«Ich finde Austausch sehr wichtig und inspirierend»

Atelier: Noelani Rutz

Noelani Rutz steht in weissen, lockeren Kleider in gemütlichem Zimmer mit Holzboden und Bücherregal

Vielseitig interessiert: Noelani Rutz steht noch am Anfang ihrer Laufbahn und möchte Verschiedenes ausprobieren.

Die junge Zürcher Designerin lebt seit ihrem Studium an der ECAL in Lausanne, zurzeit ist sie dort als Assistentin tätig. Sie ist froh um diese Stelle, denn wie viele Kreative spürt auch sie die Folgen der Corona-Krise. Es herrscht eine zurückhaltende Stimmung in der Designszene, davon lässt sich Noelani Rutz aber nicht beirren. Glücklicherweise kann sie die Werkstätten der Schule benutzen. Sonst arbeitet sie von zu Hause aus, einer WG mit Blick auf den See. Der Blick ins Bücherregal verrät Noelanis vielseitigen Interessen, unter anderem ihr Faible für japanische Gestaltungskultur. Schon während des Studiums konnte sie ein Praktikum bei Shigeki Fujishiro in Tokio absolvieren und kehrte ein Jahr später nochmals dorthin zurück. Die Zusammenarbeit mit dem japanischen Designer dauert bis heute an. Im Gespräch mit der Designerin spürt man ihre grosse Offenheit und Neugierde, aber auch eine dezidierte Haltung gegenüber ihrer eigenen Disziplin. Sie möchte mit ihrer Arbeit auf das heutige Konsumverhalten sowie auf Lokalität und Materialität aufmerksam machen, sagt sie. Einen Ausgleich findet sie beim Töpfern; die Schalen, die sie dreht, sind Einzelstücke, die zu einem bewussten Umgang animieren.

Mehrere Stapel naturweisser Tonschalen auf einem Holztisch

Einzelstücke: Die Schalen animieren zu einem bewussten Umgang mit Alltagsobjekten.

Hände von Noelani Rutz in Nahaufnahme beim Formen einer getöpferten Schale

Ausgleich: Die Designerin begann während eines Praktikums zu töpfern.

Weshalb wolltest du Design studieren?
Noelani Rutz: Das hat sich ganz natürlich ergeben. Mein Vater ist Architekt und meine Mutter hat Kunst studiert, das hat mich stark geprägt. Ich habe schon als Kind gern gebastelt, mit zwölf habe ich eine eigene Taschenkollektion entworfen. Etwas mit den Händen zu machen, empfinde ich als äusserst befriedigend. Ich habe gar keine ­andere Studienrichtung in Erwägung ge­zogen.

Deine Abschlussarbeit an der ECAL, eine waschbare Damenbinde, ist recht ungewöhnlich. Es betrifft ein gesellschaftliches Tabuthema. Kannst du dazu etwas erzählen?
NR: Während meines ersten Praktikums habe ich begonnen, Design stark zu hinterfragen. Die Abschlussarbeit sah ich auch als Gelegenheit, etwas anzusprechen, das eine gewisse Relevanz besitzt. Ich wollte auf keinen Fall einen Stuhl entwerfen. Die «Ona Pads» sind definitiv kein typisches ECAL Projekt, ich musste mich bei meinen Lehrern ziemlich durchsetzen, um die Arbeit machen zu können. Unterstützung bekam ich vor ­allem von weiblicher Seite. Neben dem eigentlichen Produkt habe ich auch die Verpackung entworfen und das Branding gemacht, es war also ziemlich aufwendig. Ich möchte das Produkt weiterentwickeln, denn ich ­finde dieses Thema wichtig und will zu ­einem vielfältigeren Angebot beitragen. Die marktüblichen waschbaren Binden mit Schmetterlingen oder Einhörnern finde ich eher schwierig.

Werkstation mit alter, analoger Waage und diversen Werkzeugen in Bechern und an der Wand aufgehängt

Gut ausgerüstet: Noelani kann die Werkstätten der ECAL benutzen.

Wie hast du Japan erlebt, und welche Bedeutung hat die japanische Gestaltungskultur für dich?
NR: Wir Designer sehen Japan als Mutter des Produktdesigns, wir idealisieren auch viel. Die japanische Formensprache hat mich aber wesentlich geprägt und begleitet mich bis heute. Auch meine Zeit bei Shigeki Fujishiro hat mich geformt, ich konnte sogar ein eigenes Produkt entwerfen. Die Dualität zwischen Technologie und handwerklicher Tradition in Japan finde ich extrem spannend. Ich bin auch gereist, etwa nach Naoshima und Teshima, das war eindrücklich.

Deine Gummistiefel bestehen auch aus einem japanischen Material. Wie kam es zu diesem Projekt?
NR: Ausgangspunkt bildete die Idee zu faltbaren Gummistiefeln. Ich hatte schon früher einmal zum Material Neopren recherchiert. Dass ich bei meinen Recherchen auf eine japanische Firma gestossen bin, die aus Kalkstein das gleiche Polymer gewinnt wie Neopren, war Zufall. So fanden zwei Elemente ganz harmonisch zusammen. Ich habe die Firma dann später während einer Japanreise besucht. Sie arbeitet an einer Wiederverwertung des Materials. Auch in diesem Projekt sehe ich grosses Potenzial.

Die japanische Formensprache hat mich wesentlich geprägt und begleitet mich bis heute. 

Wie wichtig ist dir Ökologie?
NR: Als Designerin ist es für mich ­unumgänglich, sich Gedanken zu diesem Thema zu machen. Es liegt an uns, Konsumentinnen und Konsumenten dafür zu sensibilisieren und das Produkt in die richtige Richtung zu dirigieren, was das Material und die Herstellung angeht. Wir sollten unser Wissen diesbezüglich anwenden.

Wie kamst du dazu, mit Ton zu arbeiten?
NR: Als ich für ein Praktikum in Stockholm war, merkte ich, dass ich einen Ausgleich zur Arbeit am Computer brauche und habe mich dort für einen Töpferkurs an der Universität angemeldet. Dieser Arbeitsprozess ist für mich fast wie Meditation. Ich biete sogar einen Reparaturdienst meiner Schalen mit der japanischen Kintsugi-Technik an, um das Leben des Objekts zu verlängern.

Noelani Rutz hält mehrere geschnitzte Holzplatten in ihren Händen

Offenheit: Noelani arbeitet gern mit ganz unterschiedlichen Werkstoffen.

Designerin Noelani Rutz zeichnet einen Entwurf einer Vase auf weisses Papier

Organisch gewachsen: Eine Idee nimmt Formen an.

Woran arbeitest du gerade?
NR: Ich habe kürzlich ein Vasenprojekt zusammen mit einer Urushi-Handwerkerin fertiggestellt, das im Rahmen der Ausstellung «Tech Craft» der Genfer NOV Gallery in Mailand am Salone hätte gezeigt werden sollen. Solche Kollaborationen möchte ich weiterführen, das interessiert mich sehr. Ich arbeite im Moment auch an einem privaten Auftrag für ein Daybed.

Du stehst noch ganz am Anfang deiner Laufbahn. Denkst du schon an eine Selbstständigkeit?
NR: Die aktuelle Situation macht das quasi unmöglich. Zudem habe ich noch nicht ausgelernt, ich möchte noch mehr Erfahrungen in anderen Designbüros sammeln, auch im Ausland. Allgemein finde ich Austausch sehr wichtig und inspirierend. Aber ich kann mir gut vorstellen, mich früher oder später selbstständig zu machen.

Hast du Wunschprojekte?
NR: Ich würde gern einen Ausflug ins Kulinarische machen. Mein Traum wäre es, meine Leidenschaft fürs Kochen und Fermentieren mit selbst entworfenem Geschirr zu kombinieren, um ein Abendessen zu ­gestalten. Das ist eigentlich auch eine Form von Design.

www.noelanirutz.com

ONA PADS: Noelanis Abschlussarbeit befasst sich mit einem alltäglichen Thema, das immer noch ein Tabu darstellt. Auch aus ökologischer Sicht sind wiederverwendbare Binden sinnvoll.

SEN: Die 3D-gedruckte Vase ist eine Zusammenarbeit mit der Urushi-Kunsthandwerkerin Salome Lippuner. Der Entwurf entstand für die Ausstellung «TechCraft» der NOV Gallery aus Genf.

STAPLED BASKED: Der schlichte Wäschekorb aus Filz entstand während ihres Praktikums beim japanischen Designer Shigeki Fujishiro. Die Zusammenarbeit dauert bis heute an.

IMAZATO: Für den faltbaren Gummistiefel verwendete die Designerin eine spezielle Form von Neopren, das in Japan hergestellt wird.

MORTAR: Der Mörser ist erst ein Prototyp. Er besteht aus drei Teilen. Clevere Details tragen zu einer effizienteren Handhabung dieses archetypischen Gegenstands bei.