Wenn man nach New York reist, um sich mit einem der aufstrebendsten Designerduos des Jahres zu treffen, ist die Irritation gross, dass sich die beiden vehement gegen einen Besuch des neuen Studios wehren. Doch Eleni Petaloti klärt schon bei Betreten des Café Devocion in Williamsburg auf: «Wir sind gerade mit ‹Objects of Common Interest› aus Soho nach Brooklyn gezogen und renovieren. Heute wird irgendwas Giftiges versprüht und ich wollte uns einfach nicht umbringen!»
Untypischerweise ist Eleni heute mal nicht mit ihrem Mann und Kreativpartner Leonidas Trampoukis aufgetaucht. Der passt auf den sechzehn Monate alten Sohn auf, aber man merkt schnell, dass «Leo» weder beruflich noch privat aus dem Leben Elenis wegzudenken ist. Schon zu Kinderzeiten sind die beiden nur einen Steinwurf voneinander entfernt in Griechenland aufgewachsen, beide haben nach der Architekturschule in Thessaloniki die Columbia-Universität in NY besucht und eine Zeitlang in Paris studiert. Heute pendeln sie zwischen Brooklyn, Athen und Thessaloniki und betreiben seit 2012 das Architekturbüro LOT, dem vor drei Jahren das Designstudio Objects of Common Interest (OoCI) folgte. Ich bin von Natur aus ungeduldig und in der Architektur wird diskutiert und diskutiert und diskutiert, bevor es irgendwann zur Umsetzung kommt. Im Gegensatz dazu geht bei OoCI alles im Handumdrehen: Am Wochenende kommt uns eine Idee und Montag sagen wir: Lass’ machen – herrlich!»
Uns und wir – man merkt, welch starke Einheit das Paar bildet. Inzwischen seien sie so vertraut miteinander, dass nicht selten einer den Satz des anderen beendet und sie Bücher je zur Hälfte lesen, sagt Eleni. Beschreibt Leonidas die gemeinsame Arbeit, spricht er von einer Art Tangotanz. Man geht einen Schritt aufeinander zu, wieder auseinander, bis man sich im Einklang befindet. Und so entstehen dann neben formschönen Marmortischen, multicolore Glasgefässe für Matter (Relativity) oder auch hochprämierte Entwürfe für Boutiquehotels in Mykonos und Lichtinstallationen in New York (Flatiron Sky Line).
Die Weltoffenheit der Kreativen und nicht zuletzt Elenis acht Jahre bei der Guggenheim Foundation und der entsprechende Austausch mit Künstlern aller Nationen sorgen im Zusammenspiel mit der steten Rückbesinnung auf ihre Heimat für aufsehenerregende Kreationen.
So ist es auch kein Zufall, dass gerade Marmor ein zentrales Element ihrer Arbeiten bildet, man denke nur an die viel beachteten, skulpturalen Totemtabletts, die OoCI 2018 zusammen mit Bloc Studios herausgebracht hat. «Es ist so lustig, denn während meiner ganzen Kindheit fand ich Marmor einfach nur hässlich. Jetzt, da ich erwachsen bin, verstehe ich die Bedeutung des Materials für mein Land. Seit der Antike wird hier Marmor verwendet und heute lieben auch wir es», sagt Eleni. Wenn ein Material ihr Herz erobert, beginnt das, was Eleni als «die Jagdsaison» bezeichnet. Leonidas und sie recherchieren wie Besessene – lesen, googeln, besuchen Antiquariate, Künstler und Werkstätten. Im Marmor-Fall lernten sie, dass die Insel Tinos einer der wichtigste Lieferanten war und es auf genau dieser Insel noch heute einen Mann gibt, der in siebter Generation den Stein nach althergebrachter Technik mit Bienenwachs poliert. Klar, dass sie ihn aufsuchten. «Unser Land hat viele Fehler gemacht, aber nicht jeder Bürger ist für die Misere verantwortlich. In anderen Ländern wie der Schweiz wird das traditionelle Handwerk von der Regierung gefördert, bei uns aber wurden die Menschen nie aktiv unterstützt, geschweige denn die Aufmerksamkeit des Auslands auf sie gelenkt. Auch deswegen ist es uns so wichtig, mit den Menschen hier zu arbeiten und in Griechenland zu produzieren.»
Dass die US-Galerie und Manufaktur Matter, mit denen OoCI zusammenarbeitet, alles andere als begeistert von der Idee war, die Produktion der Marmortische (übrigens inspiriert von den geometrischen Ansätzen des griechischen Mathematikers Euklid) aus Hand und Land zu geben, ist nachvollziehbar. «Die haben mich wie einen Alien angeschaut. Doch wir bestanden auf der Zusammenarbeit, selbst wenn es uns vergleichsweise in Unkosten und Zeitnot stürzen würde. Doch wer in Europa aufwächst, lernt ältere Menschen und Handwerk wertzuschätzen und nach einem Jahr Überzeugungsarbeit ging der Deal auf und mittlerweile sind auch die Amerikaner riesige Fans!»
Die Begeisterungsfähigkeit der Bewohner ist einer der Gründe, weshalb das Designduo nach wie vor gern temporär in New York lebt. «Wenn in Amerika einer von deiner Idee überzeugt ist, öffnet man dir alle Türen. Die Menschen vernetzen dich, unterstützen dich selbstlos, das genaue Gegenteil des grossen «Nein, geht nicht!», das einem in Europa oft begegnet. Die Kehrseite der Medaille ist die Selbstdarstellungswut und der herrschende Erfolgsdruck einer Stadt wie New York», sagt Eleni. Um dem zu entgehen, bleibe das Paar lieber mit Freunden zu Hause in Brooklyn, anstatt sich auf Events mit Kollegen zu profilieren. «Andernfalls würde ich auch meine Seele verlieren», so die sympathische Griechin. Was Petaloti verlässlich erdet: der Blick aufs griechische Meer. In ihrer Familiengeschichte wurzelt indes ihre aussergewöhnliche Liebe für Gegenständliches. «Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich keine Grossmutter hatte und als Kind nie typische Omi-Geschenke bekam. Stattdessen lernte ich ihre Hinterlassenschaften zu lieben. Darin liegt mein intensives Verhältnis zu Dingen begründet. Deswegen bin ich auch so an Manufakturen interessiert.»
Als nächstes möchten die zwei unbedingt nach Japan reisen und mit Glasbläsern aus Kyoto arbeiten. «Aber in der Schweiz würde ich auch gern mal produzieren», grinst Eleni und macht sich auf den Weg zu ihrem Herzensprojekt – nach Hause.