«Die Besten 2021» in Architektur, Design und Landschaftsarchitektur

Ausstellung im Museum für Gestaltung in Zürich

Jährlich kürt die Zeitschrift Hochparterre zusammen mit dem Museum für Gestaltung Zürich die besten Projekte in den Disziplinen Architektur, Design und Landschaftsarchitektur und vergibt «Das Kaninchen – Senn-Förderpreis für junge Architektur».

Die Präsentation der prämierten Projekte ist bis 10. Januar 2022 im Museum für Gestaltung zu sehen.
www.museum-gestaltung.ch

Gold in Architektur: Renovation Cité du Lignon, Vernier (GE) von Jaccaud + Associés, Genf

Die Instandsetzung der grössten Schweizer Wohnsiedlung war ein grosser Kraftakt, den die Architekten präzis und unprätentiös vollbracht haben. Das Projekt steht für eine exemplarische Zusammenarbeit von Forschung, Behörden, Eigentümerschaft, Bewohnerinnen, Denkmalpflege und Planern. Die dreizehnjährige Planungs- und Bauzeit erforderte besondere Ausdauer. Der Erhalt der Mieterschaft zeugt von einer sozialverträglichen Strategie, die bei einem Projekt in dieser Grösse einmalig ist. Der Eingriff ist ökologisch, weil er viel graue Energie erhält, den Energiebedarf im Betrieb aber halbiert. All dies ist zukunftsweisend, auch im kleineren Massstab.

Silber in Architektur: Instandsetzung, Umbau und Erweiterung Kurtheater Baden (AG) von Elisabeth & Martin Boesch Architekten, Zürich

Martin und Elisabeth Boesch haben das denkmalgeschützte Theater selbstbewusst mit neuen Teilen ergänzt, bestehende Bereiche haben sie sorgfältig saniert. Das Resultat wirkt selbstverständlich und verwischt die zeitlichen Grenzen. Das Projekt ist eine denkmalpflegerische und baukünstlerische Sonderleistung. Das zeugt von Fingerspitzengefühl und Geduld. Dreizehn Jahre nahm die Planungs- und Bauzeit in Anspruch. Die Rückschläge und Verzögerungen, die das Projekt erleiden musste, sind dem fertiggestellten Bau nicht anzusehen. Auch das ist bemerkenswert im neuen Kapitel der Baugeschichte des Theaters.

Bronze in Architektur: Umbau Alte Reithalle, Aarau (AG) von Barão-Hutter Atelier, St. Gallen

Die Architekten haben die Alte Reithalle radikal erhalten und mutig umgebaut. Die Atmosphäre des Gebäudes und die Zwischennutzung definierten das Raumprogramm. Dies ist ein wichtiges Statement. Das Einraumereignis ist ein bemerkenswertes Experiment und ein verblüffender Gewinn für den Ort und die Nutzung. Die Architekten schaffen die Wende, weil sie Backstage-Direktheit lustvoll auf Denkmal-Gedanken prallen lassen. Und weil sie zehn Jahre lang an ihrer Idee festhielten. Der unverstellte Raum bietet der Kultur neue, fast grenzenlose Möglichkeiten. Zudem wird die Reithalle zum Nukleus der Stadtentwicklung auf dem Kasernenareal. So wirkt das Projekt auf vielen Ebenen als Katalysator.

Gold in Design: Kunstriff vor San Andrés, Kolumbien von Rrreefs, Zürich und Berlin

Die Jury lobt den holistischen Ansatz dieses Projekts, das im Bereich Planet Centric Design angesiedelt ist. Auch lobt die Jury die Umsetzungsstärke des Teams, dem es gelungen ist, mit 3-D-Druck ein modulares Riff zu entwickeln, zu testen, zu finanzieren und zu produzieren. Rrreefs schaffte es, Partnerorganisationen zu involvieren, 230 Bausteine nach Kolumbien zu verschiffen und dort ein erstes Riff aufzubauen. Nun beginnt der entscheidende Schritt des Designprozesses, der die Natur konsequent einschliesst: Meereslebewesen besiedeln die Tonoberflächen. Die nach technischfunktionalen Kriterien gestalteten Bausteine überzeugen auch durch ihre ästhetische Qualität, die das Potenzial hat, wissenschaftliche Resultate zugänglicher zu machen.

Silber Design: Handbuch «Organisiert euch! Zusammen die Stadt verändern» von Urban Equipe und Kollektiv Raumstation, Zürich, Wien, Berlin

Wer sein Lebensumfeld aktiv mitgestalten möchte, braucht nicht nur Elan, sondern auch Wissen über Strukturen, Kommunikation oder Buchhaltung. Aus diesem Grund haben zwanzig Kollektive aus dem deutschsprachigen Europa ihre Erfahrungen zu einem Ratgeber in Buchform komprimiert. «Organisiert euch!» ist gut gestaltet, übersichtlich und zugänglich. Veröffentlicht unter einer Creative-Commons-Lizenz, dient das Handbuch als Ausgangspunkt für alle, die mit demokratischen, partizipativen Bottomup-Prozessen ihre Stadt verändern und mitgestalten wollen. Durch den Transfer von gesammeltem Wissen funktioniert das Buch zudem als Multiplikator. Die Anbindung an eine Onlineplattform sowie an eine Open-Source-Software lassen weitere Entwicklungsmöglichkeiten offen.

Bronze Design: Teppichserie «Domestic Surfaces» von Estelle Bourdet, Berga ( SE )

Durch die Kombination der traditionellen Fertigungstechnik des Handwebens mit digitalen Entwurfsverfahren schafft Estelle Bourdet eine eigenständige visuelle Sprache von hoher ästhetischer Qualität. Die Designerin sammelt Alttextilien und Pflanzenfarben, stellt eigene Färbemittel her und interpretiert eine alte Recyclingmethode auf zeitgemässe Weise. Die Verwendung nachhaltiger Ressourcen, die vollständige Kontrolle des Herstellungsprozesses, die langsame Produktionsweise und die offen gezeigten Spuren des alten Handwerks machen die Teppiche zu charakteristischen Einzelstücken, die sowohl als Kunst wie auch als Gebrauchsgegenstände gelten können.

Gold in Landschaftsarchitektur: «Innerer Garten», Zürich von Mavo Landschaften, Zürich

Ein Paradebeispiel dafür, wie sich Landschaftsarchitektur über die Parzellengrenze hinausdenken lässt und wie sie wirken kann. Basis der intelligenten Anleitung zur Durchgrünung und -wegung der strassenabgewandten Seiten des Gewerbequartiers ist ein ausgeklügeltes Regelwerk. Es schafft öffentlichen Raum auf privatem Grund und kreiert einen intimen, fussgängerorientierten Freiraum, der die quartiereigenen Freiraumtypen Strasse und Park wohltuend erweitert. Die Landschaftsarchitektinnen haben eine strategische und städtebauliche Idee in räumlich und atmosphärisch wirksame Gestaltungsrichtlinien übersetzt, die investorentauglich wie auch juristisch umsetzbar sind. Es ist zu hoffen, dass dieses Regelwerk Schule macht, denn Gewerbe- und Industriequartiere in Transformation gibt es noch genug.

Silber in Landschaftsarchitektur: Landschaftliche Begleitplanung Nordumfahrung Zürich von Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur

Die Gestaltungsvorgaben zur Nordumfahrung Zürich schälen das landschaftliche Potenzial von Verkehrsinfrastrukturanlagen heraus. Die Förderung von Ökologie und Biodiversität ist bei solchen Bauvorhaben gesetzlich längst verankert, aber erst die gestalterische Beratung der Ingenieure macht daraus ein grossmassstäbliches Landschaftsarchitekturprojekt in der Kulturlandschaft. Das Resultat ist eine grosszügige und selbstbewusste wie auch dezente und rücksichtsvolle Gestaltung des umfangreichen Verkehrsbauwerks. Fliessende Linien und einheitliche, ruhige Lösungen in Grossform und Detail zeichnen das Projekt aus.

Bronze in Landschaftsarchitektur: Flughafenpark, Kloten ZH von Studio Vulkan, Zürich, mit Robin Winogrond

Das Projekt «The Park» vereinigt Natur, Stadt, Verkehr und Erholungsraum gewinnbringend. Der szenografische Entwurf baut auf den bestehenden Naturschutz- und Waldgebieten auf und setzt wichtige Themen der klassischen Parkgestaltung markant um: Lichtung, Wasserspiel, Aussichtspunkt oder Rundweg. Dank seiner Vielschichtigkeit und verkehrstechnischen Zugänglichkeit ist der Flughafenpark schnell zum Anziehungspunkt für Erholung Suchende geworden. Obwohl die Gestalter nur mit subtilen Auslichtungen in den Wald eingreifen durften, sind überraschende Orte entstanden: Baumhalle, Haselallee, Feuerring oder Yogainsel. Der Flughafenpark zeichnet ein neues Bild von Stadtnatur und ist ein einzigartiger naturnaher Freiraum inmitten einer unwirtlichen Verkehrslandschaft.

«Das Kaninchen – Senn-Förderpreis für junge Architektur»: Haus im Hof, Basel von Piertzovanis Toews, Basel

Dieser Dachausbau im Matthäusquartier ist strukturell einfach. Das einstige Sparrendach ist zum Bandfenster aufgeklappt. Ein verborgener Stahlträger spannt zwischen den Flügelwänden und ruht auf einem pittoresken, grün schimmernden Ring. Darüber trägt ein filigranes Holzwerk eine gewellte Blechlandschaft mit gegengeneigtem Vordach, über die das Regenwasser rinnt und in einer einzigen Kastenrinne abläuft. Der Innenraum setzt die alte Konstruktion neu in Szene. Das Treppengeländer, die Lampe und selbst der Waschtrog sind aufwendige Designstücke. Diese unnachgiebige Liebe zur einfachen Konstruktion und zum poetischen Baudetail überzeugen und berühren.

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