Virtuose Raumfuge

Zürich: Sky-Frame

Einblick in Villa mit grossen Fenstern bei Dämmerung.

Innen- und Aussenraum verbinden sich bei der Villa Bondolfi nahtlos miteinander.

Die Fuge ist ein Instrumental- oder Vokalstück mit meist drei oder vier Stimmen, die allesamt die gleiche Gewichtung aufweisen. Ihren gestalterischen Höhepunkt erhielt die Fuge in der Zeit Johann Sebastian Bachs (1685–1750). Seine «Toccata und Fuge in d-Moll» ist sicherlich das bekannteste Orgelwerk der gesamten europäischen Musikgeschichte. Wenn Ihnen der Titel des Stückes nichts sagt, dann googeln Sie mal, und ich bin überzeugt, dass auch Sie dieses Orgelstück schon einmal gehört haben.

Damit das Raumklima im Wohnzimmer angenehm bleibt, steckt hinter dem mittigen Metallrahmen sehr viel ausgeklügelte Technik. (Fenster: Sky-Frame)

Die Poliform-Küche wurde von der Firma Italdesign nach Plänen des Architekturbüros hergestellt. 

Ich jedenfalls wurde beim Anblick und beim Betreten dieses Hauses an jene gewaltige Fuge erinnert: Grossartig, imposant, aber dennoch mit Leichtigkeit und Harmonie gelingt es Loris Landolt und seinem Team – dem projektleitenden Architekten Enrico Cestaro und der Architektin Manon Müller – von der Designfunktion AG in Weiningen ein Gesamtkunstwerk zu kreieren, bei dem Räume ineinandergreifen, übereinandergestapelt werden, aber immer auch einen Bezug zueinander haben, sodass die Bauherrschaft, vertreten durch Stéphanie Bondolfi, die massgeblich am Gelingen des Projektes beteiligt war, meint: «Es gibt für mich keinen Lieblingsplatz. Ich fühle mich überall im Haus wohl. Auch die Aussenraumgestaltung mit Entdeckergarten, Badegarten und Hortensienweg bietet Abwechslung. Die unterschiedlichen Raumerlebnisse machen den Reiz des Hauses aus, und dennoch habe ich das Gefühl, jederzeit das in den anderen Räumen stattfindende Leben wahrnehmen zu können. Trotz der grossen Weitläufigkeit ist die Villa Bondolfi ein sehr kommunikatives Eigenheim.»

Wohnbereich mit hängender Deckenbeleuchtung.

Die Verzahnung von Ober- und Untergeschoss findet im auskragenden Mediaraum eine besondere Ausprägung.

Das Erreichen dieser Eigenschaften ist sicher auch der hohen Transparenz des Gebäudes geschuldet. Glas dominiert die Fassadengestaltung – im Innen- wie im Aussenbereich. Durch die grosszügige Öffnung des Gebäudes von Osten über Süden bis in den Westen wird die Sonne zu jeder Tageszeit ins Haus gelassen, und die Weitsicht in die Alpen ist einfach einmalig. Das Gebäude wurde ausserdem ganz feinfühlig in die bestehende Topografie eingefügt, wodurch von der Strasse her keine Einsicht ins Haus gewährt wird, trotz hohem Verglasungsanteil.

Sämtliche Glasfassadenelemente wurden zusammen mit der Firma Sky-Frame realisiert. Loris Landolt: «Wir arbeiten bereits seit Jahren mit Sky-Frame zusammen und sind überzeugt von ihrer einmaligen Expertise. In diesem Haus wurden jedoch alle aufs Äus­serste gefordert, um dieses designfunktionale Resultat zu erzielen. Wir haben von Anfang an alle am Bau beteiligten Parteien mit ins Boot geholt. Dadurch entstand eine enge Teamarbeit zwischen dem Architekturteam, der Bauherrschaft, den Spezialist*innen und Handwerker*innen. Nur dank diesem Teamgeist war die Realisierung eines solch komplexen Gebäudes in dieser Qualität in so kurzer Zeit überhaupt möglich.» 

Badezimmer mit grossem türkisfarbenen Bild an der rechten Wand.

Das Elternbadezimmer ist zurückhaltend eingerichtet. Das Spiegelkunstwerk an der Wand hat die Hausherrin bei Zingg-Lamprecht entdeckt und war sofort verliebt.

Die komplexeste Aufgabe war es, trotz hohem Glasanteil die Überhitzung des Gebäudes zu verhindern. Die Lösung bestand einerseits in einem aussen liegenden Sonnenschutz, dessen Textil zwar die wärmende Sonne nicht reinlässt, aber dennoch den Blick von innen nach aussen gewährleistet. Andererseits wurde mit thermoaktiven Bauteilsystemen mit einem separaten Kühlkreislauf in den Decken gearbeitet. Diese Bauteile sind bei Bondolfis an eine Luft-Wasser-Wärmepumpe angeschlossen, sodass diese als zusätzlicher Wärmeregulator in Erscheinung tritt.

Um die sechs Meter hohe Glasfassade zu realisieren, bedurfte es aber auch statischer Hilfeleistung. Das auskragende Dach liegt lediglich auf zwei minimalen Stützen, die auf der einen Seite in die Betonrückwand eingelassen sind. Die Glasfassade trägt sich selbst. Dazu wurde ein acht Meter langer Stahlträger auf drei Metern Höhe eingefügt, der die Rollladenkästen der erwähnten Textilbeschattung aufnimmt, dank einem integrierten Heizungssystem die Zugerscheinungen an der inneren Fensterfront minimiert und natürlich dank genügender Isolation dafür sorgt, dass keine Kältebrücken entstehen. «Die Entwicklung dieses Trägerbalkens hat uns einiges Kopfzerbrechen bereitet, aber das Resultat lässt sich sehen», meint Loris ­Landolt, und Stéphanie Bondolfi doppelt nach: «Obwohl das Haus einen sehr hohen Glasanteil hat, ist das Raumklima bei jeder Witterung hervorragend.» 

Blick vom Lesesessel ins Grüne.

Der Mediaraum mit Aussichtsplattform öffnet den Blick sowohl in die Landschaft wie auch in den Innenraum.

Dass die ganze Technik per Automationssystem gesteuert werden kann, versteht sich von selbst. Bondolfis haben sich für ein Smarthome-System von Loxone entschieden, das jederzeit neu konfiguriert und erweitert werden kann. Voller Stolz zeigt uns ­Stéphanie Bondolfi die Elektrotableaus im Eingangsgeschoss, und wir sind beeindruckt von den technischen Tüfteleien, die ganz selbstverständlich und intuitiv benutzt werden können.

Hausbesitzerin Stéphanie sitzt auf Treppen vor dem Haus.

Es gibt keine Ecke im Haus, in der sich Stéphanie nicht wohlfühlt. «Die unterschiedlichen Raumerlebnisse machen den Reiz des Hauses aus», meint sie.

Ob all der Technik darf aber ein Aspekt dieses ausserordentlichen Einfamilienhauses nicht vergessen gehen: Trotz der hochtechnisierten Architektur ist das Haus kein kaltes, abweisendes Future-Ding, im Gegenteil. «Der Bauherrschaft und uns war es wichtig, als Kontrast zur strengen Geometrie des Äusseren ein warmes, weiches Innenleben zu generieren», sagt Loris Landolt. So ziehen neben Glas, Beton und Metall auch breite Eichenholzdielen und warmer Travertinstein in das Haus ein. Die Küche aus dem Hause Poliform, realisiert von Italdesign, wurde mit einer warmen, beigen Lackierung versehen, und der braun-graue Naturstein der Küchenrückwand wurde auch für den Esstisch verwendet. Ebenfalls wärmend wirkt die Einrichtung mit weichen Stoffen, Teppichen und Warmlicht spendenden Design-Leuchtkörpern. Interessanterweise fühlt man sich auch als Gast in dem doch weitläufigen Anwesen sehr schnell wohl. Das liegt natürlich einerseits an der Gastfreundschaft der Familie Bondolfi, andererseits auch am räumlichen Gefüge der Architektur, die trotz technischen Höchstleistungen Nahbarkeit und Gemütlichkeit ausstrahlt. Und wenn man es wiederum mit Bachs Musik vergleichen will, so ist auch dieses Haus ein Beispiel überragender Kunstfertigkeit. 
www.designfunktion.ch

 

Hausfassade bei Dämmerung mit Innenraumbeleuchtung und Pool.

Das Dachthema dominiert auch die Seitenansicht. Durch die konische Zuspitzung entsteht Dynamik.

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