Sie besitze ein besonderes Händchen für ungewöhnliche, ja spektakuläre Kompositionen, so Interior-Expertin Ute Laatz in ihrer Laudatio zur Anerkennung als «Best of Interior 2024» (Callwey Verlag). Die Münchner Interior-Designerin Stephanie Thatenhorst ist längst schon über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und überzeugt ihre Kundschaft mit einem freien Spiel aus Formen, Farben und Mustern. Mit der Einrichtung ihrer Altbauwohnung hat sie sich nun einen Traum erfüllt: «Meiner persönlichen Passion freien Lauf zu lassen, kann ich mir nur in meiner eigenen Wohnung erlauben.»
Hin und wieder öffnet sie ihre privaten Türen auch potenziellen Kund:innen, denn die Wohnung dient nicht nur zum Wohnen: Gemeinsam mit Galeristin Martina Tauber veranstaltet sie regelmässig kleine Vernissagen, bei denen Designobjekte und Kunstwerke inszeniert und auch mal verkauft werden. «Ein Zuhause sollte sich mit seinen Bewohner:innen weiterentwickeln», so Stephanie Thatenhorst, und sie freut sich, wenn eines ihrer ausgestellten Exponate Exponate eine:n neue:n Besitzer:in findet, denn: «Bei aller Liebe, das schafft Platz für Neues!»

Der bunte Teppich dient als Vorlage für das Farbkonzept der Wohnung. Teppich: cc tapis, Pendelleuchte: Nemo.
Was ist der Unterschied zwischen der Gestaltung der eigenen Wohnung und der Wohnung für eine:n Kund:in?
STEPHANIE THATENHORST: Der grösste Unterschied liegt in der Herangehensweise: Bei meiner eigenen Wohnung kann ich völlig intuitiv und experimentell arbeiten, während ich bei Kund:innenprojekten gezielt nach den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner:innen gestalte. Meine Aufgabe ist es dann, ihre Vorstellungen in ein schlüssiges Konzept zu übersetzen, das nicht nur stilistisch passt, sondern auch alltagstauglich ist. Ich sehe mich da als Übersetzerin zwischen Vision und Realität und manchmal auch als Mutmacherin, um Neues zu wagen.
«Mein persönlicher Stil ist sicher stark, aber es geht nie darum, mich selbst in einem Projekt zu verwirklichen, sondern die Persönlichkeit der Kund:innen herauszuarbeiten.»
Fällt es Ihnen manchmal schwer, sich «zurückzuhalten»?
ST: Ich empfinde es nicht als Zurückhaltung, sondern als Herausforderung, aus einer anderen Perspektive zu denken. Mein persönlicher Stil ist sicher stark, aber es geht nie darum, mich selbst in einem Projekt zu verwirklichen, sondern die Persönlichkeit der Kund:innen herauszuarbeiten. Gleichzeitig finde ich es wichtig, Impulse zu geben – denn oft entstehen die besten Räume dann, wenn man sich auf etwas Neues einlässt.
Planen Sie beim Einrichten zeitlos langfristig oder mit dem, was im Moment gefällt?
ST: Beides. Ein guter Raum lebt davon, dass er eine Basis hat, die Bestand hat – hochwertige Materialien, eine durchdachte Lichtplanung, langlebige Möbelstücke. Aber ich liebe es auch, Elemente zu integrieren, die sich verändern dürfen: Farben, Textilien, Kunst.

Der Blick durch die Flügeltüren fällt auf die kunstvoll arrangierten Inszenierungen von Möbeln und Accessoires.

Die verspielten Stuckelemente an der Zimmerdecke geben dem Raum einen dekorativen Rahmen.
Farbe scheint eine wichtige Rolle in Ihrem Leben und Ihrer Designphilosophie zu spielen. Wie kam es dazu?
ST: Farben erzeugen Emotionen – sie sind das schnellste Mittel, um eine bestimmte Stimmung in einem Raum zu schaffen. Ich liebe es, mit kräftigen Tönen zu arbeiten, aber auch mit subtilen Farbverläufen, die Tiefe bringen. Vielleicht kommt meine Begeisterung für Farbe auch daher, dass ich ungern nach festen Regeln arbeite – Farben brechen oft mit Erwartungshaltungen und machen Räume spannender.
Haben Sie eine Idee, warum viele Menschen beim Wohnen auf Nummer sicher gehen und Beige, Braun oder Grau wählen statt Buntes?
ST: Ich glaube, viele haben Angst davor, sich festzulegen oder eine «falsche» Entscheidung zu treffen. Beige und Grau sind sichere Häfen – sie passen zu allem, fallen nicht auf. Aber genau das ist oft das Problem: Ein Raum ohne Kontraste kann schnell leblos wirken. Mein Tipp: Man muss ja nicht gleich ein ganzes Zimmer knallblau streichen – oft reicht schon ein farbiges Detail, um eine spannende Atmosphäre zu schaffen.
Wie lange haben Sie an Ihrer Wohnung gefeilt?
ST: Ich bin ständig am Verändern – also eigentlich nie fertig! Aber die Grundstruktur stand relativ schnell, weil ich schon genau wusste, welche Elemente ich integrieren möchte. Danach kamen viele Details dazu, vor allem Kunst, Textilien und besondere Möbelstücke, die über die Zeit gefunden wurden.
Wie geht man so ein Gesamtkunstwerk an? Was sind die ersten Schritte, was die letzten?
ST: Am Anfang steht immer eine Idee – welche Atmosphäre soll der Raum haben? Dann kommen die grossen Entscheidungen: Welche Materialien? Welche Farben? Welche Formen? Erst danach geht es ins Detail, mit Möbeln, Textilien, Kunst. Die letzten Schritte sind für mich immer das, was einen Raum wirklich lebendig macht: persönliche Stücke, besondere Fundstücke, Dinge, die mit Erinnerungen verbunden sind.
Welcher ist für Sie der wichtigste Raum in Ihrer Wohnung? Welcher der liebste?
ST: Der wichtigste Raum ist die Küche – für mich ist sie das Herzstück des Wohnens, ein Ort des Zusammenseins. Mein liebster Raum ist aber mein Schlafzimmer – dort kann ich mich zurückziehen, abschalten, zur Ruhe kommen. Die Gestaltung von Rückzugsorten ist genauso wichtig wie die von sozialen Räumen.

Bauchmensch: Stephanie Thatenhorst trifft Entscheidungen am liebsten intuitiv.

Zum Weiterlesen und Inspirieren: «Best of Interior 2024», Callwey Verlag, gebunden, 360 Seiten, CHF 80.–