Das Atelier von Annette Douglas liegt auf der Klosterhalbinsel Wettingen. Die Textildesignerin geniesst dort die Ruhe fernab vom städtischen Treiben. Der Ort hat etwas Malerisches und ist zugleich Zeuge der Schweizer Industriegeschichte. Die ehemalige Metallwerkstatt gehörte zu einer Spinnerei und Weberei, die 1972 schliessen musste. Ihr schlichtes Büro teilt Annette mit zwei Kollegen. Sie arbeitet regelmässig ausser Haus, etwa an der Empa in Dübendorf, wo sie ihre «Acoustics»-Textilien testet. Ihr technisches Wissen erwarb sie sich in einer Weiterbildung an der ETH Zürich. Mit der Spezialisierung in Textiltechnologie brachte sie ihr Interesse für Design und Technik unter einen Hut. Neben der Zusammenarbeit mit Spezialisten aus anderen Branchen prägt auch das Unternehmerische ihre Arbeitsweise. Sich als Frau in der Textilbranche Gehör zu verschaffen, ist eine Gratwanderung, die sie zu meistern lernte.
Was war deine Motivation, als Gasthörerin am Lehrgang Textiltechnologie an der ETH teilzunehmen?
Annette Douglas: Ich habe bereits während meiner Erstausbildung als Textildesignerin realisiert, dass es mich nicht interessiert, Oberflächen zu gestalten. Ich fand Funktionen schon immer spannend. Mein Anspruch bestand aber früh darin, dass man diese Funktionen optisch gar nicht erkennt. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Themen bei Textilien. Das hat sicher mit meiner Familiengeschichte zu tun. Mein Vater und Grossvater waren Textilingenieure.
Du stammst also aus einer Textilfamilie. Wusstest du schon früh, dass du in diesem Bereich
arbeiten willst?
AD: Eigentlich nicht, mein Vater hat mir sogar davon abgeraten. Das Textilbusiness ist eine Industrie mit vielen Hochs und Tiefs. Doch dieser Hintergrund hat mich schon geprägt. Mein Vater hatte ein Gespür für die Qualität und Haptik von Textilien. Er hatte wirklich ein grosses Know-how.
Die Schweiz hat eine lange Tradition im Textilwesen, doch viele Betriebe mussten schliessen. Wie beurteilst du die aktuellen Chancen der Branche hierzulande?
AD: Ich interessiere mich sehr für die Geschichte der Textilindustrie. Mich fasziniert die Reichweite, welche die kleine Schweiz da schon früh hatte. Es gab in dieser Branche immer wieder Rückschläge, auch jetzt durch die aktuelle Pandemie. Aber ich bin guten Mutes – gerade wenn wir auf Nischen setzen. Denn bei Mainstream und Masse wird die Schweiz nie mithalten können. Ich sehe auch im Forschungsstandort Schweiz eine grosse Chance. Das sind Ressourcen, an die wir anknüpfen können. Die Arbeit der Agentur Innosuisse etwa geht in diese Richtung.
Du arbeitest an der Schnittstelle von Forschung und Design. Ich habe den Eindruck, da gibt es noch Potenzial. Wie siehst du das?
AD: Ja, man könnte da noch mehr tun, gerade in der Kommunikation zwischen den Disziplinen. Ich finde es wichtig, dass Desi-gner in Forschungsgruppen dabei sind. Ich weiss aus eigener Erfahrung: Es geht darum, eine gemeinsame Sprache zu finden.
Die Produktion von Textilien ist nicht gerade für ihre Nachhaltigkeit bekannt. Inwiefern beschäftigt dich dieser Aspekt?
AD: Wenn man neue Produkte entwickelt, ist es für mich zwingend, diese Gedanken einzubeziehen. Das ist nicht immer einfach, gerade im Objektbereich. Dort sind die Brandschutzvorschriften sehr streng, was es nur bedingt möglich macht, eine nachhaltige Lösung zu finden. Ich finde es auch wichtig, die ganze Produktionskette von Textilien zu verfolgen. Als kleines Unternehmen kann ich vielleicht nicht viel bewirken, aber ich verfolge diese Entwicklungen genau. Ich bin zuversichtlich, dass die Schweiz diesbezüglich eine Vorreiterrolle übernehmen kann. Wir müssen aber bereit sein, die Mehrkosten dafür zu tragen.
Wo siehst du denn konkrete Möglichkeiten, nachhaltiger zu sein?
AD: In der Langlebigkeit der Produkte und zwar nicht nur die Qualität, sondern auch die Optik betreffend. Und in der Reduktion des Konsums. Recycling ist zwar eine Möglichkeit, ist aber nicht immer einfach zu bewerkstelligen. Ein T-Shirt für drei Franken kann einfach nicht nachhaltig und fair produziert sein.
Textilien werden schnell als Dekoration abgetan. Doch gerade in der Architektur können sie wichtige Funktionen übernehmen. Was interessiert dich daran?
AD: Ich war schon als Kind an Architektur interessiert. Für mich war klar, dass ich Textilien für den Raum entwickeln will. Textilien können Teil der Architektur sein, deswegen ist eine frühe Zusammenarbeit mit Architekten wichtig. Textilien sind komplex und es gibt viele Fragen. Es ist meine Aufgabe, die Architekten in diesem Prozess zu begeleiten. Ich entwickle auch häufig spezifische Produkte für Räume.
Du hast mit «Acoustics» ein eigenes Produkt entwickelt. Wie lange dauert so ein Prozess?
AD: Das Forschungsprojekt mit der Empa nahm zwei Jahre in Anspruch. Bei der Weiterentwicklung der Kollektion «Acoustics» ist die Empa immer wieder involviert. Ohne Akustikfunktionen dauert es auch ein Jahr, dazu gehört auch die Bemusterung.
Die «Silent Space»-Kollektion, die du vor zehn Jahren lanciert hast, hat auch international
grossen Erfolg.
AD: Ja, ich habe verschiedene Partner für den Vertrieb im Ausland. Früher produzierten wir in der Schweiz, seit einiger Zeit in Deutschland. Von dort werden die Textilien in die ganze Welt verschickt.
Wie gehst du mit der Doppelrolle als Designerin und Unternehmerin um?
AD: Der unternehmerische Teil nimmt viel Zeit in Anspruch, ich musste mir Inseln fürs Design erarbeiten und lernen, diese Bereiche zu trennen.
Vor zwei Jahren hast du an den Neuen Räumen Glasobjekte gezeigt. Wie kam es dazu?
AD: Glas als Material fasziniert mich. Zum 20-Jahre-Jubiläum der Firma habe ich mir eine Kollektion geschenkt, bei der niemand mir sagte, wie sie aussehen muss. Die Glasvasen waren ein Riesenerfolg. Das wird mich weiter begleiten.
Was hast du für zukünftige Projekte?
AD: Das Thema Nachhaltigkeit interessiert mich. Ich strecke die Fühler aus und beobachte, was sich tut. Es gibt ein paar interessante Bausteine; es gilt, diese sinnvoll zusammenzusetzen. Auch das Thema Akustiktextilien geht weiter.