Der Markt in Belleville (Paris) ist Nahrung für Sinne und Geist: So viele verschiedene Farben, Gerüche und Kulturen treffen da aufeinander! Unweit des Boulevard de Belleville liegt auch das neue Atelier von Julie Richoz. Da noch Umbauarbeiten im Gange sind, treffen wir uns in ihrem Lieblingscafé gleich um die Ecke. Die junge Designerin verschlug es kurz nach ihrem Studium an der ECAL in die französische Hauptstadt. Pierre Charpin, bei dem sie ihre Abschlussarbeit gemacht hatte, bot ihr eine Praktikumsstelle an. Zur gleichen Zeit gewann sie auch den «Grand Prix» der Design Parade. Die Ausstellungen in der Villa Noailles im südfranzösischen Hyères, später in Köln und Paris sowie eine Geldsumme zur Entwicklung eines Prototypen bei der Pariser Designgalerie Kreo boten der jungen Designerin ein Sprungbrett ins Berufsleben. Richoz fühlt sich wohl in Paris, sie geniesst die kosmopolitische Atmosphäre der Stadt und den regen Austausch mit Menschen. All das kompensiere die teuren Mieten der Stadt, sagt sie. Ihr Atelier im Erdgeschoss teilt sie seit Kurzem mit einem Designer und einem Fotografen. Die Vitrine des ehemaligen Ladenlokals brachte die jungen Kreativen auf die Idee, dort auch Ausstellungen zu organisieren. Nachdem Julie letztes Jahr viel unterwegs war und in den Genuss von Residenzen in Taiwan und Mexiko kam, konzentriert sie sich wieder auf das Entwerfen von Objekten für verschiedene Hersteller.
Weshalb wurden Sie Designerin?
Julie Richoz: Für mich war schon immer klar, dass ich einen kreativen Beruf ausüben wollte. Als ich klein war, liebte ich es, in Museen zu gehen, später besuchte ich ein Gymnasium mit Schwerpunkt angewandte Künste. Für mein Studium wählte ich dann Design, weil mir diese Disziplin sehr vielseitig vorkam. Von der ECAL hörte ich über meinen Onkel. Der Besuch dieser Schule bot mir auch die Gelegenheit, wieder in die Schweiz zu kommen, wo ich schon als Kind gelebt hatte.
Wie haben Sie die ECAL erlebt?
JR: Die Ausbildung war sehr intensiv und anspruchsvoll. Ich hatte grosses Glück, denn während meines Studiums gab es tolle Kollaborationen. Bis heute sehr wichtig sind für mich die Freundschaften, die ich dort geschlossen habe. Ich arbeite immer wieder mit ehemaligen Kollegen zusammen. Es gab eine tolle kreative Energie.
«Die Ausbildung an der ECAL war sehr intensiv und anspruchsvoll.»
Wie ging es nachher weiter?
JR: Ich gewann gleich nach dem Studium den «Grand Prix» beim Wettbewerb der Villa Noailles. Das Teilzeitpraktikum bei Pierre Charpin in Paris ermöglichte es mir, gleichzeitig an den damit verbundenen Projekten zu arbeiten: den Residenzen, der Entwicklung eines Prototyps und den Ausstellungen.
Viele Ihrer Entwürfe scheinen den Übergang von Fläche zu Volumen zu thematisieren. Wie gehen Sie beim Entwerfen vor?
JR: Ich zeichne sehr gern, das hängt vielleicht damit zusammen. Beim Korb «Thalie» etwa hatte ich Lust von einer geometrisch ausgeschnittenen Metallplatte auszugehen, die ich dann durch das lose Verbinden am oberen Rande in eine freie, dreidimensionale Form brachte. Mich interessiert die Spannung zwischen Strenge und Variation.
Wie recherchieren Sie? Was inspiriert Sie?
JR: Ich gehe sehr gerne auf den Flohmarkt und lasse mich von alten Gegenständen inspirieren. Mein Freund und ich haben zudem eine ziemlich grosse Büchersammlung. Ich bin kürzlich umgezogen, zwei Drittel der Kartone waren mit Büchern gefüllt. Auch Architektur spricht mich an. Ich habe vor zwei Wochen in Brüssel das Victor-Horta-Haus besucht. Mich hat sein Umgang mit Farbe fasziniert.
Sie arbeiten sowohl im Galerienkontext wie auch für grössere Hersteller. Wie ist das für Sie?
JR: Die Arbeit mit den Galerien ergab sich eher zufällig, das war keine bewusste Wahl. Ich schätze die Zusammenarbeit mit Handwerkern und die Idee einer sorgfältigen Verarbeitung, die in diesem Kontext möglich sind. Auch bezüglich der Objekttypologien gibt es mehr Freiheit, das gefällt mir. Momentan arbeite ich für grössere Marken, was eine grosse Herausforderung ist. Es ist schwieriger, unter anderem, weil man nicht so nahe an der Herstellung ist.
Letztes Jahr waren Sie beruflich viel unterwegs. Erzählen Sie von Taiwan und dem Projekt «A New Layer Taiwan», zu dem Sie eingeladen waren.
JR: In Taipeh gibt es dieses unglaubliche Museum. Im Nationalen Palastmuseum entdeckte ich eine Vasenform, die «Cong» heisst, eine Typologie, die schon seit dem Neolithikum existiert. In der Song-Dynastie hat man diese Form dann für Porzellan verwendet. Ich sah in dieser rechteckigen, gradlinigen Form etwas sehr Starkes: Etwas, das Geschichte überdauert. Mir fällt dazu das Wort zeitlos ein, auch wenn es abgedroschen klingen mag. Das Objekt war einerseits sehr asiatisch, zugleich kam es mir sehr vertraut vor. Ich habe diese Form auf das Material Lack übertragen als eine Art Fortführung dieser Brücke zwischen den Epochen und Kulturen.
Konnten Sie Material und Handwerk selber auswählen?
JR: Ja, wir haben im Rahmen dieses Aufenthaltes sehr viele Handwerker besucht. Ich habe dann das Lackhandwerk gewählt und bewusst auf wenige Elemente reduziert. Es ging mir nicht primär darum, das Handwerk an sich an die Grenze zu führen. So arbeite ich häufig: Zu Beginn entwerfe ich etwas sehr Reichhaltiges, anschliessend entferne ich vieles wieder, reduziere auf das Wesentliche, auf dasjenige, was wichtig ist für die Idee.
Woran arbeiten Sie zurzeit?
JR: Dieses Jahr konnte ich viele neue Kollaborationen starten, etwa Möbel für den Aus-senbereich oder eine Serie limitierter Objekte. Ich finalisiere gerade die letzten Details für eine Teppichkollektion. Zudem arbeite ich an einem neuen Projekt, das in Zusammenhang mit Handwerk aus dem mediterranen Raum steht. Und ich habe begonnen, mit der Side Gallery aus Barcelona zusammenzuarbeiten. Es freut mich, dass ich dieses Jahr erneut den Swiss Design Award gewonnen habe. Das gibt mir die Möglichkeit, eigene Projekte zu finanzieren und auch vermehrt Anschluss an die Schweizer Designszene zu finden.
www.julierichoz.com