Maschinen sind ein wesentlicher Bestandteil des kreativen Prozesses. Vom Funken einer Idee über eine Skizze bis hin zu Schablonen kann ­ Wilmotte sämtliche Arbeitsschritte ausführen, um am Ende des Tages ein voll funktionsfähiges Stück vor sich zu haben. Alles, was sie braucht, hat sie unter einem Dach.

Eine Frau arbeitet an einem Brennofen

Gelackt: Die Designerin hat den Raum ihren Bedürfnissen angepasst und gleich noch die Maschinen aufgehübscht.

Ihre Maschinen werden mit dem Respekt behandelt, den sie verdienen, sie sind sauber und bunt, der Boden in der Werkstatt ist frei von Schmutz und Staub. «Normalerweise ist eine Metallwerkstatt schwarz, dreckig und schmutzig, also beschloss ich, meine Maschinen zu lackieren, sie quasi schön zu machen. Dieser Raum war ursprünglich nicht als Werkstatt gedacht, daher musste ich den Dingen meinen eigenen Stempel aufdrücken. Ich habe einige der Wände betoniert und eine schöne Küche eingebaut.»

«Normalerweise ist eine Metallwerkstatt schwarz, dreckig und schmutzig.»  
Eine Werkstatt mit zwei Menschen

Handwerk: Die Werkstatt im Keller hat sich Wilmotte nach ihren Vorstellungen eingerichtet.

Kurze Wege

In der Mitte des Raumes wurde ein Kran aufgestellt, um Materialien und fertige Teile nach oben und nach draussen transportieren zu können. Der Kran glänzt in einem leuchtenden Gelb und wurde zu einem der Hauptmerkmale des Raumes. «Ich wollte ein sehr sauberes, neutrales Büro, in dem ich meine Arbeiten zeigen kann, also habe ich einfache weisse Regale aufgestellt, sodass die Objekte selbst die Hauptrolle spielen.»

Ein Büro mit einem Schreibtisch und vorne ein Kran

Hauptmerkmal: Gegenüber vom Schreibtisch befindet sich ein Kran für den Transport der Objekte. Wilmotte liess ihn extra einbauen.

Victoria Wilmotte hat den Raum im Laufe der Zeit an ihre Bedürfnisse angepasst, der Raum und die Maschinen wiederum prägen ihre Arbeit. Die Designerin vermarktet ihre Kollektion ausschliesslich über ihren eigenen E-Shop, direkt auf ihrer Website.

Im Zeitalter von nachhaltigem Design ist dies wahrscheinlich eine der ehrlichsten Möglichkeiten, ein Designstück zu bekommen. Direkt von der Designerin, die es mit ihren Mitarbeitenden selbst herstellt, verpackt und direkt verschickt. Das ist der wahre Luxus unserer Zeit: aufrichtige Transaktionen von der Werkstatt nach Hause.

www.victoriawilmotte.fr

 

Ein Zeitschriftencover

Dieser und weitere Artikel sind in der Ausgabe 6/2024 der Zeitschrift Das Ideale Heim zu finden.