Visionäre im Glarnerland

Bahnbrechende Haushaltsgeräte

alte Öfen auf Lagerregal

Das Therma Schaulager zeigt einen Querschnitt von 300 Therma-Geräten aus dem Zeitraum von 1907 bis 1978. Hier die Wand mit den Herden.

Zu allen Zeiten und in allen Jahrhunderten gibt es Menschen, die mit viel Leidenschaft, Pioniergeist und dem Glauben an die Zukunft Grosses erschaffen und wichtige Meilensteine setzen für die Gesellschaft in ihrem Umfeld und darüber hinaus. Einer von ihnen ist Samuel Blumer, geboren 1881 in Schwanden. Sein Vater betrieb eine Sägerei und nebenbei eine Werkstätte für Fahrräder und Nähmaschinen. Der Vater verstarb, als Samuel 16 Jahre alt war, sodass dieser das Geschäft vorerst zusammen mit der Mutter weiterführen musste. Die damals aufkommende Elektrizität weckte das Interesse des jungen Mannes. Den Umgang damit brachte er sich mithilfe von Büchern selbst bei.

Eine seiner bedeutenden Erfindungen war eine Art biegbare Heizplatte, die Blumer in alle möglichen Geräte, die früher mit Heizkohle erwärmt wurden, einsetzte, so zum Beispiel in Kaffeekannen, Wärmeplatten oder Bügeleisen. Die Nachfrage nach dem von ihm konstruierten Bügeleisen war schnell so gross, dass er einen Arbeiter einstellen musste. 1904 gründete Samuel Blumer eine Fabrik für elektrische Wärmeapparate, die er 1907 in die Aktiengesellschaft Therma AG umwandelte. 1931 trugen 70 Prozent aller elektrischen Haushaltsapparate in der Schweiz den Namen Therma. Vor allem die elektrischen Kochherde waren en vogue. Später kamen Kühlschränke, Geschirrspüler und Elektroöfen dazu. Am Ende des Zweiten Weltkriegs beschäftigte die Therma AG allein in Schwanden über 1000 Mitarbeitende.

historische Aufnehme von Emaille-Fabrik

Das Schaulager befindet sich im Obergeschoss des ehemaligen Emaillierwerkes.

Hohe ästhetische Ansprüche

Von 1958 bis 1968 war Hans Hilfiker als Direktor bei der Therma AG tätig. Der berühmte Elektroingenieur und Gestalter, der unter anderem die Schweizer Bahnhofs­uhr designte, entwickelte für Therma ein kom­plett neues Küchenprogramm, das aus mitein­ander kombinierbaren Modulen bestand. Bis dahin produzierte Therma einzelstehende Ge­räte. Durch diese Systemküchen legte er den Grundstein zur eigenen Schweizer Küchen­norm, die von der europäischen abweicht (Breite 55 cm anstatt 60 cm). Ein Prototyp nach dieser Norm wurde an der EXPO 1964 in Lau­sanne gezeigt. Hilfiker setzte ausserdem ein ei­gentliches Corporate Design für Therma durch.

Nach Rückschlägen wurde die Therma 1978 in die Electrolux-­Gruppe Schweiz aufge­nommen, die Herstellung von Kühlschränken und Küchen aufgegeben und der Vertrieb nach Zürich verlegt. 1998 führte man die Therma innerhalb des Konzerns mit der AEG Hausgeräte AG Schweiz zur A+T Hausgeräte AG zusammen, die 2005 in die Electrolux AG inte­griert wurde. 2015 wurde die traditionsreiche Produktionsstätte in Schwanden geschlossen.

Mit elektrischen Bügeleisen setzte Samuel Blumer den Grundstein der Therma AG.

In den 1930er-Jahren gestaltete Wilhelm Kienzle unter anderem einen Parabol-Heizstrahler für Therma.

Ein weiterer wichtiger Gestalter war Hans Hilfiker, der zum Beispiel den Heizofen «Butterfly» designte.

Die Ausstellungsstücke sind auch grossartige Zeugen der Designgeschichte des 20. Jahrhunderts. Hier ein Herd aus den 70er-Jahren.

Zusammen mit dem Typografen Carlo Vivarelli (Therma­-Logo von 1958) und Werbebüros wie Halpern setzte Hans Hilfiker eine der ersten Corporate Identities durch.

Die Hebung eines Schatzes

Und nun kommt die Geschichte eines wei­teren Pioniers und leidenschaftlichen Samm­lers: Thomas Schätti, Geschäftsleiter der in Schwanden ansässigen Metallwarenfabrik Schätti AG. Als die alten Produktionsstätten der Therma AG zum Verkauf standen, über­nahm der Unternehmer im Einvernehmen mit seinen Geschäftspartnern die Hälfte des Areals. Gleichzeitig gingen ein ganzes Lager an alten Therma-­Geräten und ein Papierar­chiv mit Konstruktionszeichnungen, Werbe-­ und Verkaufsunterlagen an die Ortsstiftung von Schwanden, bei der Thomas Schätti Mit­glied des Stiftungsrates ist.

Thomas Schätti wusste, dass er hier einen einmaligen Schatz der Schweizer Industriegeschichte in den Händen hielt. Mit Akribie und Hingabe ver­tiefte sich der diplomierte Ingenieur und De­signer in die Details der ihm wohlbekannten Therma AG, und bald schon wurde auch sein Sammlerinstinkt geweckt. Überall auf der Welt suchte er nach Therma­-Geräten, die seine Sammlung vervollständigten. Einige Geräte bekam er auch von Nachbarn oder Personen, die um seine Sammlerleidenschaft wussten. Und so entstand ein umfassendes Archiv, das Thomas Schätti gerne mit Inter­essierten teilen wollte, und damit war die Idee des Therma Schaulagers geboren.

Werktisch mit historischen Bügeleisen

Nebst den Ausstellungsstücken bietet das Schaulager in speziell dafür konzipierten Schubladen auch Zusatzinformationen und weitere Details. Zum Beispiel wurden die ersten Bügeleisen an Lichtfassungen angeschlossen. Steckdosen gab es noch nicht.

Das Therma Schaulager ist Lager und Aus­stellung zugleich. Das Format Schaulager er­möglicht, die gesamte Breite des Sortiments der Therma zu zeigen und gleichzeitig auf ein­zelne Produkte einzugehen. In Schubladen sind Quellen wie Prospekte, Preislisten, Patente oder Zeichnungen zu finden. Als Ausstellungs­raum dient eine auf die Bausubstanz der 1930­er-Jahre zurückgebaute Halle im Ober­geschoss des ehemaligen Emaillierwerkes der Therma AG. Jörg Boner productdesign, Zü­rich, gestaltete den Ausstellungsraum und die Inszenierung des Therma Schaulagers. Das Logo des Schaulager gestaltete NORM. Die Ausstellung kuratiert Thomas Schätti mit der fachlichen Begleitung von Claude Lichtenstein, ehemaliger Kurator des Museums für Gestaltung, Zürich. In dieser Konstellation wird demnächst auch ein Buch zur Therma AG im Lars Müller Verlag erscheinen.

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Das Therma Schaulager ist vom 14. Februar bis zum 13. Dezember 2025 jeweils Freitag 14–17 Uhr und Samstag 10–17 Uhr geöffnet.

therma-schaulager.ch