Als eines der ältesten Baumaterialien überhaupt hat Holz zu keiner Zeit an Beliebtheit eingebüsst. Führt man sich seine vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von der Konstruktion über die Fassadengestaltung bis zum Möbel vor Augen, wundert das kaum. Gerade heute, wo Nachhaltigkeit grossgeschrieben wird, ist die Bedeutung von Holz als Baustoff nicht zu unterschätzen. Dies gilt für Neubauten ebenso wie für Umbauten, wie diese beiden Projekte zeigen.
Marco Naef stärkt durch seinen Eingriff den Charakter eines Holzanbaues an einem Weinbauernhaus am Zürichsee, der viele Jahrzehnte durch verschiedenste Umbaumassnahmen verunklärt worden war. Da von den früheren Umbauten nichts erhaltenswert war, näherte sich der Architekt beim Rückbau Schicht um Schicht der Gebäudestruktur; alles, was nicht ursprünglich zur Scheune gehörte, wurde entfernt. In dem mehr oder weniger leeren Raum konnte Marco Naef sozusagen von Grund auf neu beginnen. Eines war ihm bei dem Projekt von vornherein klar: «Es ist und bleibt eine hölzerne Struktur.» Der primäre Fokus lag auf dem Weiterstricken der Konstruktion und der räumlichen Inszenierung des spezifischen Schnittes. Von der Hauptstütze, dem Stud, die ursprünglich über drei Geschosse gegangen war, waren der steinerne Stützfuss und ein kurzer Stumpf erhalten geblieben. Letzterer wurde ausgetauscht und in der originalen Grösse aus Massivholz ersetzt. Der Stud bildet das Rückgrat des gesamten Baus, um ihn drehen sich die neuen Räume und die Treppe.
Das zweite Projekt ist ein Umbau, der eigentlich ein Weiterbau des traditionellen Strickbaus ist: Ueli Frischknecht und Stefan Schiess vom Holzbaubetrieb Frischknecht & Schiess GmbH entwickelten ein historisches Wohnhaus zeitgemäss weiter, indem sie sein Kammersystem stärken. Hauptakteur bleibt regionales Holz mit seinen fantastischen Oberflächen. Wer in ein solch intaktes System, wie es dieses Appenzellerhaus aufweist, eingreift, braucht Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Das Kammersystem des Strickbaus mit seinen limitierten Grössen ist vergleichsweise rigide, insbesondere wenn man es am modernen Wohnungsbau misst. Zwischenwände können nicht einfach entfernt oder versetzt werden, ohne die innere Ordnung auf den Kopf zu stellen oder systemfremde Elemente einzuführen. Doch beginnt man, sich in die Gesetzmässigkeiten und die Logik dieser Holzbautechnik einzudenken, eröffnen sich komplexe Raumqualitäten. Ueli Frischknecht ist überzeugt: «Der Strick erhält Grosszügigkeit durch die vielen Kammern und ihre Verbindungen und nicht durch einzelne grosse Räume.» Auf vielfältige Weise gelang es, innerhalb des Systems Möglichkeiten auszuloten und unaufgeregte, sorgfältige Verknüpfungen von Alt und Neu zu entwerfen und umzusetzen. Feine Gegensätze und unauffällige Hierarchien tragen zum räumlichen Reichtum in den niedrigen Geschossen bei.