Irgendwann in den 1980er-Jahren renovierten meine Eltern unser Badezimmer. Statt der Badewanne gab es eine Dusche und statt des einzelnen Lavabos einen Doppelwaschtisch, beide in Balibraun. Die Wände und der Boden hingegen erstrahlten frisch geplättelt in Weiss. Die Platten lagen schon im Trend der folgenden Jahrzehnte, denn die Ära von Balibraun, Bahamabeige und Moosgrün neigte sich damals ihrem Ende entgegen. Seitdem dominiert Weiss in mitteleuropäischen Nasszellen. Wobei die funktionale Nasszelle sich ja längst zum Wohlfühlraum gewandelt hat, und seit einiger Zeit kehren nun die Farben zurück in die Badezimmer. Oder besser gesagt: Neue Farben halten Einzug. Auf der diesjährigen ISH waren sie überall zu sehen – die ISH ist die «Weltleitmesse für Wasser, Wärme und Klima» und ausserdem der laut Messe «weltweit größte Showroom für moderne Badkonzepte». Waschtische, Badewannen, Armaturen und was sonst noch alles zum Bad gehört gibt es dort wahrlich in Hülle und Fülle zu bestaunen. Das Thema Farbe hatte schon bei den letzten Ausgaben der Messe an Präsenz gewonnen, rückte dieses Mal aber noch weiter in den Fokus.
Die Armaturen, die meine Eltern bei ihrem Badumbau in den 1980ern zu den dickwandigen, braunen Lavabos wählten, waren verchromt. Das ist heute noch der Standard, doch scheint dieser langsam abgelöst zu werden: schon bei der letzten Ausgabe der ISH vor zwei Jahren waren überall Armaturen mit PVD-Beschichtung zu sehen. Damit sind alle Farben möglich, und die Oberfläche ist erst noch unempfindlicher als Chrom. Besonders gefragt scheinen derzeit matte Oberflächen zu sein, jedenfalls fehlten sie an kaum einem Stand - und zwar sowohl bei den Armaturen als auch bei der Keramik.
An der ISH gab es einige tolle Farbkonzepte zu sehen. Aber: Weit über 90 Prozent der Sanitärprodukte, die in unseren Breitengraden verkauft werden, sind – zumindest derzeit – immer noch weiss. Auch wenn das auf der ISH anders wirkt: Mein persönlicher Eindruck deckt sich mit den Angaben der Hersteller. Ein neues Badezimmer ist schliesslich keine ganz kleine Investition, und da braucht es schon etwas Mut und auch ein sicheres Gespür bei der Farbwahl, um sich für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte auf etwas anderes als Weiss festzulegen.
Ob sich in dieser Frage etwas bewegen wird, konnte auch der Designer Stefan Diez an einem Talk der Plattform Pop up my bathroom nicht beantworten. Aber er hat eine flexible Lösung präsentiert, Farbe ins Bad zu bringen (ohne es bei farbigen Accessoires oder Handtüchern zu belassen): Mit dem Badmöbelhersteller Burgbad hat er das System «rgb» entwickelt. Die Möbel aus farbigem Glas können individuell zusammengestellt und nachträglich erweitert (und so die Farben auch neu gemischt) werden. Sie lassen sich relativ unkompliziert an die Wand montieren, und zwar nicht nur im Bad, sondern auch in anderen Räumen.
Die braunen Lavabos in meinem Elternhaus haben inzwischen ausgedient: der neue Waschtisch und die bodenebene Duschfläche sind weiss. Ebenso das Waschtischmöbel, der Heizkörper und sogar die Handtücher. Die weissen Platten hingegen sind solchen gewichen, deren Farbton an Sandstein erinnert. Schön ist es geworden, hell und freundlich. Aber Farben sind schon auch toll. Ich bin gespannt, ob sie mir in den nächsten Jahren vermehrt in Badezimmern begegnen.