«Entwerfen ist auch ein bisschen Selbstentertainment»

Atelier: NEO/CRAFT

Designer Sebastian Scherer

Designer Sebastian Scherer gründete 2014 das Studio NEO/CRAFT. Zuvor arbeitete er als Innendekorateur und freiberuflich für Architekten.

Die besten Ideen kommen meist dann, wenn man am wenigsten nach ihnen sucht. Im Alltag etwa beim Abwaschen oder im Supermarkt, wenn man gedankenverloren durch die Gänge streift. Manchmal reicht auch eine Momentaufnahme – so wie bei der Leuchte «Iris». Die Inspiration kam Sebastian Scherer, Designer und Geschäftsführer von NEO/CRAFT, am Salone del Mobile in Milano. In einem Meer von Menschen sah er ein Kind, das Seifenblasen in die Luft pustete. Knapp ein Jahr später, 2015, präsentierte NEO/CRAFT die Leuchte an der imm cologne – eine gläserne Kugel, die dank einer speziellen Beschichtung den Glanz und das Farbspektrum einer Seifenblase imitiert. Fünf Jahre später hat sich das Portfolio des Design Studios um weitere Leuchten und andere Produkte wie Beistell­tische und Uhren erweitert. Das Atelier befindet sich im Dachstock eines alten Industriegebäudes aus Backsteinen am Stadtrand von Berlin. Die Decke ist aus unverputzem Sichtbeton und die hohe, breite Fensterfront lässt den loftartigen Raum mit Tageslicht durchfluten. Der grosszügige Raum bietet Platz, um Produkte aufzubauen und auszustellen, gleichzeitig dient der Raum auch als improvisiertes Fotostudio und Büro. Auf den Tischen finden sich Glasmuster und Prototypen von neuen Produkten wie der Röhrenleuchte, die in Kürze lanciert wird.

Das neuste Produkt des Design Studios: Die Leuchte «Neon» wird diesen Sommer lanciert.

Die Profile gehören zur «Steel Stand»-Kollektion; die Tischbeine ermöglichen es, das Möbel individuell anzupassen.

Für die Leuchte «Iris» hat NEO/CRAFT ein spezielles Beschichtungsverfahren entwickelt, dieses wird nun auch bei weiteren Produkten angewendet.

Sebastian Scherer in seinem Atelier – einem loftartigen Dachstock in einem alten Industriegebäude.

Geometrische Formen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Produktpalette von  NEO/CRAFT. Im Bild zu sehen sind die Leuchten «Diamond».

Das Spiel mit Reflexion und Spiegelung fasziniert den Designer seit der Realisation der Leuchte «Iris» – weitere Produkte mit demselben Material folgten.

Sehen wir hier Neuigkeiten für 2019?
Sebastian Scherer: Ja, Ende 2018 sind die «Fifty»-Tische erschienen. Die Idee hinter den Couchtischen ist, dass zwei Elemente ein Ganzes bilden. Das heisst zwei Halbkreise bilden einen Kreis oder zwei halbe Ovale bilden ein Langloch. Da kann man auch schön mit Materialien arbeiten und zum Beispiel Glas und Marmor kombinieren und der Kontrast von Schwarz-Weiss ist ein Thema. Zudem haben wir Anfang Mai zwei neue Produkte lanciert. Das ist einmal ein Wandspiegel, der auch mit dem Farbeffektglas der «Iris»-Leuchte arbeitet. Und noch mal neue Beistelltische. Im Sommer kommt dann noch die Röhrenleuchte. (hier oben im Bild)

Das beschichtete Glas scheint dich auch für die neuste Kollektion inspiriert zu haben?
SS:
Ja, durch die Seifenblasen bin ich damals auf die Beschichtung der «Iris»-Leuchte aufmerksam geworden, und weil mich dieses Glas immer mehr fasziniert, lag der Reiz darin, mehr mit dem Material auszuprobieren. Weil das Glas ja auch sehr stark spiegelt, lag die Idee mit dem Spiegel nahe. Zudem habe ich einen Lieferanten, mit dem ich gut und gerne zusammenarbeite und der mich auch mit neuen Produkten unterstützt.

Die Entwürfe stammen alle von dir, wie kam es dazu, dein Studio NEO/CRAFT zu nennen und nicht Sebastian Scherer?
SS:
Mit ein Grund war, dass ich dachte, es wäre schön, später auch mal mit anderen Designern zu kooperieren und so ein bisschen unabhängig von meinem Namen zu arbeiten. Zudem hatte ich Spass, eine Marke zu entwickeln. Der Name war schnell gefunden und danach ging alles relativ schnell.

Designer Sebastian Scherer auf dem Tisch «Steel Stand Table» und mit der mundgeblasenen «Iris»-Leuchte.

Sebastian Scherer auf dem Tisch «Steel Stand Table» und mit der mundgeblasenen «Iris»-Leuchte.

Die «Iris»-Leuchte ist euer Markenzeichen, aber inzwischen gibt es auch viele Nachahmungen – ärgert dich das oder schmeichelt es mehr?
SS:
Sowohl als auch. Es gibt Fälle, wo es schmerzt und wo wir leider auch juristisch dagegen vorgehen mussten. Da hat jemand eine Leuchte herausgebracht, die meiner sehr ähnlich sieht. Das belastet natürlich auch, wenn man ständig damit konfrontiert ist, aber wir haben als Designer zum Glück die Möglichkeit, uns zu wehren. Ich habe zwar die Kugelleuchte an sich nicht erfunden, aber durch die Beschichtung vollkommen neu interpretiert und etwas sehr Innovatives erschaffen. In der Entwicklung steckt schliesslich viel Arbeit und auch Geld. Da muss ich mich wehren. Ich denke, ich hatte Glück, zur richtigen Zeit die richtige Idee zu haben.

Inwiefern versuchst du dich von anderen abzuheben?
SS: Ich denke, hauptsächlich durch die Materialität, die spezielle hochwertige Beschichtung, die einzigartig und auch schwer zu imitieren ist. Und dass ich klassische Formen wähle, aber durch die Kombination eigenständige Produkte schaffe, die sich je nach Raum oder Anblick verändern und so stark von der Umgebung abhängig sind. Zum Beispiel zeigen die Kanten der «Isom»-Tische von oben betrachtet die zweidimensionale Zeichnung ­eines Würfels. Als Gruppe angeordnet fügen sie sich nahtlos aneinander und sind optisch kaum voneinader zu trennen. Auch die «Camo»-Tische bilden interessante Formen.

Deine Produkte werden oft auch als minimalitisch beschrieben, das magst du aber gar nicht?
SS:
Die Formen sind schon eher zurückhaltend, aber bei Minimalismus denke ich immer an die 90er-Jahre, wo alles grau und aus Edelstahl war. Das bin ich gar nicht. Ich mag Produkte, die im Raum eine starke Präsenz, gleichzeitig aber eine zurückhaltende, klare Form besitzen. Ich spiele lieber mit der Materialität, die extrovertiert sein darf. 

www.neocraft.com

Die Leuchte «Iris» in verschiedenen Ausführungen.

Die «Camo»-Tische gibt es in verschiedenen Materialien. Sie sind vom Camouflage-Muster inspiriert.

Die Glas-Beistelltische aus der «Isom»-Kollektion lassen sich wie ein Mosaik zusammenfügen, funktionieren aber auch als isolierte Einzelstücke.