Where different worlds meet & kiss

Provisorium Visitor Store Zürich

Auf den 1. Blick scheint Surfen und Zürich in etwa so gut zusammenzupassen wie ein Papagei und ein Rabe, oder – auf die Generation Zalando-Shopper, Schnellverbraucher und Blitzkäufer bezogen – wie Einkaufen und sich Zeit dafür nehmen ... Trotzdem weiss ein Ort die scheinbaren Gegensätze zu vereinen: der Visitor Store in Zürich. Der Shop für Surfequipment, Surf- und Casualwear hat sich der Passion Wellenreiten mitsamt dem dazugehörigen Lebensgefühl verschrieben und ist an der Badenerstrasse 123 mitten in Zürichs Kreis 4 verankert. Seit Kurzem empfängt der Visitor Store in einem Provisorium – mehr oder weniger mitten auf einer Baustelle –, denn mit dem Monsterbauprojekt des Grünhof-Areals ist auch die denkmalgeschützte Gebäudezeile tangiert, aus der der Shop seine Surfvibes sendet. Damit die Übergangszeit bis Bauende nicht zu ungemütlich wird, haben sich Nico Schürch, Gründer von Studio Sundaze (hier unser Porträt über das Kreativbüro) und Setdesigner für Film- und Theaterproduktionen Ioannis Sochorakis zusammengetan und den schönsten provisorischen Laden Zürichs gebaut.

Der «neue» Visitor Store, der bis zum Ende der Bauarbeiten und Einzug in die renovierten Räume als Provisorium fungiert.

Hauptelement des Ladendesigns ist die Regalkonstruktion aus Armierungseisen, die sich als Skulptur durch den gesamten Raum erstreckt.

Verweilen, Lesen, Strassenschauen: Eine Sitzecke macht das Runterfahren möglich. Wie ein Leuchtturm weist das Leucht-V Besuchern den Weg und ist die Langstrasse hinab bis zum Helvetiaplatz sichtbar. 

Sich seines Handelns bewusst werden und der Umwelt Sorge tragen: Eine Message, die dem Team von Visitor am Herzen liegt und durch kleine Installationen im Laden verdeutlicht wird.  

Interaktion fördern steht ebenfalls weit oben auf der Visitor Wunschliste. Der interne Coffeeshop hilft das Zwischenmenschliche zu erleichtern.

Visitors Herzen hängen am Surfen, wortwörtlich. Das wichtigste Tool dazu – das Brett – erfährt durch die Regalskulptur aus Armierungseisen die bestmögliche Präsentation.

«Gleich zu Beginn war klar, dass wir die Überhöhe der Räume und die grosse Glasfassade für die Produktepräsentation nutzen wollen», verweist Ioannis auf die Vorzüge der Räumlichkeiten, die selbst durch das Baugerüst vor den Fenstern kaum geschmälert werden. Um diese Kaufbarriere möglichst auszublenden, haben die beiden Kreativköpfe ein übergrosses, beleuchtetes «V» als weithin sichtbares Signal in die Mitte des Ladens platziert. Durch das Fenster weist es die Langstrasse hinab bis zum Helvetiaplatz den Weg zum Store. Der eigentliche Blickfang ist aber eine Installation aus schwarzen Eisenstangen, die wie Tetrisbausteine auf einzelne Elemente aufbaut und die gesamte Ladentiefe ausfüllt. Eine Skulptur, die zugleich eine entscheidende Funktion erfüllt: das Lagern und Präsentieren der Kleider, Accessoires und Surfbretter. «Einfache Armierungseisen einzusetzen, lag aufgrund des eingeschränkten Budgets nahe», erklärt Nico den Griff zum profanen Eisen. Dieser Wink an die Baustelle ist weniger subtil denn humorvoll und verspielt. Ähnlich verhält es sich mit den Vögeln, die überall als teils überraschende Dekoration «lauern». Sie widerspiegeln einerseits Ioannis' Hintergrund als Setdesinger, stehen aber auch für ein Bewusstsein, das das Team vom Visitor Store seinen Gästen ebenso auf den Weg mitgeben will, wie das Gefühl von Freiheit und Lebensfreude: die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt. Gedanken darüber kann sich der Gast beim Kaffee machen – ein interner Coffeeshop und eine Leseecke laden zum Verweilen und zum Austausch ein.

Papagei und Rabe küssen sich, unterschiedliche Klimazonen verschmelzen miteinander: Nicht nur Dekoration, sondern auch Aufforderung, sich Gedanken zur Erderwärmung zu machen.

Nico Schürch kreiert für sein Studio Sundaze Möbel, für das Design des Visitor Stores ging er auf Papageienjagd.  

Ioannis Sochorakis ist als selbständiger Setdesigner für Film- und Theateproduktionen tätig. Hitchcocks ironisch-kritischer Monolog im Teaser zum Film «The Birds», brachte Ioannis auf die Idee, Vögel als Dekorationsobjekte einzusetzen. «... sie rücken in die richtige Perspektive, wer die eigentlichen Besucher (auf unserem Planeten) sind».

In 2 Tagen wurden geschätzte 200 Armierungseisen für die Installation gereinigt, von Hand (!) gebogen und zu Elementen verschweisst, ... 

... die vor Ort zu einer raumfüllenden Installation zusammengebaut wurden. Hilfe erhielt das Team von einem befreundeten Schlosser, Christian Greil.  

Das Ladenprovisorium als Baustelle ...

... mitten in der Aufbauphase der Installation ...

... und nun in seiner vollendeten Form und Funktion.

Dass günstig und zugleich kreativ bauen oft mit Aufwand und Eigenschweiss verbunden ist, zeigte sich bei der Umsetzung der Regal-Skulptur. Das Team reinigte rund 200 Armierungseisen, kürzte die Stangen auf die richtige Länge, bog sie in die entsprechende Form und schweisste sie in Elemente zusammen, die schliesslich im Raum zur Installation zusammenwuchsen. Mit Farbe wurde ihr der letzte Schliff verliehen. Ein Aufwand, der nur dank des persönlichen Einsatzes aller Beteiligten möglich war, und der sich gelohnt hat: Material und Form korrespondieren hervorragend mit der Atmosphäre der roh belassenen Räume. Auch die Anforderung etwas zu schaffen, das beim Einzug in die renovierten Ladenräume wiederverwendet werden kann, ist mit dem modularen Regalsystem, das einfach ab- und wieder aufgebaut werden kann, erfüllt. Mit ihrem Konzept und der Herangehensweise und Ausführung haben Nico und Ioannis und das gesamte Helferteam zum Ausdruck gebracht, für was der Visitor Store mit seinen Surftrips, Filmscreenings und Vorträgen seit seiner Gründung steht: nicht nur ein gewöhnlicher Laden zu sein, sondern eine Gemeinschaft von Menschen, die Leidenschaft, Interessen, Ideologien und Werte teilen.