«Ich mag Möbel, die praktisch sind»

Designporträt: Carolin Zeyher

Carolin Zeyher in ihrer Küche. Der Tisch sowie die weisse Porzellan-Leuchte sind Eigenkreationen.

Wir besuchen Carolin Zeyher in ihrem Zuhause in Berlin Neukölln. Die grosszügige Altbauwohnung ist ein wahres Schmuckstück, das man so nur noch selten und mit einer Portion Glück findet. Hohe Decken mit unverputzten Stellen, grosse Fenster, die die verwinkelten Räume mit Tageslicht durchfluten. Im Herzen der Wohnung befindet sich die Küche, was manche als unpraktisch ansehen könnten, da sie sozusagen Durchgangsraum für zwei weitere Zimmer sowie das Badezimmer ist. Aber dennoch versprüht das kreative Reich so viel Charme und Inspiration, dass es wie geschaffen ist für eine Designerin.
Im Hinterzimmer hat sich Carolin Zeyher ein Atelier eingerichtet, in welchem sie arbeitet, wenn sie nicht an ihrem Schreibtisch in der Remise, ihrem Gemeinschaftsbüro, ist. Einen geregelten Arbeitsalltag ist der Designerin wichtig, gerade auch deshalb, weil sie viel zwischen Bregenzerwald, wo sich ihr Tischler befindet, dem Bodensee, wo sie ein On-going-Interiorprojekt auf einem Weingut realisiert und Berlin, wo sie lebt und arbeitet,  hin und her pendelt.
Das erste Mal sind wir vor vier Jahren auf die Designerin aufmerksam geworden, als sie ihr Sofa Natú vorstellte. Ein aussergewöhnliches Objekt, das mit viel Feinheit für Details und einer besonderen Liebe für Handwerkskunst kreiert wurde. Daraus entstand eine kleine Wohnwelt, die unter anderem ein Bett im gleichen Design sowie Beistelltische beinhaltet. Ein feines Gespür für das Aussergewöhnliche bewies Zeyher auch bei ihrem neusten Produkt, der Stehbank Bock. Ein Allroundermöbel, das es so auf dem Markt noch nicht gibt, denn es ist nicht nur Sitzbank, sondern eignet sich ebenfalls bestens zum Anlehnen, Aufstützen, Draufsitzen und ist somit das ideale Möbel für gesellige Anlässe. Beim Wettbewerb Handwerk+Form im Bregenzerwald wurde es im vergangenen Herbst verdient mit dem 2. Preis ausgezeichnet. An der Blickfang in Zürich haben wir die Designerin nochmals getroffen. Mit uns hat sie das vergangene Jahr  Revue passieren lassen und einen Blick in die Zukunft geworfen.

Ordnung ist der Designerin wichtig, auch in ihrem Atelier zu Hause. Deshalb möchte sie in Zukunft gerne selbst einmal praktische Büromöbel mit integriertem Stauraum entwerfen.

Deshalb möchte sie in Zukunft gerne selbst einmal praktische Büromöbel mit integriertem Stauraum entwerfen.

Die meisten Möbelentwürfe in der Wohnung stammen von ihr – wie etwa das Sofa mit Beistelltisch oder das Bett.

Das Zuhause der Designerin dient ab und an auch als Showroom für Bekannte.

Ihr feines Gespür für Details zeigt sich auch in der Wohnung wieder. Ein kreatives Sammelsurium, wo es viel zu entdecken gibt.

Die Altbauwohnung ist mit den hohen Decken ein wahres Schmuckstück, das man heute in Berlin kaum noch findet.

Im vergangenen Jahr hat sich vieles bei dir getan, was steht aktuell an?
Carolin Zeyher: Ja, es war ein sehr aufregendes Jahr. Ich war viel unterwegs. Zurzeit realisiere  ich die zweite Küche für ein Weingut am Bodensee. Zudem arbeite ich immer noch an den Böcken und versuche neue Versionen zu produzieren, bevor andere Firmen hinterherziehen. Das «Magazin» nimmt den Bock in einer individuellen Variation in sein Produktsortiment auf. Wir denken dass es etwa im Frühling soweit sein sollte. Es wird nicht langweilig.

Wie sieht deine Arbeitssituation momentan aus?
CZ:
Seit Januar bin ich in einer ehemaligen Badewannen Fabrik in einem Co-Workingspace. Da hat man das Netzwerk zu anderen Kreativen und kann sich austauschen. Bestenfalls entstehen daraus neue Projekte. Zudem hat es eine kleine Werkstatt und es bietet Platz für Veranstaltungen. Ich bin gespannt, wie sich das in Zukunft entwickelt.

Brauchst du den Austausch zu anderen Kreativen oder arbeitest du gerne alleine?
CZ:
Mir ist beides wichtig. Ich könnte nicht nur zu Hause arbeiten, ich würde womöglich die Krise kriegen, wenn ich immer in meiner Wohnung bleiben müsste. Bis Ende 2018 hatte ich meinen Arbeitsplatz in einem Gemeinschaftsbüro, das ich liebte und auch sehr schätzte. Aber aufgrund einer enormer Mietzinserhöhung konnten wir uns dieses nicht mehr leisten. Ich brauche diesen Rhythmus, dass ich morgens aus dem Haus gehe, andere Leute sehe, arbeite und danach wieder meine Sachen zusammenpacken und nach Hause fahren kann. Ich könnte mich zu Hause zwischen Kochlöffeln und Wäsche machen nicht noch um die Aquise kümmern. Ich brauche einen geregelten Arbeitsalltag. Andererseits merke ich auch, dass ich, wenn ich ins Büro komme, auch wirklich arbeiten und nicht immer quatschen mag.

«Für mich muss ein Produkt praktisch, bequem sowie qualitativ hochwertig und schön sein.»

Was steht als Nächstes an?
CZ:
Ich habe ja immer ungefähr zehn Sachen in petto, wie ein aufklappbarer Kleiderständer, der an der Wand hängt, den ich gerne entwerfen möchte. Eine rudimentäre Form davon habe ich von der Oma meines Schwagers bekommen und der hängt jetzt in meiner Küche. Ich liebe dieses Ding, aber es geht leider langsam kaputt. Ich will aber auch nie wieder einen Wäscheständer in meiner Küche stehen haben. So was finde ich Quatsch. Zudem sind die meisten unpraktisch, weil sie in die Länge ausziehbar sind, nicht aber in die Höhe. Ich mag Möbel, die praktisch sind.

Ist das dein Ansporn, dass ein Möbel praktisch sein muss?
CZ:
Ja, ein Produkt muss für mich vor allem Sinn machen und funktionieren. Es muss praktisch, bequem sowie qualitativ hochwertig und schön sein.  Für mich muss das alles in einem Produkt zusammenfliessen.

 

Carolin Zeyher wohnt praktisch und ungezwungen. Viele Möbel stammen von ihr selbst, die restlichen Sachen sind Erbstücke oder vom Sperrmüll gerettet.

Du hast ja bereits ein kleines Wohnensemble erschaffen, jetzt fehlt nur noch ein Kleiderschrank. Ist der bereits in Planung?
CZ:
Ja, ich möchte gerne ein Schranksystem in der Optik eines Holz-Stalltores entwickeln oder ein Stehpult mit kleinen praktischen Details, die noch ausgefeilt werden müssen. Ich finde, gerade wenn es um den Schreibtisch geht, ist es nicht immer einfach, Ordnung zu haben. Deshalb wäre meine Vorstellung einen Schreibtisch mit verschiedenen Fächern zu entwerfen, die all den Kleinkram verstauen lassen. Derselbe Gedanke ist hinter dem Schranksystem.  Ich stell mir das Ganze als modulares Schranksystem vor, das einen Grundkorpus hat, den man in verschiedenen Tiefen, Höhen und mit variablem Innenleben wie Kleiderstange, Regal oder Schubladen anbieten kann. So könnte man das Möbel auch in der Küche oder in einer kleineren Ausführung als Badmöbel nutzen. 

Wie bist du auf die Idee mit der Stalltür-Optik gekommen?
CZ:
Die Inspiration kam tatsächlich von alten Stalltüren. Ich war mal in der Schweiz und habe einen Tisch ausgeliefert. Als ich im Kiental bei Luzern durchs Dorf spazierte, habe ich wieder einen Hof mit diesen Holzlattentüren gesehen und mir gedacht: Damit muss ich wirklich irgendwann etwas machen. Mir gefällt die Optik von Latten, die nicht mal dicht sein müssen.

www.caze.eu

«Sofa Natú»: Der Entwurf des Sofas ist durch die kargen Landschaftszüge Boliviens und Argentiniens inspiriert. Das Design und die Materialwahl sind natürlich gehalten – ein Nussbaumgestell, kombiniert mit einer lederbespannten Rückenlehne und schlichten Polstern.

«Bett Natú»: Bett Natú ist aus Nussbaum gefertigt, kombiniert mit einem Ledergeflecht im Kopfteil, an dem man sich bequem anlehnen kann.

«Stehbank Bock»: Der Bock schafft eine neue Form von Kommunikation und Haltung. Er bietet all jenen, die an Stehtischen und Tresen verweilen oder arbeiten, eine Möglichkeit zum Rasten – Anlehnen, Aufstützen, Draufsitzen.

«Campanula»: Die Leuchte entstand in Zusammenarbeit mit Heidi Degenhardt. Der Lampenschirm ist aus Porzellan – eine Kreuzung aus einer Glockenblume und einer Weinflasche –, der sich wie jede Blüte der Natur jedes Mal als Unikat neigt und formt.