Wir haben das Duo von Ortreport das erste Mal dank ihrer Arbeit für den Designer’s Saturday kennengelernt. Die spezielle, eigene Herangehensweise hat uns überrascht, und auch wenn ihre Arbeit in Langenthal nun gar keinen Auftritt bekam, so wollen wir ihnen und ihrer Arbeit hier in unserer Rubrik Atelier eine Bühne geben. Katrin Murbach und Fabian Jaggi sind sich an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) zum ersten Mal begegnet. Ein weiterer gemeinsamer Nenner sind die Lehr- und Wanderjahre bei Raumlabor Berlin. Die Arbeitsweise des Berliner Kreativhubs widerspiegelt auch die Arbeitsweise von Ortreport, die zwischen den Disziplinen Architektur, Design, Kunst, Stadtentwicklung und Kulturvermittlung oszilliert. Verortet ist das Atelier im zürcherischen Altstetten, im GGA-WEST-Gebäude.
Wie würdet ihr eure Arbeit beschreiben?
Katrin Murbach: Im Kern unserer Arbeit steht die Szenografie. Diese bewegt sich im Spannungsfeld von Narration, Architektur und Design sowie Kunst, Konzept und Raumwahrnehmung.
Fabian Jaggi: Ein Fixpunkt in unserer Arbeit ist die Intervention im öffentlichen Raum. Wir durften mehrmals im Jahr solche interaktive und vermittelnde Arbeiten machen, wie zum Beispiel die Installation zur letzten Spielzeiteröffnung am Theater Basel.
Wie akquiriert ihr eure Aufträge?
KM: Die meisten Aufträge kommen aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda zustande. Manche Kundenbeziehungen bleiben über Jahre hinweg erhalten, und so konnten wir zum Beispiel dank des freundschaftlichen Bezugs zu einer Dramaturgin von einem Theaterhaus zum anderen gehen. Ausserdem machen wir Projekte jeglichen Massstabs. Das öffnet uns oft Türen zu spannenden Fragestellungen.
FJ: Und manchmal ist es auch Telepathie (schmunzelt). Der Designer’s Saturday hat uns zum Beispiel als Event schon immer gereizt, und es war schön, aus dem Nichts für eine Gastkuration angefragt zu werden. Schade, dass wir unser Konzept nicht in die Tat umsetzen konnten.
Eine Besonderheit eurer Arbeit ist auch, dass ihr viele Entwürfe selbst baut. Wie kam es dazu?
KM: Die Vision bei der Gründung unseres Ateliers war: 50 % denken, 50 % machen. Die unmittelbare Umsetzung des Gedachten in die Praxis ist sehr befreiend. Der Ausgleich zur Kopfarbeit am Entwurfstisch tut gut.
FJ: Unsere Entwürfe sind immer Unikate, und wenn wir diese selber herstellen, dann ist es auch möglich, innerhalb des Produktionsprozesses den Entwurfsgedanken zu korrigieren oder zu festigen. Auch wenn wir die Entwürfe nicht selber umsetzen können, begleiten wir den Prozess sehr eng und interessieren uns eingehend für die Herstellung. Es kommt nie vor, dass wir die Pläne einfach abgeben und das fertige Produkt erst beim Aufbau wieder sehen.
«Die Diskussion ist unser Entwurfsantrieb.»
Warum der Name Ortreport?
KM: All unsere Projekte sind ortsgebunden. Der Ausgangspunkt ist immer der Ort, an dem die Intervention stattfindet, sei es ein Quartier oder ein Raum. Wir kommen mit offenen Augen an und nehmen auf, was vorhanden ist. Dann recherchieren wir und entwickeln aus dem Vorgefundenen eine Idee.
FJ: Wir gehen wie Reporter vor. In dem Moment, in dem eine Journalistin jedoch ihren Bericht schreiben würde, setzen wir das Vorgefundene in ein Projekt um. Ein Projekt, das den Ort weiterschreibt und die Menschen an dem Ort miteinbezieht.
Oft verwendet ihr für eure bauliche Interventionen unübliche Baumaterialien. Wie betreibt ihr Materialrecherche?
FJ: Wir lieben es, Materialien für andere Zwecke einzusetzen, als wofür sie gedacht gewesen wären. Die grüne Pressspanplatte für das Regal des Zürcher Verlags Edition Moderne zum Beispiel ist eigentlich für die Errichtung von Estrichböden vorgesehen. Zur Erkennung ihrer Feuchtigkeitsresistenz ist sie grün eingefärbt. Die Farbe ist also kein Design-, sondern ein Erkennungsmerkmal.
KM: Beim dazu kombinierten, gelbchromatierten Metall hat uns der Galvaniker vor der unregelmässigen Regenbogenoptik gewarnt, aber gerade diese hat uns fasziniert.
Wie funktioniert ihr als Team?
KM: Der Prozess entspricht einer gegenläufigen Sinuswelle. Wir starten das Projekt immer gemeinsam, entfernen uns dann voneinander, um erste Ideen zu entwickeln, kommen zusammen, um diese zu besprechen, gehen wieder auseinander mit verschiedenen Rechercheaufgaben und so weiter. Alle Projekte werden von uns gemeinsam entwickelt. Die Diskussion ist unser Entwurfsantrieb. Für uns ist es enorm wichtig, aus der eigenen Echokammer auszubrechen und im Streitgespräch weiterzukommen.
Was macht ihr, wenn die Diskussion mal stockt?
FJ: Dann müssen wir beide zehn Zeichnungen zu irgendwelchen Themen fertigen. Durch diesen Befreiungsschlag können wir meist wieder frisch an die Aufgabe rangehen.