Barrierefreiheit im Design

ZDW X Google: Interview mit Lucia Terrenghi, Director UX Design YouTube

Grafik zu Barrierefreiheit von Google.

Barrierefreiheit ist bei Google ein zentrales Thema auch im UX Design. 

Als man im Strassenverkehr vermehrt Zugänge für Rollstuhlfahrende kreierte, merkte man schnell, dass diese Rampen nicht nur für Gehbehinderte eine Alltagserleichterung schufen, sondern auch für Kinderwagen oder Velofahrende. Ähnlich ist es auch mit UX Design, oftmals bringt der Einbezug von Minderheiten einen Mehrwert für die breite Masse.

UX Design beschreibt die Gestaltung des Usererlebnisses bei digitalen Kommunikationsmitteln wie Webseiten oder Applikationen, die sich gerade auf Plattformen wie YouTube stetig und rasch weiterentwickeln. Vor einiger Zeit kam die Funktion für Captions (Untertitel) auf, die in erster Linie Menschen mit akustischen Einschränkungen diente, das Gesprochene visuell aufzunehmen. Gleichzeitig wurden so aber auch sprachliche Barrieren überwunden und heute sind sogar Simultanübersetzungen dank Untertitel möglich.

Im Rahmen der Zurich Design Weeks gibt Google Schweiz einen Einblick, wie wichtig Inklusion im UX Design ist und zeigt die Notwendigkeit auf, das Thema Barrierefreiheit bereits zu Beginn von Projekten einzubeziehen. Wir konnten vorab mit Lucia Terrenghi, Director UX Design YouTube, sprechen, wie Google Menschen mit Beeinträchtigungen in ihren Designprozessen miteinbezieht und welche Vorteile das auf das gesamte Produkt hat. 

Porträtbild Lucia Terrenghi.

Lucia Terrenghi, Director UX Design YouTube, wird am Samstag an den Zurich Design Weeks mit René Jaun (Redaktor Netzwoche) über das Thema Barrierefreiheit und UX Design diskutieren. René Jaun ist aufgrund seiner Blindheit beruflich wie privat mit dem Thema Accessibility konfrontiert.

Sie arbeiten als Director UX Design YouTube, mit welchen Themen beschäftigen Sie sich zurzeit?
Lucia Terrenghi: 
Wir kümmern uns hauptsächlich um User:innen und Creators, die auf YouTube einen Kanal haben, um ihre Geschichte oder ihre Leidenschaft mit einer Community zu teilen und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Das Spannende ist, dass diese User:innen sehr unterschiedlich sind und dennoch verbindet alle dieselbe Motivation, dass sie eine Plattform haben, wo sie sich gesehen fühlen und sich austauschen können.

Was ist Ihre Rolle?
LT:
Mein Team besteht aus Designer:innen, Researcher:innen und Content Designer:innen und wir beschäftigen uns mit der Gestaltung der Features und Applikationen, die diese User:innen nutzen, um Videos zu kreieren, hochzuladen, zu publizieren oder auch zu monetarisieren.

Ein grosser Schwerpunkt liegt auf der Barrierefreiheit, wie gehen Sie das Thema an?
LT:
In der Technik-Industrie ist Inklusion ein grosses Thema. Bei Inklusion geht es darum, Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Möglichkeiten oder auch Eigenschaften wie Herkunft oder sexueller Orientierung einzubeziehen. Uns wurde in den letzten Jahren immer mehr bewusst, dass wir diese Faktoren bereits zu Beginn eines Projektes einbringen müssen und nicht erst am Schluss. Bei YouTube arbeiten wir deshalb immer wieder mit sogenannten Residencies zusammen, das sind Gruppen mit unterschiedlichen Hintergründen, Beeinträchtigungen etc., so können wir sichergehen, dass wir die Bedürfnisse dieser Gruppen bereits von Anfang an erkennen und einbeziehen können. Das ist sehr wichtig.

Wie schnell geht die Entwicklung voran oder können Sie uns vielleicht ein paar Beispiele geben, was sich in den letzten Jahren verändert hat?
LT:
Ja, zum Beispiel kam die Möglichkeit für Captions (Untertitel) bei YouTube dazu. Heute kann man das Gesprochene simultan in diverse Sprachen übersetzen und das in geschriebener oder auch in gesprochener Form. Die Captions starteten mit dem Fokus Menschen einzubeziehen, die aus einem bestimmten Grund nicht hören konnten, schliesslich brachten sie dank der Übersetzung einen Mehrwert auf globaler Ebene für viele weitere Nutzer:innen.

Wohin wird sich das noch entwickeln?
LT:
Diese Woche habe ich einen Artikel gelesen über die Entwicklung eines Systems zur Gesichtsausdruckserkennung für Menschen, die durch eine Krankheit oder Unfall nicht mehr sprechen können. Dank diesem System haben diese Menschen die Möglichkeit, sich nonverbal auszudrücken. Ich glaube in diesem Bereich wird die Technik noch viele Fortschritte machen. Ein anderer Bereich ist die Übersetzung von einem Medium zu einem anderen. Google hat z.B. eine App die heisst «Lookout» und erkennt ein Objekt und kann zum Beispiel zwischen einer Bohnen- und Tomatendose unterscheiden. Das heisst die App verwandelt einen visuellen Input zu einem akustischen. Das Ziel ist, dass die Technik diese Barrieren immer mehr überbrücken kann.

Nutzen Teenager Applikationen anders als Erwachsene?
LT:
Ja, die neue Generation ist mit der Technik aufgewachsen, es ist viel mehr in ihrem Alltag integriert. Sie nutzen diese Applikationen sehr intuitiv. Die neue Generation ist zudem viel offener und selbstbewusster, wenn es darum geht, ihre Bedürfnisse mitzuteilen und dafür einzustehen, denn sie scheuen sich weniger vor Konversationen. Das ist stark pauschalisiert, aber wir spüren klar diese Tendenz.

Wie viel Design steckt in Ihrer Arbeit?
LT:
Sehr viel, wir entwerfen unter anderem alle Buttons und alle Features. Wir machen Interaktionsdesign für Mobile und Desktop.

Wieso haben noch nicht alle Unternehmungen Inklusion auf dem Radar?
LT:
Ich glaube, das ist eine Frage des Mindsets. Oftmals kommt der Einwand, dass es teurer oder komplizierter ist, aber das glaube ich nicht.

Wie wichtig sind für Sie Anlässe wie die Zurich Design Weeks?
LT:
Ich fände es schön, wenn es mehr solcher Anlässe gäbe. Ich glaube, was in Zürich fehlt, ist eine Accessibility Community. Barrierefreiheit ist für mich persönlich ein wichtiges Thema, weil mein Bruder eine Behinderung hat und dieser Austausch wichtig und auch interessant ist. Es braucht mehr Möglichkeiten wie solche Anlässe, um sich auszutauschen und voneinander zu lernen.

 

Mehr Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier:

Making UX Design accessible for everyone
Google × Design Zentrale

Samstag, 2.9.2023 von 13:00 bis 15:00
 

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