Als im Februar bekannt wurde, dass Ghana sein Debut an der Biennale di Venezia – einer der wichtigsten internationalen Kunstausstellungen – feiern würde, horchte man bereits auf. Denn niemand geringerer als Stararchitekt Sir David Adjaye würde sich für das Design des Länderpavillons verantwortlich zeichnen. Neben Kunsthistorikerin und Schriftstellerin Nana Oforiatta Ayim als Kuratorin war der ehemalige documenta-Chef Okwui Enwezor (März 2019 verstorben) als strategischer Berater vorgesehen. Ein Projekt also, das grosse Namen aus dem afrikanischen Kunst- und Architektur-Kontext vereinen würde.
Das Ergebnis ist nun seit Mitte Mai zu bestaunen, als die 58. Ausgabe der Biennale eröffnet wurde. Unter dem Titel Ghana Freedom feiert der Pavillon nicht nur die sechs Jahrzehnte Unabhängigkeit des Landes, sondern vor allem seinen künstlerischen Reichtum. Das ursprüngliche Biennale-Prinzip der Nationalpavillons, wo jedes Land sein eigenes kleines Häuschen zur Präsentation der wichtigsten künstlerischen Positionen hat, mag in einer immer globaler agierenden Welt und vor allem im globalen Kunstsystem, etwas verstaubt wirken. Doch der Kuratorin Ayim ist ein Coup gelungen: Statt wie üblich einem oder einer Künstler/in eine Plattform zu bieten, zeigt sie sechs Künstler aus drei verschiedenen Generationen, die sowohl in Ghana als auch in der Diaspora verwurzelt sind und in deren Arbeiten sich die Wahrnehmung von Freiheit widerspiegelt.
Das Design des Ghana-Pavillons stammt vom britischen Stararchitekten Sir David Adjaye und bietet jedem*r einzelnen Künstler*in einen eigenen ovalen Raum, die allesamt miteinander verbunden sind. Angesichts der medialen Vielfalt der Werke, die von Fotografien über Gemälden bis hin zu Videoarbeiten reicht, ist das Ergebnis besonders beeindruckend. Adjaye, Sohn ghanaischer Diplomaten, hat die Herausforderung der grossen Hallen der Artiglierie, ein rund 3'300 m2 grosses, einstöckiges Gebäude aus dem Jahr 1560, mit dem Einbezug einer traditionell ghanaischen Bauweise gelöst. Nach dem Vorbild traditioneller Stampflehmbauten, sogenannter Gurunsi Earth Houses, bieten die einzelnen Galerien, die von einem Holzdach überspannt werden, einen intensiven sinnlichen Eindruck einer – aus europäischer Perspektive – ungewohnten Architektur.
Entsprechend vielbeachtet ist der Neuling an der Biennale, was sich zwar einerseits auf die Bekanntheit des international gefeierten Adjaye zurückführen lässt, aber auch der grundsätzlichen Tatsache, dass Ghanas Position im internationalen Kunstdiskurs nicht mehr zu bestreiten ist. Der Pavillon ermöglicht endlich einem breiteren Publikum das Eintauchen in das symbolische Kapital des Landes, das durch die sechs Künstlerinnen und Künstler repräsentiert wird. Dass der afrikanische Staat dabei auf bereits etablierte global player wie Adjaye zurückgreift und sie mit einem tief verwurzelten architektonischen Vermächtnis verknüpft, ist ein Sinnbild für das moderne Afrika der Zukunft: Mit dem Kopf in der globalen Welt und den Füssen in Traditionen. Das Debut an der Biennale beweist, wie gut diese Kombination funktionieren kann.
Die 58. Biennale von Venedig ist noch bis zum 24. November 2019 geöffnet.